17. März 2023

Finanzkrise 2.0 – Geldpolitik scheitert an der Realität Bilanzfälschung durch die Königin der Fiatgeld-Welt

Die totale Geldplanwirtschaft: Mit jeder Eskalationsstufe verschwindet immer mehr Marktwirtschaft!

von Benjamin Mudlack

Stellen Sie sich bitte einmal vor, Sie besitzen ein Wertpapier (Anleihe gleich Schuldpapier) und das Papier wird zu 100 ausgegeben und zu 100 zurückgenommen, vorausgesetzt, der Schuldner ist am Ende der Laufzeit noch existent und zahlungsfähig. Nun ergibt sich jedoch in der Zwischenzeit am Markt die Situation, dass die gut informierten Marktteilnehmer der Kreditwürdigkeit der Schuldner nicht mehr trauen. Ihnen werden die Papiere zu heiß und sie verkaufen sie. Durch den Abverkauf dominiert das Angebot die Nachfrage. Auf Basis des Angebotsüberhanges stellt sich ein niedrigerer Marktgleichgewichtspreis ein. Die Preise fallen. Je größer der Vertrauensverlust, desto größer der Abverkauf.

Angenommen, die Papiere landen bei einem Marktwert von 30 Prozent vom Nominal- oder Nennwert. Würde man verkaufen, wären 70 Prozent Verlust zu realisieren, der das Eigenkapital abschmelzen ließe, womit die Bilanz von diesem Ungleichgewicht bereinigt wäre. Im Extremfall übersteigt der realisierte Verlust das Eigenkapital, dann ist es negativ und man selbst bilanziell am Ende.

Jetzt kommt jedoch ein Akteur der „letzten Instanz“ ins Spiel. Dieser gibt Ihnen die Möglichkeit, das besagte Wertpapier bei ihm zu hinterlegen und niedrig verzinst zu 100 Prozent vom Nennwert zu beleihen. Marktwirtschaftlich und auch bilanziell ist Ihr Unternehmen am Ende, aber durch diesen „Move“ könnten Sie als Zombie weiterexistieren und andere Unternehmen existenziell mit ihrem Überschuldungsvirus anstecken. Aber eins nach dem anderen ...

Sie werden die aktuelle Situation, beginnend mit der Pleite der Silicon Valley Bank (Spezialinstitut zur Finanzierung von jungen Unternehmen der Technologiebranche) und rund um das US-Bankensystem (in Europa unter anderem die Credit Suisse), mitbekommen haben. Um dem Problem der zunehmend sichtbaren, aber schon lange existierenden Kaufkraftentwertung zu begegnen, hatten die Zentralbanken begonnen, die Zinsen durch geldplanwirtschaftliches Diktat anzuheben.

Dieser Akt vollzieht sich jedoch nicht ohne Kollateralschäden. Vorher wurden die Zinsen über zwei Dekaden sukzessive abgesenkt. Zu viel billiges Geld führt zu Blasenbildungen und Fehlsteuerungen von Geld und Ressourcen. Kurz gesagt: Die Preise stiegen in sämtlichen Vermögensgütermärkten (Ackerland, Immobilien, Aktien und so weiter). Die größte Blase war sicherlich die Blase der Staatsanleihen, und diese platzte nun durch die Abhebung der Zinsen.

Ein gängiges Geschäftsmodell für viele Banken war die sogenannte Fristentransformation. Man lieh sich mit sehr kurzer Laufzeit für wenig Zinsen liquide Mittel und investierte diese zum Beispiel in langlaufende Staatsanleihen. Die Staatsanleihen wiederum konnten noch beliehen werden, und davon kaufte man zusätzliche Zinspapiere mit höherem Guthabenzins, als man an Kreditzins zu zahlen hatte – in der Welt der vermeintlich nicht mehr steigenden Zinsen ein „No-Brainer“.

Diese Illusion zerplatzte jedoch mit den steigenden Zinsen, und so platzte auch die Anleihenblase. Und je höher die Aktivitäten bei der Fristentransformation sind, desto höher sind die bilanziellen Zinsänderungsrisiken für das jeweilige Institut. Darüber hinaus kam es zu einem erheblichen Rückgang in den Märkten für Vermögensgüterpreise. Aus sämtlichen Preisrückschlägen ergibt sich ein bilanzieller Korrekturbedarf, und dieser kann im Extremfall zu einer Banken- oder Unternehmenspleite führen. Selbstverständlich erhöhen die steigenden Zinsen auch die Kapitalkosten und das wiederum kann zu Zahlungsausfällen und Unternehmenspleiten führen. Ein sich selbst beschleunigender Effekt.

Die Zentralbanken haben sich und die Welt in eine Sackgasse oder Zwickmühle manövriert. Die enormen Mengen an Scheingeld haben die Märkte überflutet und die Kaufkraft erodieren lassen. Die Notenbanker und Politiker machen den Menschen weis, dass sie die Wirtschaft am Reißbrett planen und steuern könnten. Das ging nun im Zuge der Zinsanhebungen abermals gründlich in die viel zitierte Hose und scheiterte an der Realität. Die klassischen, in der Wirtschaftslehre postulierten geldpolitischen Steuerungsinstrumente funktionieren nicht mehr, und daher sieht sich die Welt immer neuerer Eskalationsphasen und marktwirtschaftlichen Tabubrüchen ausgesetzt.

Die „besondere Herausforderung“ der Bankenlandschaft

Das sogenannte Bruchteilreservesystem (Fractional Reserve Banking System) und die damit verbundene nahezu unbegrenzte Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken sind der zentrale Grund, warum Banken im Vergleich zu Unternehmen aus der Realwirtschaft mit extrem niedrigen Eigenkapitalquoten agieren. Genau dieser Umstand macht das Finanz-, Banken- und Geldsystem so anfällig und fragil. Banken agieren extrem gehebelt. Schon kleine oder mittelgroße Einbrüche oder Verwerfungen können Institute bilanziell in die Überschuldung führen.

Die Silicon Valley Bank rangierte in den USA auf Rang 16 und scheiterte nun an einem Korrekturbedarf von schätzungsweise etwas über 15 Milliarden US-Dollar. Bei der Bank of America ist von 108,56 Milliarden US-Dollar (47,7 Prozent des Eigenkapitals) Buchverlust die Rede. Die Liste ist lang, und allein in den USA soll die Summe bei 600 Milliarden US-Dollar (bei circa 2.100 Milliarden US-Dollar Eigenkapital) liegen.

Bilanzfälschung durch die amerikanische Notenbank (Fed)

Das existenzielle Problem der Silicon Valley Bank (SVB) war nun ein sogenannter Bank Run. Eine signifikante Anzahl von Kunden zog ein kritisches Volumen an Kontoguthaben ab, wodurch die SVB gezwungen war, ihre aus diesem „Run“ resultierenden Liquiditätsengpass mit Notverkäufen zu begegnen. Die Silicon Valley Bank realisierte durch die Notverkäufe erhebliche Verluste. Derartige Zwangsverkäufe sollten für andere Institute nicht mehr zu einem existenzbedrohenden Problem werden.

Und so zauberte die Königin der Fiatgeld-Welt, die amerikanische Notenbank Fed, am vergangenen Wochenende neben der Einlagengarantie für die gescheiterten Banken (SVB, Signature Bank) das sogenannte Bank Term Funding Program aus dem Hut. Das Programm wirkt wie eine Garantie für das selbst für Laien als fragil identifizierbare Finanz- und Bankensystem und soll zunächst eine Laufzeit von einem Jahr haben. Zunächst ...

Gegen die Verpfändung von Sicherheiten (Wertpapiere, Anleihen oder Ähnliches) können sich Banken nun nahezu unbegrenzt bei der Zentralbank zu niedrigen Zinsen liquide Mittel leihen. Aus Kreisen des gut informierten Investmenthauses JP Morgan ist von einer möglichen Finanzspritze durch die Fed in Höhe von mindestens 2.000 Milliarden US-Dollar die Rede. Interessanterweise werden die Papiere nicht zu Marktpreisen, sondern zu dem Nominalwert bilanziell bei der Notenbank aktiviert. Gerade jetzt in den Zeiten, in denen unter anderem, ausgelöst durch die rückläufigen Zinsen, die Marktpreise weit unter die Nominalwerte gedrückt wurden, ist das ein Akt, der besonders schwer wiegt. Er zeigt zudem, wie weit der Karren geldpolitisch bereits in den Dreck gefahren wurde.

Kein Unternehmer aus dem Mittelstand dürfte, ohne der Strafverfolgung anheimzufallen, so agieren. Darüber hinaus verstößt diese zusätzliche geldplanwirtschaftliche Eskalationsstufe gegen sämtliche marktwirtschaftliche Prinzipien. Früher wurde mir im Rahmen der Ausbildung und des Studiums einmal das sogenannte Niederstwertprinzip als bilanzielle Grundsatzregel erklärt. Nach dieser sei der Wert anzunehmen, welcher der niedrigere ist. Allein schon aus Gründen der kaufmännischen Vorsicht ist das ein ganz wichtiger Punkt.

Fazit: Sichtbare Blutung vermeintlich gestoppt, die Kernerkrankung bleibt

Sind die Probleme der Banken nachhaltig gelöst? Mitnichten! Die Immobilienblasen vor der Finanzkrise 2007/08 sind in den USA und vornehmlich Südeuropa durch zu niedrige, nicht marktkonforme Zinsen und Geldexpansion entstanden. Mit der identischen Therapie hat man die Auswirkungen der damaligen Krise kaschiert und so neue Spekulationsblasen und Fehlallokationen entstehen lassen. 2007/2008 waren es faule Immobilienkredite, die man in Zweckgesellschaften gebündelt und in die Welt (zum Beispiel an die Westdeutsche Landesbank, Industriekreditbank und so weiter) verkauft hat. Heute sind es spekulative Zinsdifferenzgeschäfte und mit Fremdkapital finanzierte Unternehmensübernahmen (Leveraged Buyout Loan gleich LBO) und Unternehmensfinanzierungen, die nun im Zuge der steigenden Zinsen zu einem Problem werden.

Auch wenn die Umstände heute anders sind und die SVB nicht so stark mit Europa vernetzt ist, wie seinerzeit Lehman Brothers mit Europa geschäftlich verbunden war. Bildlich gesprochen hat man damals wie heute lediglich die offensichtlichen Blutungen gestoppt, ohne jedoch die systemische/ursächliche Kernerkrankung, namentlich die Teilreservehaltung der Banken und des billigen Geldes, anzugehen.

Welche Banken halten Politik und Notenbanken am Leben und welche nicht? Lehman Brothers ließ man scheitern, andere Institute, wie beispielsweise Wells Fargo und einige andere Häuser, wurden gestützt. Auch in Europa war diese wie Willkür anmutende Handlungsweise zu beobachten. In der Marktwirtschaft trägt man seine Verluste und scheitert im Zweifelsfall. In der Geldplanwirtschaft wird je nach Systemrelevanz oder Vernetzung in die „oberen Kreise“ gerettet oder eben auch nicht.

Die Maßnahmen führen neben der inflationären Wirkung (Geldmenge wird ausgedehnt) zu einer weiteren Zentralisierung der Bankgeschäfte. Die US-Investmentbank Bear Stearns wurde 2008 von JP Morgan übernommen. Auch jetzt sind bereits ähnliche Tendenzen erkennbar.

Die aktuellen Geschehnisse führen uns einen Umstand vor Augen. Das Fiatgeld-System kann noch deutlich länger existieren, als viele Kritiker meinen mögen. Prognosen sind an der Stelle extrem schwierig. Ich persönlich halte dynamisches Siechtum mit hoher Kaufkraftentwertung anstelle eines großen Knalls für wahrscheinlicher. Aber auch schon mit dieser Aussage wage ich mich sehr weit aus der Deckung.

Die handelnden Akteure brechen seit vielen Jahren mit sämtlichen marktwirtschaftlichen Grundsätzen, und zwar deshalb, weil die große Umverteilung so lange weitergeht, wie dieses US-Dollar-zentrierte Geldsystem existiert.

Das Fiatgeld-System ist vom Wesen her ein Transformationsmechanismus zur Werteumverteilung. Geld steuert die Güter-/Werteverteilung, der Zins steuert die Geldverteilung, und bei den Zentralbanken als Letztinstanz der Geldschöpfung und Zinsfestsetzung laufen die Fäden der Gesamtsteuerung zusammen.

Die Erstempfänger (die Banken oder andere Institutionen, die nah an der Geldschöpfung sind) investieren die neu geschaffenen Mittel und kaufen Sachwerte zu noch günstigen Preisen. Die Preise steigen und die Letztempfänger des Geldes können durch ihr Arbeitseinkommen kaum noch Sachwerte erwerben.

Mit dem Notenbankpräsidenten Alan Greenspan begann 1987 die Ära der Politik des Herauskaufens (Bailout) und der damit einhergehenden Bilanzverlängerung der amerikanischen Notenbank. Von 1987 bis 2020 wurde die Bilanz um den Faktor 40 gesteigert. Auch das Vermögen der brillanten Börsenlegende Warren Buffett steigerte sich um den Faktor 40. Das reale durchschnittliche Haushaltseinkommen (bereinigt um die offizielle Kaufkraftentwertung) blieb hingegen ungefähr identisch. Ich könnte noch einige Beispiele anführen, aber es sollte klargeworden sein, wo die neu geschaffenen Mittel die Preise nach oben bewegen und wer davon profitiert. Dieser Prozess wird sich nun im Rahmen der Inflation (Geldmenge wird ausgedehnt) und der darauffolgenden Kaufkraftentwertung zulasten der breiten Masse der Bevölkerung weiter fortsetzen.

Fragestellungen zum heutigen Beitrag:

  • Vertreten auch Sie die Auffassung, dass Geldpolitik mit marktwirtschaftlichen Grundsätzen unvereinbar ist?
  • Bilanzfälschung ist in der Bankenwelt mittlerweile an der Tagesordnung. Jeder Unternehmer würde strafrechtlich verfolgt. Warum lassen die Menschen die Bilanzfälschung durch die Institutionen zulasten der Mittelschicht einfach so geschehen?
  • Erinnern Sie sich an den Beitrag zu den „Boom und Bust“-Zyklen? Wir erleben gerade die Situation, wie der Bust durch die Zentralbanken abgewendet werden soll.

Benjamin Mudlack: „GeldZeitenwende – vom Enteignungsgeld zurück zum gedeckten Geld“

„Handelsblatt“: US-Großbanken profitieren von SVB-Pleite

2.000 Milliarden Finanzspritze

Benjamin Mudlack: Schuldenturmbau zu Babel (Teil 3): Anatomie einer Großen Depression


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