29. Juli 2023 23:00

Todesstrafe Auf der Klaviatur der Emotionen

Trump will mehr Hinrichtungen

von Thorsten Brückner

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Bildquelle: Dariush M / Shutterstock Präferiertes Strafrechtssystem von Donald Trump: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“

Entgegen allen freiheitlichen Lippenbekenntnissen sehnt sich ein Großteil der konservativen Wähler in den USA nach einem „Law and Order“-Präsidenten. Mit dem Versprechen, Militär und Polizei zu stärken, einhergehend mit der Forderung nach drakonischen Strafen für Gesetzesbrecher, gewinnt man in weiten Teilen des Landes auch heute noch Wahlen und Vorwahlen.

Das weiß auch der frühere US-Präsident Donald Trump, der es wie kein anderer versteht, auf der Klaviatur der Emotionen zu spielen. Es scheint ein wenig, als ob der geschasste Ex-Commander in Chief mit umso lautstarkeren und kontroverseren Forderungen aufhorchen lässt, je mehr er juristisch in Bedrängnis kommt.

„Trump will Todesstrafe für Menschenhändler“, titelten vergangene Woche zahlreiche nationale und internationale Medien. Fairerweise muss man anmerken, dass diese Überschrift Trumps Forderung nicht sehr akkurat widerspiegelt. Explizit will Trump die Todesstrafe für Menschenhändler, die entführte Kinder über die US-Grenze bringen. Zuvor hatte Trump den Film „Sound of Freedom“ in seinem Golfklub in Bedminster, New Jersey vorgeführt. Der Spielfilm über Menschenhandel und Kindesmissbrauch sorgt derzeit für Schlagzeilen und macht vor allem im konservativen Amerika Eindruck.

Emotional ist der Wunsch nach der Todesstrafe für Menschenhändler, die Kinder aus ihren Elternhäusern entführen und zu Sex- und Sklavenarbeit zwingen natürlich ebenso nachvollziehbar wie die Forderung nach Kapitalstrafen für Kindesvergewaltiger. Doch bei näherer Betrachtung ist die Ausweitung der Todesstrafe auf Taten ohne Tötungsdelikt ähnlich problematisch wie die Todesstrafe an sich. 

Als der verurteilte Kinderschänder Patrick Kennedy 2008 vor dem Obersten Gerichtshof gegen das Todesurteil klagte, das der Bundesstaat Louisiana gegen ihn verhängt hatte, schlug dem Vergewaltiger seiner Stieftochter zu Recht die Verachtung des ganzen Landes entgegen. Doch fünf der neun Richter am Obersten Gerichtshof ließen sich bei der Urteilsfindung nicht von Emotionen leiten. 

Anthony Kennedy, der bei der damaligen Richterbesetzung oft das Zünglein an der Waage zwischen der liberalen und der konservativen Seite spielte, schrieb damals in seiner Urteilsbegründung: „Der Achte Verfassungszusatz untersagt Louisiana, die Todesstrafe für die Vergewaltigung eines Kindes zu verhängen, wenn das Verbrechen nicht zum Tod des Opfers führt und dies auch nicht beabsichtigt ist.“

Neben dem berechtigten Einwand, es gebe dann keine Motivation mehr für den Täter, nach der Tat zumindest das Leben seines Opfers zu schonen, argumentierte Kennedy auch grundsätzlicher. „Wenn das Gesetz mit dem Tode bestraft, riskiert es sein eigenes plötzliches Abgleiten in die Brutalität und verstößt damit gegen die verfassungsmäßige Verpflichtung zu Anstand und Zurückhaltung.“ In eine ähnliche Richtung äußerte sich übrigens auch Ron Paul. In seinem Buch „Liberty defined“ schreibt der frühere Abgeordnete des Repräsentantenhauses und Präsidentschaftskandidat: „Die Todesstrafe macht etwas mit einer Gesellschaft, die sie unterstützt. Je zivilisierter eine Gesellschaft ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sich von einer sorglosen Anwendung der Todesstrafe wegbewegt hat. Je autoritärer eine Regierung ist, desto größer ist die Zahl der Hinrichtungen.“ Dabei hatte Paul früher selbst die Todesstrafe befürwortet.

Problematisch war das Kennedy-Urteil damals vor allem aus föderalistischer Sicht. Um seine eigene Zuständigkeit in dem Fall zu rechtfertigen, bediente sich das Gericht einmal mehr des 14. Verfassungszusatzes. Schwach auch, dass Kennedy und der linksliberale Flügel des Gerichts es versäumten, die Todesstrafe für alle Delikte außer Mord für unvereinbar mit der Verfassung zu erklären. Mehr noch, das Gericht stellte klar, dass etwa ein opferloses Verbrechen wie Hochverrat auch weiter mit dem Tod bestraft werden darf. Das lässt tief blicken: Ein Verbrechen gegen den Staat wiegt für das Gericht offenbar schwerer als die Vergewaltigung eines Kindes. 

Anders verhält es sich nun mit Trumps Forderung. Da die Tat per Definition unter die Zuständigkeit des Bundes fällt, müssten die entsprechenden Hinrichtungen auch von der Bundesregierung vollstreckt werden. Seit 1963 wurden nur 16 Häftlinge in Bundesgefängnissen exekutiert. Zehn Präsidenten regierten das Land seitdem, aber nur unter zweien wurden verurteilte Straftäter hingerichtet. Drei unter George W. Bush und 13 unter Donald Trump. Ron Pauls Worte klingen hier nach: „Je autoritärer eine Regierung ist, desto größer ist die Zahl der Hinrichtungen.“

Ganz davon abgesehen, wird es wohl ähnlich kompliziert sein, mit rechtsstaatlichen Mitteln an die eigentlichen Hintermänner des Menschenhandels zu gelangen. Ich stelle mir das ähnlich schwer vor wie bei den großen Mafia-Prozessen, wo es bis zum „Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act“ (Rico) fast unmöglich war, den im Hintergrund und mit großer Vorsicht operierenden Bossen konkrete Verbrechen anzuhängen. Und wer sich etwas mit Rico beschäftigt, weiß, dass dieses Gesetz allen rechtsstaatlichen Grundsätzen Hohn spricht. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass wenn der Staat seine Standards bei der Mafiabekämpfung auf sich selbst anwenden würde, fast die gesamte politische Elite hinter Schloss und Riegel sitzen würde.

Doch Trump möchte die Giftspritze nicht nur in den beschriebenen Fällen von Menschenhandel. Auch Drogendealer verdienen laut Trump die Todesstrafe. Die von ihm im Rahmen seiner Justizreform begnadigte Drogendealerin Alice Johnson müsste er, seiner eigenen Logik folgend, nun eigentlich wieder verhaften und dann auch gleich noch hinrichten lassen. Ob Trump sich dieser Widersprüche bewusst ist?

Die Forderung nach der Todesstrafe setzt Trump, der 2024 gerne seinen alten Posten zurückhaben möchte, mittlerweile ziemlich inflationär ein. Dem Staatsanwalt, der Joe Bidens Sohn Hunter einen zwischenzeitlich von einer Richterin gekippten „Plea Deal” angeboten hatte, der dem Präsidentensohn Gefängnis erspart hätte, warf Trump vor, einen „Strafzettel“ ausgestellt zu haben statt ein „Todesurteil“. Eine starke Rhetorik, wenn man bedenkt, dass es um ein Steuervergehen geht und um den Kauf einer Handfeuerwaffe, die Biden als Drogenkonsument damals nicht legal hätte erwerben dürfen. Beides opferlose Verbrechen, die eigentlich nie vor Gericht gehört hätten.  

Die Todesstrafe mit einer libertären Philosophie in Einklang zu bringen, ist schwierig. Murray Rothbard versuchte dies mit einem interessanten Ansatz: Die Familie eines Mordopfers sollte ihm zufolge entscheiden, ob sie die Todesstrafe für den Mörder ihres Angehörigen möchte oder nicht. Doch das Grundproblem bleibt: Mordfälle werden von bis ins Mark korrupten Polizisten und Staatsanwälten untersucht, die meist nicht ergebnisoffen ermitteln und vor allem den schnellen vermeintlichen Ermittlungserfolg suchen. Den meisten Angeklagten fehlt zudem das Geld, sich adäquat vor Gericht zu verteidigen. Und anders als bei Gefängnisstrafen kann man ein Todesurteil eben nicht korrigieren, wenn Jahre später die Unschuld des Verurteilten ans Licht kommt.

Ich finde es zweifelhaft und wenig konsistent in der Argumentation, einerseits den Staat zu verteufeln, ihn als Räuber und Mörder zu zeichnen und gleichzeitig darauf zu bestehen, dass eben dieser Staat die alleinige Autorität besitzen soll, Menschen legal zu ermorden. Es ist eine eigenartige selektive Staatsgläubigkeit, die bei Amerikas Konservativen da teilweise mitschwingt. Derselbe Staat, der politische Gegner verfolgt, den Menschen das Geld zum Leben stiehlt und die Entwaffnung der Bürger vorantreibt, ist offenbar für viele moralisch integer genug, über Leben und Tod zu entscheiden.


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