22. Mai 2023 08:00

Gestahlfedert: Abgesang L'Allemagne zéro point

Lord Of The Lost – symbolisch für die Abwrackung einer einstigen Kulturnation

von Michael Werner

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Bildquelle: Alexey Fedorenko / Shutterstock.com Politisch instrumentalisiert: Der Eurovision „Song“ Contest

Ich gebe es gleich eingangs frank und frei zu: Ich habe den aktuellen „Eurovision Song Contest“ nicht gesehen. Wen es nun empört, dass ich trotzdem darüber schreibe, möchte sich bitte zwei Aspekte vor Augen führen: In einem Land, das sich einen Robert Habeck als Wirtschaftsminister und eine Annalena Baerbock als Außenministerin leistet, kann ein Kolumnist, der sich über eine triviale Singsang-Scharade auslässt, ohne sich tatsächlich der Qual ihres Konsums ausgesetzt zu haben, immer noch problemlos als echte Koryphäe durchgehen, was ich Ihnen mit den folgenden Zeilen auch gerne unter Beweis stellen möchte. Und vor allem ist es – wie ich ebenfalls unter Beweis stellen möchte – für das, was ich dazu zu sagen habe, auch gar nicht nötig, sich vier Stunden lang der realen Gefahr auszusetzen, von einem durch das Dauerfeuerwerk an Lichtblitzen und den Anblick der sich darin suhlenden und räkelnden Gruselgestalten ausgelösten, epileptischen Anfall dahingerafft zu werden.

Als das Ding noch „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ hieß und ein echter Komponisten-Wettbewerb war, habe ich als Musiker und Musikfreund die Show stets mit großem Interesse und teilweise sogar echter Begeisterung verfolgt.

Seit einigen Jahren heißt es jetzt „Eurovision Song Contest“, oder meist nur noch kurz ESC, und ist offiziell immer noch ein Komponisten-Wettbewerb. Nur dass das kaum jemand weiß und sich auch keine Sau ernsthaft für die Komponisten interessiert; die eigentlichen Hauptfiguren wurden zu lästigen Statisten degradiert. Und die Musik steht schon lange nicht mehr im Vordergrund; sie ist durch immer bombastischere Showeffekte, die gekonnt von der rapide abnehmenden, kreativen Originalität der vorgetragenen Werke ablenken, durch pornöse Selbstdarstellungs-Exzesse der teilnehmenden Z-Promis und vor allem durch eine immer penetrantere Politisierung der Veranstaltung zum zweitrangigen Beiwerk verkommen.

Besagte Politisierung, oder treffender ausgedrückt die politische Instrumentalisierung dieser Parade der Peinlichkeiten fand ihren vorläufigen Höhepunkt im letzten Jahr, als man den ohnehin schon ausreichend geschundenen Ukrainern mit einem allzu offensichtlichen Mitleids-Sieg eine weitere Demütigung zufügte. Dabei dürfte der vorhersehbare Umstand, dass sie in diesem Jahr nicht, wie es für den Vorjahressieger Tradition ist, die Veranstaltung in ihrer Heimat ausrichten konnten, das Messer noch ein weiteres Mal in der Wunde umgedreht haben.

(Kurzer Einschub: Die nächste Demütigung folgte auf dem Fuß und traf das englische Liverpool, das dereinst die Beatles und zahlreiche weitere Vertreter des die 60er Jahre prägenden „Mersey Sounds“ hervorgebracht hat und nun als Ersatz-Austragungsort für diesen ekelerregenden Mummenschanz herhalten musste. Welch musikhistorische Schande!)

Die Punktevergabe hatte immer schon einen stark politischen Einschlag. Besonders augenfällig wurde das nach dem ansonsten begrüßenswerten Zerfall der Vielvölkerstaaten Osteuropas in zahlreiche kleinere Staaten, die nun alle einzeln antraten und die Veranstaltung damit nicht nur in eine endlos gähnende Länge zogen, sondern auch einen inzestuösen Punkte-Schacher betrieben. Es gab auch den gegenteiligen Effekt unter zwei verwandten Völkern, getrennt durch eine gemeinsame Sprache: Früher war es quasi eine Art Running Gag, dass Österreich und Deutschland sich gegenseitig nicht eines einzigen Punktes würdigten.

Streng genommen war ich lediglich ein Zwischensieg-Zuschauer, denn ich habe die Show vom ersten bis zum zweiten deutschen Sieg regelmäßig angeschaut.

Mein erster bewusst erlebter Grand Prix war demnach Harrogate 1982, wo sich bereits abzeichnete, dass die Deutschen ein grundsätzliches Problem damit haben, einfach nur gute Unterhaltung ohne Subtext abzuliefern. Wenn auch hier weitgehend unaufdringlich, da sich Ralph Siegel, der Komponist des Siegertitels, rund 40 Jahre, nachdem die Braungermanen halb Europa in Schutt und Asche gelegt hatten, noch ganz bescheiden mit nur „ein bisschen Frieden“ begnügte, statt gleich im deutschen Alleingang den ewigen Frieden des ganzen Universums und sämtlicher Paralleluniversen zu proklamieren. Dabei verkörperte Sängerin Nicole, die mit ihrer Fönwelle, ihrem blauen Liebestöter-Kleid und ihrer überdimensionalen weißen Gitarre, die alles verdeckte, was ihre Figur näher definieren könnte, alles daransetzte, so unsexy wie nur möglich zu wirken, schon rein optisch den Antichristen zu allem, was dort heute das Auge eines jeden Ästheten beleidigt.

2010 in Oslo gewann Deutschland zum zweiten und bisher letzten Mal. Der von der unverbrauchten und vor kindlich-naivem Charme nur so sprühenden Lena Meyer-Landrut vorgetragene Song „Satellite“ bot tatsächlich gut gemachte Unterhaltung ohne „Haltung“. Was wohl daran lag, dass dieses Oeuvre gar nicht aus deutscher Feder floss und somit auch streng genommen gar keinen wirklich deutschen Sieg begründete: Die begehrte Trophäe ging an die US-Amerikanerin Julie Frost und den Dänen John Gordon, die sich fürs Songwriting verantwortlich zeichneten. Was jedoch kein Problem darstellte, da die Regularien des Wettbewerbs nicht vorschreiben, dass die Komponisten der teilnehmenden Werke auch tatsächlich aus den Ländern stammen müssen, für die sie antreten. So ging auch Ralph Siegel bereits für zahlreiche andere Länder an den Start und trat im Jahre 1980 sogar mit zwei vertretenen Kompositionen gegen sich selbst an.

Das Desaster folgte auf den Fuß, als Deutschland im Jahr nach Lenas Überraschungserfolg das Fräuleinwunder erneut ins Rennen schickte. Dabei weiß jeder Show-Profi, dass man einen Knalleffekt nur einmal abbrennen kann; bei jedem weiteren Versuch wird er zum Rohrkrepierer. Daher wollte ich auf keinen Fall mitansehen, wie das sympathische Mädel dort so vorhersehbar sinnlos verheizt wird, und so trug ich dann den ESC innerlich zu Grabe.

Insgeheim wünschte ich mir eh die Ära Harrogate zurück. Natürlich war früher nicht grundsätzlich alles besser, aber in diesem Fall vielleicht doch: Die Künstler, die die eingereichten Werke der teilnehmenden Komponisten interpretieren durften, sangen alle live, ebenso live begleitet von ein und demselben Orchester, meist dirigiert entweder vom Komponisten höchstselbst oder dem Arrangeur seines Vertrauens. Heute werden dort mit modernster Studiotechnik aufwendig vorproduzierte Playbacks abgespielt, zu denen mehrere optisch möglichst schräge Hupfdohlen lediglich den Mund auf und zu machen, um genug Luft zu haben, um eine präzise einstudierte Choreografie vorzutanzen. Es geht nicht mehr darum, unter gleichen Voraussetzungen für alle lediglich mit Melodie und Text einer Komposition und allenfalls noch mit einer guten Gesangsstimme zu überzeugen, sondern mit der spektakulärsten oder besser noch provokantesten Showdarbietung, zu der dann lediglich eine Geräuschkulisse aus der umfangreichen Sound-Bibliothek eines Computers abgespielt wird.

Dass dieses einst für den internationalen Tonträgermarkt bedeutende Musik-Event inzwischen längst zu einer drittklassigen Fummeltrinen-Karaoke mutiert war, bei der am nächsten Tag kaum ein Zuschauer noch die Melodie des Siegertitels nachsummen kann, führte dann endgültig zu meiner bis heute andauernden ESC-Abstinenz.

Wobei sich diese Abstinenz lediglich auf das Anschauen der Übertragung beschränkt; die Berichterstattung verfolge ich nach wie vor, zumindest kursorisch.

So auch dieses Jahr. Jedoch fand ich von allem, was ich zur Liverpooler Indoor-Version des Christopher Street Days der Presse und den sozialen Netzwerken entnehmen konnte, nur zwei Meldungen relevant:

Erstens, dass die „Vertreter“ Deutschlands (mit dem treffenden Namen „Lord Of The Lost“ – nomen est omen) beim Opening als einzige ohne Nationalflagge eingelaufen sind, und auf dem offiziellen Foto aller Teilnehmer, bei dem sich ebenfalls alle anderen mit ihrer Nationalflagge ablichten ließen, stattdessen in feinster Nancy-Faeser-Manier mit der Hakenkreuzbinde des todbringenden Kulturmarxismus, also der Regenbogenfahne, aufgeschlagen sind, quasi als Annalenas Sturmtrupp für feministische Außenmusik: First we take Qatar, then we take Liverpool! (Or not…)

Zweitens, dass Deutschland mit drei Punkten von den Fach-Jurys und 15 Punkten des Fernsehpublikums mal wieder seinen fast schon traditionellen letzten Platz verteidigen konnte.

Jetzt fragen Sie sich vielleicht, was genau ich ausgerechnet an diesen beiden Meldungen so interessant fand. Gerne verrate ich Ihnen, dass es gar nicht mal die darin enthaltenen Informationen an sich waren. Vielmehr war es, dass über beides zwar überall ausführlich berichtet wurde, dabei aber nahezu krampfhaft vermieden wurde, den Eindruck entstehen zu lassen, zwischen den beiden Ereignissen könnte auch nur der kleinste Hauch eines Zusammenhangs bestehen.

Sie können mich jetzt gerne einen Verschwörungstheoretiker nennen, aber vielleicht bin ich aufgrund irgendeines Gen-Defekts nur einfach nicht in der Lage, den riesengroßen rosa Elefanten mitten im Raum zu übersehen. Und dieser riesengroße rosa Elefant trötet aus seinem überdimensionalen Rüssel:

„Die ganze Welt – außer dem kurz vor dem finalen Untergang stehenden Deppen-Deutschland – hasst Vaterlandsverräter!“

Und zwar mit Recht!


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