09. August 2022 08:00

Guter Einkauf: Der Dorfschrauber Stoffelig gut

Die lokale Autowerkstatt als Zeitkapsel

von David Andres

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Da sich in letzter Zeit nichts aufdrängte, durchforstete ich dieser Tage auf der Suche nach einem Thema für die neue Folge „Guter Einkauf“ die derzeitigen Autohersteller. Unter den guten deutschen Fabrikaten fallen die meisten ganz automatisch weg. BMW und Mercedes-Benz beteiligten sich 2021 an der großen Impfkampagne. Audi gewann kürzlich den Prozess gegen einen eigenen Mitarbeiter, der sich nicht gegendert ansprechen lassen möchte, und betitelt seine firmeninterne woke Gehirnwäschenbroschüre mit „Vorsprung beginnt im Kopf“, worauf man antworten möchte: „Ja, und Irrsinn auch.“

Zuletzt bewegte ich mich auf der Website und dem Instagram-Profil von Volvo, einem Hersteller, von dem ich in meiner persönlichen Autofahrerlaufbahn bereits zwei Fahrzeuge als insgesamt sehr zufriedener Kunde fuhr und mich dabei tatsächlich stets so fühlte, wie es das Unternehmen heute immer noch als Hashtag verkündet: #ForEveryonesSafety. Sicherheit und Solidität, der „schwedische Panzer“, immerhin ein paar rustikale Werte. Die Impfkampagne haben sie nicht mitgemacht und dass auch sie sich in Richtung alternativer Antriebe reformieren, geschenkt. Doch dann las ich in diversen Foren, dass die Firma mittlerweile auch die Strategie fahre, Kunden mit Altbestand den Service mehr und mehr zu verweigern und die Kultur der Reparatur ebenso zu kappen wie heutzutage im Grunde jeder Hersteller. Und da stand mir die heutige Empfehlung sonnenklar vor Augen! Natürlich! Vergessen Sie die KfZ-Hersteller von heute! Leben Sie in der Vergangenheit! Pflegen Sie den Altbestand! Gehen Sie in die unabhängige kleine Werkstatt.

Überall gibt es ihn schließlich, den Dorfschraube … auch in den Großstädten, wo das einzelne Viertel, der Stadtteil, der Kiez innerhalb des großen urbanen Verbunds das Dorf darstellt. Der Dorfschrauber ist männlich und meist über die fünfzig; sollte er drunter sein, sieht er in jedem Fall zwanzig Jahre älter aus, als er ist. Er ist keine Schönheit, von Arbeit ganz grau, er trinkt Sprudel aus der Glasflasche, raucht heute noch Reval und hat vergessen, den Kalender mit den leicht bekleideten Frauen zu aktualisieren. Vielleicht sind Pin-ups aber auch sogar in der Autowelt seit 2005 bereits verboten, wer weiß das schon. Der Dorfschrauber hat ein eigenes Lager mit den Winterrädern der Stammkunden, er putzt niemals die Fenster und hat es stets schattig, auch im Hochsommer. Ein uraltes unzerstörbares Kofferradio perlt einen Musiksender mit 80er-Jahre-Hits zwischen die Ölwannen. Läuft es beim Dorfschrauber geschäftlich gut, wuseln drei bis vier jüngere Angestellte und mindestens ein Azubi unter den Hebebühnen hin und her.

Der Dorfschrauber ist maulfaul und lange distanziert. „Stoffelig“, wie der Westfale sagt. Es braucht Jahre, bis er sich ein wenig öffnet, nicht einmal Small Talk über Fußball ist seine Sache. Er kennt jedes Fabrikat und kann alles reparieren, systembedingt je älter das Modell, desto besser. Sicher rattern auch bei ihm die Laptops und die Computer, schließt auch er analytische Software an moderne Cockpits an. Doch bringt man ihm einen 2000er-Volvo S40, einen 90er-Jahre-Mondeo, eine alte E-Klasse oder gar einen Strichachter, kommt er richtig in sein Element. Sein Reich ist eine Zeitkapsel in gleich mehrfachem Sinne, voller natürlicher Widerstandskraft gegen den Zeitgeist und voller Kompetenz, um Fahrzeuge aus unschuldigeren Zeiten so lange wie irgendmöglich zu konservieren.

Der Dorfschrauber ist kein Magier, aber er kann zaubern.
Der Dorfschrauber ist kein Anarchokapitalist, aber er erledigt gerne mal was an den staatlichen Dieben vorbei.
Der Dorfschrauber ist kein aktiver Kämpfer gegen den Zeitgeist – er ignoriert ihn einfach.

Bewahren Sie Ihr altes Schätzchen und die lokale Werkstatt, denn in Gegenwart und naher Zukunft haben uns die Autokonzerne und deren Vertragswerkstätten nichts mehr zu bieten.

Fairgarage – freie Werkstätten in Ihrer Nähe finden

Der Audi-Prozess


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