Schützenhilfe durch: Michael Lüders: Sagen, was ist
Die rote Pille des letzten, perfekten Erklärers der Weltlage
von David Andres
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Früher saß er noch regelmäßig in den Talkshows, als geschätzter und gefragter Experte für geostrategische Einschätzungen, für den nahen und den fernen Osten, für Russland und sämtliche seiner ehemaligen Gebiete, für die Frage nach Krieg und Frieden, nach verschiedenen Perspektiven, nach Interessenlagen.
Heute gilt all das als Bah-Bah, als Sünde des Denkens, als indirekte Förderung des Gegners, mit dem „wir einen Krieg führen“, ohne das jemals offiziell zu erklären. Es fällt lediglich einem körperlich erwachsenen Mädchen aus dem Mund, das Außenministerin spielt und selbst von Richard David Precht für eine Katastrophe gehalten wird. Heute darf niemand mehr in den großen Gesprächsrunden über Interessenlagen der Staaten auf dieser Welt in nüchterner Weise sprechen oder reine Fakten analyisieren. Auf tatsächliche Kräfteverhältnisse zeigen und die Konsequenzen daraus ziehen. Fragen stellen, wie etwa der Krieg in der Ukraine weitergehen soll, wenn dieses Land mindestens „das Fünf- bis Zehnfache“ an Personal und Panzern benötigt, um allein die verlorenen Gebiete zurückzuerobern, geschweige denn den Invasor aus seinem gesamten Staatsgebiet zu vertreiben.
Niemand darf sagen, dass dieser Krieg rein materiell und strategisch nicht zu gewinnen ist, die tausend Kilometer Ostfront nicht zu verteidigen sind. Es ist, als wäre es einem Sportreporter verboten, ein Fußballspiel zwischen dem FC Bayern München und einer gnadenlos unterlegenen Mannschaft so zu kommentieren, wie es eben ist. Kürzlich haben die Bayern ihr erstes Testspiel der Saison beim Neuntligisten Rottach-Egern am Tegernsee absolviert und 27:0 gewonnen. Wäre dies Politik gewesen, ein Kommentator hätte darauf bestehen müssen, dass Rottach-Egern, moralisch im Recht, noch eine Chance hätte, wenn nur der Westen ihnen weitere Spieler liefert, weitere Stollen und Stutzen und mehr Voltaren gegen die Schmerzen am Schienbein.
Michael Lüders ist dieser Kommentator, der noch sagt, was ist, leider kaum noch im Fernsehen, sondern auf seinem eigenen Kanal im Netz und in seinen Büchern, die er mit großer Sorgfalt alle paar Jahre vorlegt. Sein neuestes mit dem Titel „Moral über alles. Warum sich Werte und nationale Interessen selten vertragen“ empfehle ich jetzt schon als Weihnachtsgeschenk für jeden halbwegs skeptischen Menschen der bürgerlichen Gesellschaft. Seine Videos sollten Sie verbreiten, wo immer es geht, denn die Faktenkenntnis, die Detailtiefe und die Argumentationsweise gegen den Wahnsinn, den unsere Politik derzeit betreibt, sind dermaßen stichhaltig und gut gebaut, dass gegen die Gründung einer Michael-Lüders-Partei Deutschland lediglich die Abkürzung spräche, die schon ein paar Steinzeitsozialisten innehaben: MLPD.
Scherz beiseite – schauen Sie diese Videos, lesen Sie diese Bücher und Sie erhalten selber tonnenweise Schützenhilfe dafür, gegen diesen absurden Stellvertreterkrieg in der Ukraine zu argumentieren, von dessen Fortführung sogar der amerikanische (!) Thinktank „RAND Corporation“ dringend abgeraten hat – was andeutet, dass es selbst in den Vereinigten Staaten nur ganz bestimmte Kreise sind, die hier weiter Rottach-Egern gegen die Bayern zermürben lassen wollen. Verzeihen Sie mir die zu harmlose Sportmetapher für das Schlachten auf beiden Seiten, aber sie drückt die Verhältnisse eben bestens aus.
Mag der präzise Denker Lüders, der immer wieder mit Vernunft und Augenmaß die Moral von der Analyse trennt – die für uns alle überlebenswichtig ist, wollen wir nicht zu „Schlafwandlern“ werden, die in den dritten Weltkrieg stolpern –, auch nicht mehr in den Talkshows sitzen, so war es doch erfreulich, ihn kürzlich bei „titel thesen temperamente“ in der ARD zu sehen, als O-Ton-Geber in einem kleinen Beitrag über die Geschichte der Moral. Dort durfte er sagen:
„Wir neigen in Deutschland dazu, uns an unserer eigenen Rhetorik zu berauschen. Wir sind die Guten, wir retten die Welt, wir retten das Klima, wir retten die Ukraine, wir sind an der Seite der USA, für die Freiheit von Taiwan. Kann man alles machen, nur jetzt ist die Wirtschaft ins Rutschen gekommen, die Deindustrialisierung hat an Fahrt aufgenommen und die Prognosen für die deutsche Wirtschaft in den nächsten Jahren sehen nicht gut aus.“
Die Tatsache der „Deindustrialisierung“ ist üblicherweise als Behauptung allein schon mit Schwurbelnimbus versehen und so verpönt wie in der Endzeit der DDR zu behaupten, dass Ochs und Esel den Siegeszug des Sozialismus doch aufhalten können. Lüders spricht es aus. Im Ersten. Sein aktuelles Buch erschien zudem nicht bei Westend oder Rubikon, nicht bei Kopp oder irgendeinem anderen Verlag, den Menschen der Mitte scheuen wie der Teufel das Weihwasser, sondern bei Goldmann. Ein weiterer Vorteil, wenn man es als rote Pille verschenkt. Das Cover ist, er wird es sich nicht bewusst so gedacht haben, da ihm bei dem Gehalt seiner Arbeit die Zeit fehlt, dystopische Science-Fiction-Filme zu schauen, tatsächlich knallrot.
Quellen:
Die Erfindung von Gut und Böse (ttt)
Michael Lüders: Moral über alles? (Goldmann)
Michael Lüders: Konfrontation mit Russland und China um jeden Preis? (YouTube)
Michael Lüders: China im Visier? (YouTube)
Michael Lüders (Webseite)
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