25. Oktober 2022 08:00

Guter Einkauf: Mars Inc. Markenpower gegen Discount-Sozialismus

Wie Netto zu seinem Entsetzen den mündigen Kunden entdeckt …

von David Andres

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Der Discountsupermarkt Netto buhlt derzeit auf seinem Instagram-Kanal um die Gunst der Kunden für die Billigprodukte der Eigenmarken. „Netto bleibt günstig“, lautet der Slogan, unter dem die Kette regelmäßig darauf aufmerksam macht, dass es für nahezu alle Markenprodukte die namenlose Alternative gibt. Die Texte beginnen immer gleich: „Der Hersteller Mars fordert …“ Daraufhin geht es weiter mit dem, was der Weltkonzern nun alles dem Einzelhändler preislich verunmöglicht.

„Der Hersteller Mars fordert auch bei Katzennahrung eine unangemessene Preiserhöhung. Wir von Netto kämpfen für euch und bieten dir mit unseren Eigenmarken günstige Alternativen.“ Abgebildet ist eine Dose „Leckerbissen“ von Attica vor einer Dose Kitekat, die es bald nicht mehr geben wird. Ihre Hundefutteralternative Cadora bewerben sie mit dem Spruch: „Wir halten die Preise an der kurzen Leine.“ Das Kaugummi, das Wrigley’s ersetzen soll, heißt Diadent, das Ersatzeis für einen gefrorenen Snickers-Riegel Peanut Champion.

Hintergrund der Kampagne ist der unversöhnliche Streit, den der Konzern Mars gerade mit Rewe und Edeka – Netto ist die Discounttochter des Letzteren – um die Kostenweitergabe der Erzeugerpreise führt. Wie es aussieht, bleiben die Ketten hart. Auch bei mir in der Stadt haben die Filialleiter bereits angekündigt, dass alles, was Mars produziert, abverkauft und vorerst nicht mehr nachgefüllt wird.

Interessant ist, wie die Kunden auf diese Nachricht und die Kampagne von Netto reagieren. „Preisverhandlung ist ja sinnvoll und gut“, schreibt janchristophmorisse, „aber eine Schmutzkampagne gegen einen langjährigen Geschäftspartner zu fahren, weil man um seine Margen fürchtet, ist schon ziemlich niederträchtig ... Dann geht man halt nicht zu Netto.“ Die Sympathie liegt nicht bei dem vergleichsweise kleineren Discounter, der tapfer für die von ihm geduzten Kunden „kämpft“, sonderm beim Weltkonzern aus Virginia mit 37 Milliarden Dollar Umsatz im Jahre 2020. Haben dafür die Öffentlich-Rechtlichen seit Jahrzehnten gegen den Kapitalismus gehetzt?

Diese Patzigkeit der Kunden hat vor allem mit einem Phänomen zu tun, das zumindest die Marketing-Menschen von Netto offenbar nicht begreifen – der Kunde hat Ansprüche. Denn einfach zu sagen, Katzenfutter sei gleich Katzenfutter oder gar Eis gleich Eis, das ist ja im Prinzip bereits Sozialismus, das abstrahiert von der Schönheit der Produktvielfalt hin zum kleinsten gemeinsamen Nenner einer freudlosen Grundversorgung. Nicht aber mit den Kunden. „Beides absoluter Schrott, den man seinen Katzen nicht zum Füttern geben sollte“, schreibt die Nutzerin maliin_ha über das Eigenmarkenfutter. Einer anderen fehlt sogar die angemessene Verpackungsästhetik: „Warum gibt man sich nicht ein bisschen mehr Mühe bei der Abbildung? Wirklich appetitlich sieht der Riegel ja nicht aus.“

Sicher, ein paar wenige gibt es, die auf die Botschaft wie gewünscht anspringen oder womöglich als Mitarbeiter ihre Privat-Accounts dafür nutzen. „Sauber Edeka“, schreibt etwa ein Hakan Midik ohne Großbuchstaben, „lasst euch nicht unterkriegen von raubtierkapitalisten.“ Eine mit Sicherheit echte, sehr junge Person namens erik_lie tippt in dem Deutsch, das die Teenager und Twens gerade sprechen: „Das ist halt actually mal cool.“ Im Forum Tellonym, auf das sie verlinkt, gibt sie traurigerweise zu: „Ein Fünftel oder Viertel meines Lebens ist vorbei und ich habe überhaupt nichts erreicht, worauf ich stolz sein kann. Ich habe fast jeden verstoßen, der mir wichtig ist, ich fühl mich innerlich einfach nur noch leer.“

Kunden, die aufgeräumter im Leben stehen, schauen einfach genau hin und bemerken, dass Netto kein Samariter ist. „Mal genau eure Eigenmarken von euch beobachten, ist ja schon viel gestiegen. Warum?“, fragt SMA_rt_art. Die Nutzerin britishcosma, offiziell eine Katze, möchte wissen: „Ist es normal, dass so viel abgelaufene Sachen verkauft werden bei Netto? Und dann nur 30 Prozent reduziert?“

Mein Vorschlag: Suchen Sie in den kommenden Wochen Ihre örtlichen Filialen von Rewe, Edeka oder Netto auf, wenden Sie sich an den Leiter und sagen: „Wie sieht’s aus, alle Snickers und das gesamte Sheba auf einen Schlag, machen Sie mir einen guten Preis?“

Egal, was der Mann antwortet: Bleiben Sie gelassen und verwehren Sie sich dagegen, geduzt zu werden.

„FAZ“: Edekas Macht ist nur geliehen

Netto bei Instagram


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