27. Juli 2023 13:00

Kleinmachnow Eine Geschichte von Löwen und Wildschweinen

Bleiben Sie zu Hause, halten Sie 1,5 Meter Abstand

von Sascha Koll

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Bildquelle: Helle / Shutterstock Löwin: Die Ähnlichkeit mit einem Wildschwein ist verblüffend …

Wie wild ist das denn bitte? Angeblich soll in Kleinmachnow (bei Berlin) ein Löwe gesichtet worden sein. Weltweit berichteten die Medien über die Raubkatze. Polizei, Jäger, Tierärzte – alle versuchten, das gefährliche Tier aufzuspüren. Hunderte Scharfschützen der Polizei wurden mit Nachtsichtbrille auf die Suche geschickt, mehrere 100.000 Euro soll die Safari gekostet haben – der Preis für Dutzende von Polizisten, Drohnen, Hubschraubern und Infrarotkameras. 

Auslöser waren Zeugenberichte und ein Video, das den angeblichen Löwen zeigen sollte. Schnell wurde herumgefragt „Vermisst hier jemand einen Löwen?“ Normalerweise müsste es doch auffallen, wenn eine Großkatze Reißaus nimmt, doch außer Firas Remmo, dem Sohn des Clan-Oberhaupts Issa Remmo, meldete sich niemand. Dieser schrieb auf Instagram: „Wenn jemand was weiß, bitte erst mir Bescheid geben. Dann führen wir die Löwin in ihr Gehege zurück, bevor irgendein Trottel sie abknallt.“ Vermutungen, dass es sich um Remmos Katze handeln könnte, machten sich breit, da er sich schon einmal mit einem Tiger ablichten ließ und das hochgeladene Foto mit „Mein neues Lieblings-Haustier“ kommentierte. Er gab der Geister-Löwin von Kleinmachnow sogar einen Namen: „Nala“. Auch Polizisten sollen das Tier, laut einer Pressekonferenz am Donnerstagmittag, mit eigenen Augen gesehen haben. 

Politiker hielten sich ebenfalls nicht zurück und gaben sich wilden Spekulationen hin. Zum Beispiel Jan Redmann (Brandenburgs CDU-Chef): „Der Löwe hat ja offenbar ein Wildschwein gefressen und schläft jetzt mutmaßlich in einem Versteck. Das kann dauern. Es ist möglich, dass der Löwe erst am Wochenende wieder auftaucht. Wichtig ist: Augen offen halten, Ruhe bewahren. Die Polizei tut alles, um den Löwen zu finden.“ 

Zwischenzeitlich erklärten uns die Volks-Unterrichter von „Bild“ sogar, was zu tun sei, sollte man von einem Löwen angefallen werden. Die Medien drehten also mal wieder völlig frei. 

Doch dann kam die Entwarnung: Der Löwe hat gar kein Wildschwein gefressen, sondern ist selbst eines. Nach aktuellem Kenntnisstand handelt es sich nach Auswertung von Haar- und Kotproben um einen Pflanzenfresser, vermutlich ein Wildschwein. Ganz Berlin, die Presse und die Politik haben wohl mal wieder ein Phantom gejagt. Oder der Löwe gehörte tatsächlich dem Remmo-Clan, und es braucht nun eine plausible Geschichte, um dem Clan nicht mit Kostenforderungen auf die Füße zu treten. Zugegeben, das ist eine Verschwörungstheorie, doch nach der maßlosen Übertreibung der Medien frage ich mich, wem ich eher glauben sollte: der Polizei, den Medien oder einem Clan-Mitglied? Einen Unterschied macht es eigentlich nicht, außer dass mich Firas Remmo noch nie willentlich oder wissentlich belogen hätte. 

Wieder einmal beherrschten Mutmaßungen, Hörensagen und Angstmache die Medien. Beweise, Fakten, Indizien gab es nicht. Es erinnert alles an die letzten Jahre, in denen so viele Themen in den Medien hochgejazzt wurden, wenn doch eigentlich Gelassenheit und eine nüchterne Betrachtung angesagt gewesen wären. Der Alarmismus ist mittlerweile zum Standard geworden. Mal schauen, wo das enden wird. 

Ich für meinen Teil habe keine Ahnung, ob es sich nun um einen Löwen, ein Wildschwein oder einen Kolibri handelte. Es kann buchstäblich alles gewesen sein, vor allem, da man das Tier nicht mal nach seiner Identität befragt hat. Es könnte auch ein Apache-Kampfhubschrauber oder ein zwölfjähriges BIPoC-Mädchen mit Plüsch-Teddybären im Körper eines alten, weißen Mannes sein. 


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