01. Juli 2023 20:00

Zwiespältiges Freiheitsverständnis Mit dem Staatsapparat gegen die woke Agenda

DeSantis ist kein libertärer Hoffnungsträger

von Thorsten Brückner

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Bildquelle: Wirestock Creators / Shutterstock Republikanischer Gouverneur Flordias Ron DeSantis: Kanididiert für die US-Präsidentschaftswahl 2024

Vor etwas mehr als einem Monat hat der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, seine Präsidentschaftskandidatur verkündet. Allerdings will seine Kampagne noch nicht so richtig in die Gänge kommen. In allen Umfragen liegt DeSantis derzeit weit abgeschlagen hinter dem früheren Amtsinhaber Donald Trump, dem die Anklage in der Dokumentenaffäre wenig zu schaden scheint.

An der Zeit also, sich mit ein paar steilen Forderungen, die der eigenen Basis gefallen, Gehör zu verschaffen, dachte DeSantis da wohl und kündigte an, im Fall seiner Wahl zum Präsidenten vier Regierungsbehörden abzuschaffen. Die Liste klingt vielversprechend. Da wäre einmal das Bildungsministerium. Dass Bildung die alleinige Aufgabe der Bundesstaaten sein sollte, ist unter Konservativen fast schon Konsens. Auch Trump hatte sich zuletzt für die Abschaffung des Bildungsministeriums ausgesprochen. Und selbst Trumps frühere Bildungsministerin, Betsy DeVos, hat sich mittlerweile ebenfalls für die Schließung ihrer früheren Arbeitsstelle stark gemacht. 

Dann wäre da das Handelsministerium, bei dem einem selbst die meisten Amerikaner nicht genau erklären können, welche Aufgabe es eigentlich hat. Das Energieministerium wollte seinerzeit auch der frühere Gouverneur von Texas, Rick Perry, abschaffen. Später leitete er unter Trump genau dieses Ministerium und musste reumütig seine damaligen Positionen vor dem Senat zurücknehmen. Nachdem er „über die essenziellen Aufgaben des Energieministeriums in Kenntnis gesetzt” worden sei, könne er seine Forderung nach dessen Abschaffung nicht mehr aufrechterhalten. Auch beim Thema Klimawandel hatte der texanische Wolf mittlerweile Kreide gefressen. „Das Klima ändert sich und dies ist teilweise auch menschlichen Aktivitäten geschuldet“, so Perry. 

Für den größten Wirbel sorgte allerdings DeSantis Forderung nach der Abschaffung der Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS). Zu Ende gedacht würde das Ende des IRS auch das Aus für alle anderen Ministerien bedeuten, die DeSantis nicht aufgezählt hat. Durchdacht ist dieser Vorstoß nur unter PR-Gesichtspunkten. DeSantis weiß genau, dass er als Präsident nie in die Verlegenheit einer Kongressmehrheit kommen wird, die den IRS abschaffen will.

Da ist es zumindest ehrlich, wenn DeSantis konservativen Amerikanern gleich reinen Wein einschenkt. Unumwunden gibt er zu: „Wenn der Kongress mir hier nicht folgen sollte, werde ich diese Behörden benutzen, um gegen die woke Ideologie zurückzuschlagen und gegen jene linke Ideologie, die sich in alle Institutionen des amerikanischen Lebens frisst.“

Nur wenigen Republikaner-Wählern werden bei dieser Idee moralische Bedenken kommen. Seit Jahren setzen die Demokraten Bundesbehörden und besonders den IRS auf konservative Gegner an. Da finden viele Konservative den Gedanken verlockend, einfach mal zurückzuschlagen. Auch wenn es natürlich wenig glaubwürdig ist, dieselben Methoden gegen politische Gegner anzuwenden, die man bisher als autoritäre Auswüchse der Demokratischen Partei gegeißelt hat. Entweder man hat Prinzipien oder man hat keine.

Doch DeSantis ist geschickt. Als Beispiel für ein solches Zurückdrängen der woken Ideologie durch ein Bundesministerium nennt er im Interview mit Fox News das Bildungsministerium, durch das er den Frauensport schützen und biologische Männer im Frauensport verhindern will. Eine solch rationale und harmlose Forderung, dass sie selbst ein Demokraten-Wähler, der sich noch nicht im woken Delirium befindet, unterschreiben könnte. 

Aus freiheitlicher Sicht taugt DeSantis dennoch nicht zur Heldenfigur. Der 44-Jährige hat ein bedenkliches Verständnis davon, was der Staat darf und was nicht. Gegen Drogenkartelle, die er „zu ausländischen Terrororganisationen erklären“ werde, wolle er „tödliche Gewalt” anwenden, sobald diese die Grenze überquerten. „Wenn jemand in Ihr Haus einbricht, um etwas Böses zu tun, würden Sie mit Gewalt antworten. Und warum tun wir das nicht an unserer Südgrenze?“

Und als der Geschäftsführer von Disney, Bob Chapek, es wagte, ein Gesetz zu kritisieren, mit dem DeSantis Indoktrination hinsichtlich sexueller Orientierung und Gender-Identität an Schulen verhindern wollte, schlug der Gouverneur des Sunshine State mit der vollen Macht des Staatsapparats zurück. Disney verlor kurzerhand seine Selbstverwaltungsrechte und soll in Zukunft deutlich mehr Steuern zahlen. 

Und zuletzt unterstützte DeSantis ein neues Gesetz, das es chinesischen Staatsbürgern ohne Greencard erschweren soll, in Florida Land zu kaufen. Dies basiere auf seiner Überzeugung, „hart gegen die Volksrepublik China vorzugehen, die die größte geopolitische Bedrohung für die Vereinigten Staaten“ darstelle. Was allerdings chinesische Staatsbürger, die seit Jahren mit Studenten- oder Arbeitsvisum in Florida leben, mit der Kommunistischen Partei zu tun haben, kann DeSantis nicht erklären.

Nie vergessen werden sollte in diesem Zusammenhang auch sein Covid-Shutdown aus dem April 2020. Zugegebenermaßen entwickelte sich DeSantis danach zu einem der lautstärksten Kritiker des Covid-Wahnsinns. Ich halte das auch für glaubwürdig. Dennoch: Es lässt tief blicken, dass DeSantis es noch vor ein paar Jahren für legitim hielt, den Bürgern vorzuschreiben, für welche „unbedingt erforderlichen“ Aktivitäten sie das Haus verlassen dürfen und für welche anderen nicht; dass DeSantis Geschäfte, die er für „nicht unbedingt erforderlich” hielt, einfach per Dekret zusperren ließ. Seine Vorstellungen von Staat und Individuum, freier Marktwirtschaft und Waffenbesitz sind sicherlich die freiheitlichsten im republikanischen Bewerberfeld. Unter den Blinden ist der Einäugige König. Doch ein libertärer Hoffnungsträger ist DeSantis ganz sicher nicht. 


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