09. Juni 2022 14:00

Agorismus Mit Gegenwirtschaft den Staat austrocknen

Möglichkeiten, einen „offenen Marktplatz“ zu leben

von Sascha Koll

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Was ist Agorismus?

Agorismus stammt von dem griechischen Wort Agora ab, das Marktplatz bedeutet. Agoristen stehen für eine Gesellschaft des offenen Marktplatzes. So ist es nicht verwunderlich, dass Agoristen gegen staatliche Eingriffe in den Markt sind und zur Erreichung ihrer Ziele auf eine Gegenwirtschaft setzen. Der Marktplatz soll so frei wie möglich von Diebstahl, räuberischen Überfällen und Betrug sein. Der Agorist strebt eine Gesellschaft an, die so frei wie möglich ist, da nur in einer freien Gesellschaft der Einzelne seine individuellen subjektiven Bedürfnisse erfüllen kann. Im Gegensatz zum staatlichen System setzt der Agorist nicht auf Gewalt und Zwang, sondern auf freiwillige Interaktion und er versucht, den Staat so weit es geht aus seinem Leben herauszuhalten und ihn sogar aktiv auszutrocknen.

Wie versucht der Agorist, den Staat auszutrocknen?

Agoristen setzen auf viele verschiedene Methoden, um den Staat zu unterhöhlen. Der Staat nährt sich von Zuspruch, Unterstützung und von dem Geld, das er den Menschen raubt. Agoristen sagen, Anarchie werde dadurch gegründet, dass man attraktivere Parallelstrukturen aufbaue, staatliche Strukturen damit umgehe und ein Wechsel von dem einen ins andere System für das Individuum freiwillig stattfinden könne. Das neue freie System soll Menschen dazu einladen, dem Staat und damit der Herrschaft den Rücken zu kehren.

Ein Mittel ist, dem Parteienwesen den Mittelfinger zu zeigen. Agoristen unterstützen keinerlei politisches Engagement und entziehen der Politik die Mitwirkung. Für sie sind auch libertäre Parteien wie die PDV (Partei der Vernunft) oder die amerikanische Libertarian Party nicht mit Freiheit vereinbar, da sie – wenn auch in geringeren Maßen – auf Zwang basieren. Beispielsweise ist es in Deutschland nicht möglich, mit einer Partei, die das Grundgesetz, das etliche Zwänge beinhaltet, abschaffen würde, in die Parlamente zu kommen. Die Gründung einer libertären Partei ist also ein Kniefall vor der Herrschaft. Wer sich mit Politikern gemeinmacht, macht sich auch mit der Herrschaft gemein. Ein passendes Zitat stammt von Hans-Hermann Hoppe: „Wir müssen uns dazu durchringen zu sagen: "Mit Politikern wollen wir nichts zu tun haben. Wir gehen nicht zu deren Einladungen, und wir laden sie auch nicht ein. Das sind Leute, die sich unmoralisch verhalten, die es in einer freien Gesellschaft gar nicht geben würde.“

Gleiches gilt übrigens auch für Finanzbeamte.

Ein weiterer Ansatz des Agorismus ist das freiwillige Zusammenwirken nach dem Marktprinzip. Agoristen betonen die Notwendigkeit, Strukturen außerhalb des politischen Systems zu schaffen, mit denen eine freie Gesellschaft erreicht werden kann. Dazu gehören Ausbildung und Information, Alternativwährungen, Unternehmertum, Selbstversorgung, ziviler Ungehorsam und die Gegenwirtschaft. Diese sollten dezentral sein und nicht von oben herab, sondern von unten heraus entstehen. Es gibt Menschen, die entwickeln ein neues Geld, dass nicht durch den Staat kontrolliert werden kann. Dann gibt es Leute, die Konzepte für außerstaatliche Streitschlichtung entwickeln. Andere machen sich Gedanken um die Bildung und alternative Schul- und Lernkonzepte. Und einige bieten Bildung frei zugänglich an, indem sie Bücher übersetzen und sogar kostenfrei als Hörbuch auf Youtube anbieten. Wie oft höre ich von Schülern, die Youtube-Videos neben der Schule anschauen, dass die Inhalte dort deutlich besser vermittelt würden als von einer Lehrkraft des staatlichen Zwangsbeschulungssystems. Der freie Marktplatz bietet ganz ohne Zwang so viele Möglichkeiten und Lösungen an, die einfach nur genutzt werden müssen.

Die angestrebte Gegenwirtschaft begreift sich selbst als die Summe aller Handlungen, die Menschen in freier Übereinkunft tätigen. Dazu zählen der freie Markt, der Schwarzmarkt, die Untergrundwirtschaft und alle Arten des zivilen Ungehorsams. Auch vom Staat verbotene, regulierte und kontrollierte Tätigkeiten gehören für den Agoristen dazu. Für ihn gibt es nur den freien Markt. Eine Unterteilung in erlaubten Markt, Schwarz- oder Graumarkt ist nicht notwendig, wenn die Handlungen freiwillig sind. Es tut nichts zur Sache, ob etwas verboten ist oder welche Regeln die Herrscher für einen Handel vorsehen. Solange die Handlungen gewaltfrei, also freiwillig sind, und eben nicht dem sogenannten „roten Markt“ unterliegen, der Diebstahl und Gewalt beinhaltet, sind sie Teil der Gegenwirtschaft.

Ich möchte den Agorismus leben, was kann ich tun?

Es gibt unzählige Möglichkeiten den Staat weitestgehend aus seinem Leben herauszuhalten und auszutrocknen. Viele sind legal, viele illegal und manche auch mühsam, und nicht jedes der folgenden Beispiele ist für jeden geeignet.

Fangen wir mit einem Beispiel an, das eigentlich jeder anwenden kann: raus aus dem staatlichen Geldsystem. Vollständig herauszukommen, wird schwierig, ist aber nicht unmöglich, wie einige wenige Bitcoin-Maximalisten beweisen. Aber teilweise geht es ganz sicher für jeden – und zwar, indem man wenigstens seine Ersparnisse aus dem System herauszieht. Gold ist eine nicht allzu volatile Möglichkeit, Bitcoin ist wegen der Volatilität schon etwas spannender. Fragen Sie doch mal Ihre Freunde, die die Rechnung für das Essen vorgestreckt haben, ob Sie ihnen Ihren Anteil in Bitcoin zahlen können. So kommt er in Umlauf und ermöglicht immer mehr Leuten außerhalb des staatlichen Geldsystems, miteinander zu handeln.

Haben Sie eine Putzfrau, einen Gärtner und gehen lieber essen statt selbst zu kochen? Haben Sie vielleicht ein Zimmer frei und kein Problem damit, dass jemand Fremdes bei Ihnen wohnt? Machen Sie ein Angebot, das zum Beispiel für Studenten attraktiv sein könnte: Sie bieten das Zimmer an und vereinbaren als Gegenleistung den wöchentlichen Hausputz, einfache Gartenpflegearbeiten und eine gekochte Mahlzeit pro Tag. Ein Konzept, dass man bei Auslandsreisen und -semestern als „Au-pair“ kennt. Beide Vertragspartner profitieren von einer solchen Vereinbarung und die GEZ wurmt es so richtig, dass hier plötzlich ein Haushalt anstelle von zweien geführt wird. Aber bitte fragen Sie mich jetzt nicht, wie das mit Steuern und Versicherungen aussieht. Wir wollen schließlich den Staat aus unserem Leben heraushalten.

Auf der Hand liegt auch die sogenannte Schwarzarbeit. Ich denke, jeder kann sich vorstellen, was damit gemeint ist, und ich möchte diese selbstverständlich nicht empfehlen, da sie illegal ist.

Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, weniger zu arbeiten und mehr Freizeit zu haben? Auch dieser Vorschlag funktioniert für alleinlebende Singles besser als für den Familienvater, der es gerade so schafft, seine Familie zu ernähren. Aber wer wirklich gewillt ist, den Staat auszutrocknen, kann dies legal durch Steuervermeidung schaffen, indem er das progressive Steuersystem nutzt und ein paar Stunden weniger arbeitet. Es ist nicht einfach, da auch der Arbeitgeber mitspielen und ein geringeres Einkommen zur Lebenssituation passen muss, aber es ist eine Option, die sich anbietet.

Wussten Sie, dass Sie ganz legal steuerfrei Gewinne erzielen können, indem Sie Handel tätigen, dessen Steuerpflicht an eine Haltefrist gebunden ist? Gold- und Bitcoin-Geschäfte wie auch alle anderen Geschäfte, die als private Veräußerungsgeschäfte gelten, sind nach einer Haltefrist von zum Beispiel einem Jahr, wie bei Bitcoin, Gold, Schmuck, NFTs und so weiter, steuerfrei. Haben Sie ein gutes Gefühl für den Markt? Warum nicht Bitcoin, wenn er hoch im Kurs steht, gegen Gold verkaufen und nach mehr als einem Jahr wieder Gold für Bitcoin verkaufen? Natürlich sind solche Geschäfte risikobehaftet, aber dafür steuerfrei. Und bitte fragen Sie vorher Ihren Steuerberater, ob ich gerade Quatsch von mir gegeben habe.

Was Sie auch tun können, ist eine Kellerbar ohne Konzession, ohne Genehmigungen, ohne Anmeldung beim Ordnungs- oder Gesundheitsamt in einem Keller eines Mehrparteienhauses zu eröffnen. Das ist kein Witz. So etwas gibt es tatsächlich in einer bayrischen Großstadt. Es nennt sich „Kafe Agora“ und bewirtete bereits einige hochangesehene Personen, die jedem Leser hier bekannt sein dürften.

Wie eingangs gesagt, funktionieren nicht alle Beispiele für jeden. Die meisten werden nur für Menschen mit einem überdurchschnittlichen Wohlstand oder einer hohen Risikobereitschaft infrage kommen. Sie sollen aber als Anreiz dazu dienen, sich Gedanken zu machen, wie auch Sie einen Teil dazu beitragen können, freier zu leben und nebenbei den Staat auszutrocknen.

Fallen Ihnen noch weitere Möglichkeiten ein, den Agorismus zu leben? Ich lade Sie dazu ein, Ihre Ideen unter dem Hastag #agorismus auf Twitter mit mir zu teilen.


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