29. Januar 2023 19:00

Demographischer Wandel Die Chinesen sterben aus!

2022 schrumpfte die Bevölkerung im Reich der Mitte erstmals seit sechs Jahrzehnten

von Stephan Unruh

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Erstmals seitdem der psychotische Massenmörder Mao Tse-tung seinem Volk einen „Großen Sprung nach vorn“ verordnete und damit en passant die größte menschengemachte Hungersnot auslöste, ging die Bevölkerungszahl des Reichs der Mitte im vergangenen Jahr zurück. Damals starben, je nach Schätzung, zwischen 40 und 145 Millionen Menschen – im Vergleich dazu ist der aktuelle Rückgang mit etwa 850.000 Köpfen vergleichsweise harmlos. Auch dürften dieses Mal wohl die wenigsten verhungert sein. Nichtsdestotrotz ist die Entwicklung besorgniserregend und dürfte in Peking für rauchende Köpfe sorgen.

Tatsächlich ist die Demographie Chinas katastrophal – gerade einmal 1,2 Kinder bekam die Durchschnittschinesin im Jahr 2022 noch (Deutschland 1,6; Japan 1,3; USA 1,6). Die Entwicklung hat sich bereits lange abgezeichnet. Überraschend ist eigentlich nur der Zeitpunkt, denn bisher gingen die Demographen davon aus, dass der Höhepunkt Ende der 2020er, Anfang der 2030 Jahre erreicht werden würde. Nun also ist er eine ganze Dekade früher eingetreten, wobei man den Sondereffekt „Covid“ nicht ganz außer Acht lassen sollte. Zwar werden den Chinesen nun nicht sofort die Arbeitskräfte ausgehen, und dank der kaum vorhandenen und zumeist auch nicht umlagefinanzierten Sozialsysteme kommt der chinesische Staat auch nicht sofort in die Bredouille. Vielmehr wird der Immobilienmarkt das erste „Opfer“ der Demographie werden – weniger Menschen bedeuten eine geringere Nachfrage nach Wohnungen.

Dies aber hat gravierende Konsequenzen für China. Denn nicht nur ist der Immobiliensektor wichtigster Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung, da über ein Drittel des BIP – sehr viel mehr als in den westlichen Volkswirtschaften – an ihm hängt, sondern er ist auch das „Sparschwein“ der Chinesen. Immobilien sind das Investmentvehikel Nummer eins in der Volksrepublik. Eigentlich jeder Chinese hat hier ein gewaltiges Klumpenrisiko, was aber komplett ignoriert wird, da man in China seit 40 Jahren nur steigende Immobilienpreise kennt. Wenn aber die Bevölkerung signifikant schrumpft, und bei 1,3 Kindern tut sie das (auf Sicht von 40 Jahren darf man dann mit einem Rückgang von 30 bis 35 Prozent rechnen), dann müssen die Preise am Markt notwendigerweise zurückgehen. Plötzlich wären dann Chinesen, die sich dank ihrer Immobilien reich fühl(t)en, arm – insbesondere wenn sich herausstellt, dass viele Immobilien nicht mehr verkaufbar sind beziehungsweise sein werden.

Auch die langfristigen Konsequenzen für Chinas Marktmacht dürften dramatisch sein, und niemand sollte so naiv sein, zu glauben, dass „wir“ als westliche Gesellschaften davon profitieren würden. Zumal Deutschland, die USA oder Japan nur unwesentlich besser dastehen. Immerhin werden die Steuermänner in Peking nicht auf die Idee kommen, das fehlende Bevölkerungswachstum durch den massenhaften Import von jungen Männern aus zivilisatorisch rückständigen Gebieten zu kompensieren. Vielmehr setzt man zunächst wohl auf eine Kombination aus Technologie und Anreizen. Mit Technik will man mittelfristig fehlende Arbeitskräfte ersetzen, und die Anreize zielen vor allem darauf ab, das Kinderkriegen hinsichtlich seiner materiellen wie immateriellen Kosten zu verbilligen, was ein gewaltiges Unterfangen ist angesichts der Ansprüche, die die chinesische Gesellschaft an die Aufzucht der Kinder stellt (auch das wieder wäre eine eigene Kolumne). Da sich zu diesen noch der gewaltige Einschlag der sozialen Medien auf das Entstehen/Anbahnen von Beziehungen sowie der ungeheure Männerüberschuss (von 100 Menschen in China sind 60 männlich) und die allgemeine Tendenz von Industriegesellschaften zu niedrigen Geburtenraten gesellen, darf man mehr als skeptisch sein, ob das Unterfangen gelingen kann.

Am Ende birgt das Ganze eine große Ironie. Denn Chinas demographisches Problem ist hausgemacht: Mit der Implementierung der Ein-Kind-Politik 1979 war diese Entwicklung im Prinzip vorgezeichnet. Die Ein-Kind-Politik wiederum wurde deshalb notwendig, weil Mao nicht nur gerne Millionen von Menschen ermorden und verhungern ließ, sondern es ebenso gerne sah, wenn die Bevölkerung wuchs: „Eine große Nation hat eine große Bevölkerung.“ Der aus Maos Bevölkerungspolitik entstehende „Youth Bulge“ kanalisierte sich in der Kulturrevolution und wäre sicher in einen Bürgerkrieg eskaliert, wäre Deng nicht demographisch auf die Bremse getreten.

Da nun in Peking ein ideologisch gefestigter Machtmensch sitzt, dem man alles Mögliche vorwerfen kann, aber sicher nicht, dass er Eigenverantwortung und individuelle Freiheiten für wichtig erachtet, darf man gespannt sein, welche Methoden staatlicherseits in nicht allzu naher Zukunft ausgepackt werden, um eine demographische Trendwende zu schaffen, wenn der Ansatz „Technologie und Anreize“ nicht verfängt. Ich persönlich halte dabei „Zwangsschwangerschaften“ (mit unterschiedlichen Graden von Zwang), staatliche Menschenzuchtinstitute und final, so technisch realisierbar, die künstlichen Gebärmütter à la „Schöne neue Welt“ keinesfalls für ausgeschlossen. Chinas Kommunisten haben hinreichend bewiesen, wozu sie fähig sind. Wer Menschen das Kinderkriegen verbietet, wird sie auch zum Kinderkriegen zwingen, so es dem eigenen Machtstreben dienlich sein könnte.


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