13. Oktober 2023 12:00

Parteipolitik Die oft totgesagte deutsche FDP

Kurzprotokoll einer Visite

von Carlos A. Gebauer

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Bildquelle: Penofoto / Shutterstock All seiner Machtintelligenz (und Selbstverliebtheit) zum Trotz: Auch Christian Lindner wird seine Partei wohl kein zweites Mal retten können

Immer wieder werde ich gefragt, ob es nicht Zeit wäre für eine Wiederbelebung des „Liberalen Aufbruchs“ in der FDP. Vor gut 14 Jahren – im September 2009 – hatten einige Köpfe aus der Partei diese Initiative gegründet, um der schon damals marktwirtschaftlich in den Untiefen der Europäischen Union strauchelnden FDP noch einmal auf das liberale Pferd zu helfen. Kurz zuvor war, auch mit den Stimmen der FDP im Bundestag, der rechtsstaatlich zweifelhafte „Vertrag von Lissabon“ gutgeheißen worden. Weiterblickende Menschen in der Partei sagten bereits damals sehr konkret und kenntnisreich voraus, dass der Euro uns allen demnächst eine deutliche Inflation bescheren werde. Doch die überwiegende Meinung in Öffentlichkeit und Parteistrukturen lautete: Wer die Kaufkraftstabilität des Euro in Zweifel ziehe, der kenne sich eben in diesen Fragen nicht aus.

Innerhalb der FDP setzte sich damals – auch nach einem knapp gescheiterten Mitgliederentscheid im Jahre 2011 gegen selbstzerstörerische Binnenhilfen in der EU – eine eher sozialliberale Generallinie durch: Liberalismus bedeute nicht, Individuen ihre Freiheiten zu garantieren, sondern Liberalismus bedeute, dass der Staat die Aufgabe habe, allen Menschen durch Umverteilung Freiheit zu verschaffen. Der Parteispitze fehlte die Kraft, diesen strukturellen Interventionssehnsüchten innerhalb des Parteiapparates etwas entgegenzusetzen. Die FDP glitt weltanschaulich ab. 2013 wurde sie dann aus dem Bundestag herausgewählt.

Es war das geradezu historische Verdienst Christian Lindners, die Partei 2017 noch einmal in den Bundestag zurückgeholt zu haben. Mit einer gleichsam heroischen Marketingkampagne katapultierte er die wieder einmal totgesagte FDP zurück in das Parlament. Wer die Totenglocke der Jahre 1981/82 noch in den Ohren hatte, sah sich bestärkt in dem Glauben an die „Unabsteigbarkeit“ dieser urbundesrepublikanischen Partei. Im Wonnegefühl der eigenen Kraft sprach Lindner dann nach der 2017er-Wahl sogar noch die legendären Worte: „Besser nicht regieren als schlecht regieren“ und stieg mit selbstlos erhobenem Haupt ohne eigenes Amt vom Verhandlungsbalkon der Parlamentarischen Gesellschaft.

Doch die Kraft zur selbstbewussten Eigenständigkeit ist der FDP und ihrer Führung seither augenscheinlich abhandengekommen. In der Ampelkoalition des Jahres 2021 haben sich die individuellen Lebenswege der Protagonisten von der wieder erreichbar erscheinenden liberalen Hauptstraße entfernt. Zu unerbittlich scheint auch hier das Mises’sche Theorem vom methodologischen Individualismus zu sein: Lieber irgendwann einmal selbst mitregiert, als nie in der Regierung gesessen zu haben?

Der Generaltenor auf der klassisch liberalen Seite der Partei lässt sich nach allem heute knapp dahingehend zusammenfassen: Solange die FDP der „Ampel“ nicht das Licht ausschaltet, werden wir einen weiteren Niedergang unserer Partei beobachten müssen. Auf dieser Abwärtskurve gibt es einen Punkt, von dem an einer kritischen Masse heute noch grünwilliger Mandatsträger das bevorstehende Ende ihrer politischen Karriere bewusst werden wird. Analog zur „Krankheitseinsicht“ im Medizinischen greift an diesem Punkt die „Wirklichkeitseinsicht“ im Politischen: Der Hustende legt die Zigarette beiseite, der Trinker schließt die Flasche und der liberale Parlamentarier erkennt, dass er ohne Wähler kein Politiker sein kann.

Wenn die einst liberale FDP den Mittelständlern und Freiberuflern nun mitsamt ihren Koalitionären das Rückgrat bricht, dann kann sie nicht erwarten, aus deren Kreisen weiter mit Wahlstimmen und Mandaten versorgt zu werden. Denn Wähler, die glauben, dass die Erde klimatisch verbrennt, kleben am grünen Original des Ökologismus. Alte Linksliberale retten lieber die Überreste der verbliebenen sozialdemokratischen Parteiillusion. Und die unpolitischen Wechselwähler begreifen langsam, dass ihnen (auch) die FDP neben dem bezahlbaren Strom gerade die Heizung, das Auto, den Arzt, die Rente, das Konto, den Urlaub, die Fleischwurst und die Privatsphäre nehmen will.

Wenn der Kettenraucher seinen ersten ernsthaften Erstickungsanfall erlebt hat, geht er zum Arzt statt zum Kiosk. Wenn die FDP bundesweit weitere Bayernergebnisse einfährt wie am letzten Wochenende, wird sie sich besinnen, was der Unterschied zwischen bürgerlicher Freiheit, sozialistischer Kommandowirtschaft, urkonservativer Realitätsverweigerung, gesinnungsethischer Traumtänzerei und biodynamischen Massenangstpsychosen ist. Im Augenblick dieser Besinnung mag es Zeit sein, dass ein liberaler Aufbruch wieder das Handlungszimmer betritt. Bis dahin ist Abwarten angesagt, sorgfältige Beobachtung der Lage, engmaschige Kontrolle der Werte, sanfte Schmerzmittelgaben bisweilen. Aus Fehlern lernt man. Vielleicht kann man politisch nirgendwo so viel lernen wie in der FDP.


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