08. November 2022 07:00

Guter Einkauf: Galeria Kaufhof Eine Vision für Investoren

Wie sich das klassische Warenhaus retten ließe

von David Andres

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Diese Woche gebe ich keinen Einkaufstipp für Endkunden, sondern für Investoren mit ganz dickem Geldbeutel, denen danach wäre, die insolvente Warenhauskette Galeria Kaufhof zu erwerben.

Was brauchen die Menschen? Wieso ist das große Kaufhaus im Zentrum der Stadt, gekleidet meist in den brutalistischen Chic der Siebzigerjahre, de facto bereits seit zwei Jahrzehnten ein Auslaufmodell? Nun, die Menschen brauchen auf keinen Fall handelsübliche Waren, die es überall woanders ebenfalls gibt, zu Apothekenpreisen. Sie brauchen entweder hochspezialisierte Produkte von fachkundigen Einzelhändlern oder aber, gerade in Zeiten der Krise, die Möglichkeit, ihre eigenen überschüssigen Dinge schnell zu Geld zu machen und andere für einen sehr kleinen Preis zu erwerben. Beides, An- wie Verkauf, geht in Ladenlokalen, wie es sie in wenigen deutschen Städten bereits in kleinem Rahmen gibt, in denen der Betreiber an Privatleute Regalfläche vermietet. In dieser können die Menschen dann ihre zu verkaufenden Dinge schön drapieren und dauerhaft anbieten – ein Riesenvorteil gegenüber dem Stress, das Auto immer wieder neu für die Fahrt zum Trödelmarkt zu packen oder die Sachen einzeln auf eBay einstellen zu müssen. Kunden stöbern durch diese Gänge mit der Freude am Schnäppchen und an der Überraschung, was sich alles finden lässt.

Was brauchen die Menschen noch? Wohin flüchten sie sich gerade? In die Illusion eines moralisch höherstehenden Verhaltens oder in die gnadenlose Nostalgie der eigenen Kindheit. Wer jünger ist, will die Welt in eine utopische Zukunft führen. Ältere wünschen sich die Tage ihrer Jugend zurück, in der alles einfacher und vergleichsweise entschleunigt war. 

Diese drei Ausrichtungen ergeben meine Vision für mutige Investoren, die einen Betonklotz in der Innenstadt wieder zu einem Magneten für die Menschen machen wollen. Zwei bis drei Geschosse verwandeln Sie in thematisch sortierte Mietflächen für Privathändler. Nehmen wir an, so ein Gebäude bietet 25.000 laufende Regalmeter und jeder davon ließe sich für zehn Euro pro Monat vermieten – dem Objekt wären bereits maximal 250.000 Euro im Monat sicher. In den unteren Geschossen wiederum erbauen Sie, lieber Investor, einen Retro-Kaufhof, eine begehbare Zeitreise, in der von der Warenauswahl bis zu Kleidung und Habitus der Angestellten alles noch im Jahre 1985 steckt und an der Rolltreppe ein Original-Spielautomat von Pac-Man oder Space Invaders auf Münzeinwurf wartet. Im Dachgeschoss ersetzen Sie das miefige Gulaschsuppen-Restaurant durch ein helles Vegan-Bistro, das angeblich so viel Kraft aus den Solarzellen auf dem Flachdach bezieht, dass jeder Imbiss dort unterm Strich mehr Ressourcen erzeugt, als er der Erde wegnimmt. Sowohl diese Gastronomie als auch das Nostalgie-Museum können Sie sich zusätzlich zu saftigen Preisen und Eintritt zudem vom Staat subventionieren lassen.

In der harten Wirklichkeit geht der Frankfurter Ökonom Volker Brühl davon aus, dass sich von den 131 noch existierenden Filialen maximal 50 retten lassen. In meiner Vision erblühten in den Innenstädten neue Oasen des freien Handelns unter freien Menschen, der offen gepflegten Nostalgie und der leiblichen Genüsse samt Ethikbonus.

Könnte was werden, oder?

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