21. August 2023 23:00

Evolutionspsychologie Die „Gegenkultur-Bewegung“ der 1960er Jahre (Teil 3)

…und wie sie auf Basis der r/K-Selektionstheorie verstanden werden kann

von Philipp A. Mende (Pausiert)

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Bildquelle: James K. F. Dung / Wikimedia Commons / Public Domain Aktivität im Vietnamkrieg: Erforderte viele K-Strategen

Die vergangene Kolumne endete damit, dass es aus evolutionspsychologischer Sicht (unter anderem!) eine brillante darwinistische (r-) Strategie darstelle, wenn man durch unbewusste Wahrnehmungen und Triebe dazu gedrängt würde, eine Gruppe fremder „Wettbewerbsbefürworter“ als Stellvertreter einzusetzen, um einheimische (K-) Konkurrenten zu unterwerfen oder zu eliminieren. Zudem würde die Schaffung sowie das Ergreifen von „Berufen“ und Pöstchen, in denen die Menschen nicht frei (oder gefordert) sind, miteinander zu konkurrieren, die Ausweitung eines r-strategischen, repressiven sowie wettbewerbsfeindlichen, gesellschaftlichen Umfeldes erleichtern.

Begeben wir uns nun zurück nach Amerika, und zwar in die Zeit der „Gegenkultur-Bewegung“ der 1960er Jahre, als sich der US-amerikanische Staat unter anderem im Krieg mit dem Vietcong befunden und im Zuge dessen die besagte Bewegung während der zunehmenden Abwesenheit von US-amerikanischen K-Strategen immer weiter an Fahrt aufgenommen hatte. Es handelt sich gewiss nur um ein Gedankenexperiment, aber nach allem, was wir mittlerweile gelernt haben, spricht vieles für das folgende Szenario: Wäre Amerika insofern besiegt worden, dass es von NVA/Vietcong-Truppen besetzt worden wäre, wären die amerikanischen r-„Revolutionäre“ der „Gegenkultur“ erstaunlich gut positioniert gewesen, um sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren einheimischen Mitbewerbern zu verschaffen, also einer Gruppe, gegen die sie eine offene Feindseligkeit hegten. Während sich einheimische (K-) Wettbewerbsbefürworter mit der Unterdrückung durch fremde Besatzer zähneknirschend arrangieren hätten müssen, hätten die einheimischen (r-) Wettbewerbsgegner von der Gunst ebendieser, neuer Besatzer profitiert und diese genossen.

Es ist dieses Aufeinandertreffen darwinistischer Strategien, das Professor Dr. Jost als Kampf zwischen „Loyalität und Rebellion“ bezeichnete. „Gegenbewegung“ als Zweck, dem die erhöhte Toleranz der Linken gegenüber den Interessen bisweilen sogar völlig anderer (und feindseliger) Gruppen mit Sicherheit dient. Indem sie in Kriegszeiten gegen die K-selektierte Mehrheit der eigenen Bevölkerung rebellier(t)en, erhöh(t)en die r-Allele ihre eigenen Chancen auf Reproduktionserfolg im Vergleich zu den K-Typ-Allelen. Wahrscheinlich hätte aber so gut wie kein Mitglied der „Gegenkultur“ zu träumen gewagt, dass seine angeborenen Wahrnehmungen und Verhaltensweisen eine derartige Chance von Wettbewerbsvorteilen ermöglichen würden. Und in der Tat erwies sich dieser wettbewerbsfeindliche Drang in einer neu entstandenen Welt der globalisierten Kriegsführung als schlecht an die veränderten Umstände angepasst. In unserer fernen evolutionären Vergangenheit, in der Kriege in unmittelbarer geografischer Nähe geführt wurden, wären solche Individuen jedoch sicherlich gut beraten gewesen, unter entsprechenden Bedingungen eine solche darwinistische Strategie zu verfolgen. Diese Hypothese steht in vollem Einklang mit Josts Arbeit über die Persönlichkeitsmerkmale politischer Ideologien (siehe frühere Kolumnen).

Mir ist jedenfalls bis dato keine plausiblere Theorie untergekommen, welche zufriedenstellend erklären würde, warum eine Bewegung, die – angeführt von den Kindern der Veteranen des Zweiten Weltkriegs – so sehr gegen die traditionelle amerikanische Kultur gerichtet war, dass man sie gar als „Gegenkultur“ bezeichnete, plötzlich innerhalb einer Nation ausbrach, die politische Debatte innerhalb ihrer Generation für kurze Zeit dominierte und dann wieder (vorübergehend) in der Versenkung verschwand.

Diese Theorie ist auch die einzige Theorie, die einen Mechanismus erklärt, der alle Aspekte der politischen und sozialen Plattformen der „Gegenkultur“ schlüssig vorhersagen würde – eine Erklärung, die über „staatliche Gehirnwäsche“, Manipulation und Indoktrinierung in der Kindheit, Infantilisierung et cetera hinausgeht. Die genannten Punkte haben alle ihre Berechtigung, allerdings dreht man sich meines Erachtens erklärungstechnisch im Kreis, wenn man beispielsweise unsere fatalen politischen Zustände ausschließlich darauf zurückführt. Woher kommt denn die von Erwachsenen in Kinder gepumpte Gehirnwäsche? Von ihren Eltern? Und jene? Und so weiter. Logischerweise muss es einen Ursprung geben, der nicht nur ein Symptom, sondern eine logische Ursache darstellt.

Der Erklärungsansatz, wonach wir es mit dem Resultat eines natürlichen Selektionsprozesses sowie mit natürlich gewachsenen Fortpflanzungsstrategien zu tun haben, ist eine solche logische Ursache, die sich zudem mit einer stetig wachsenden, wissenschaftlichen Basis stützen lässt. „Staatliche Gehirnwäsche“, „Indoktrinierung“ et cetera sind nicht einfach „da“, sondern sie haben einen langen, evolutionär gewachsenen Weg hinter (und leider wohl auch noch vor) sich, welcher mittels evolutionspsychologischer Analysen mehr und mehr entschlüsselt werden kann. Die Theorie sagt voraus, warum sich r-Strategen beziehungsweise in unserem konkreten Fall die Vertreter der „Gegenkultur-Bewegung“ mit „der Sache“ von „Außengruppen“ gemein machen beziehungsweise Sympathie für deren Sache empfinden, sobald es zu Gruppenkonflikten kommt; sie sagt ihre Vorliebe für weniger wettbewerbsorientierte Wirtschaftsmodelle und die Annahme einer Paarungsstrategie voraus, die sexuelle Früherziehung und Promiskuität in Verbindung mit Alleinerziehung und eine Abneigung gegen Monogamie und Kindererziehung durch zwei Elternteile beinhaltet. Wer die Augen diesbezüglich aufmacht, sieht die empirischen Muster quasi im Minutentakt auf uns einprasseln. Beispiel gefällig? Just in diesem Moment, da ich diese Kolumne schreibe, erhalte ich beispielsweise die Nachricht, dass die von einem Kommunisten geführte W„H“O in einem „Ratgeber“ namens „Standards für die Sexualaufklärung in Europa“ bereits Neugeborene (!) als „sexuelle Wesen“ bezeichne, welche man so früh wie möglich über Masturbation und „lustvolle Erfahrungen“ „aufklären“ solle. Selbstverständlich war die deutsche Bundesregierung beim Zusammenschustern dieses „Ratgebers“ mit von der Partie und empfiehlt die Inhalte als Rahmenkonzept für sämtliche „Bildungseinrichtungen“ Deutschlands. 

Zudem handelt es sich nach meinem Kenntnisstand auch um die einzige Theorie, die erklärt, wie jeder wettbewerbsfeindliche Verhaltensaspekt ihren Vertretern unter ähnlichen Bedingungen in unserer evolutionären Vergangenheit einen Überlebensvorteil verschafft hätte. Die Theorie zeigt ferner, wo ähnliche Psychologien bei anderen Arten zu finden sind, und weist nach, dass sie unter ähnlichen Umweltbedingungen entstanden sind.

Zu guter Letzt spielte wahrscheinlich auch der Einfluss des Gruppendrucks bei der Entwicklung der „Gegenkultur-Bewegung“ eine erhebliche Rolle. Dies macht es schwierig, jeden Fall einzeln zu analysieren. Dennoch ist es bemerkenswert, dass sich die Psychologie einer ganzen Generation so stark verändert hat, dass es zu diesem dramatischen, aber vorübergehenden Wandel in der Kultur und der politischen Ideologie kam. Die Tatsache, dass dieser vorübergehende Wandel in der Psychologie so eng mit einem so bedeutsamen Ereignis wie dem vorübergehenden Einsatz amerikanischer Militärmacht während des Zweiten Weltkriegs zusammenfiel und dass er sich mit der Rückkehr von amerikanischen Militärangehörigen nach Kriegsende als umkehrbar erwies, stützt die These, dass es sich bei politischen Ideologien in erster Linie um darwinistische Strategien handelt, einmal mehr.

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