14. Oktober 2023 00:00

Geldpolitischer Zirkelschluss Unbewusste Inkompetenz als Gesellschaftsproblem

Der „(Irr-) Glaube“ an die Funktionsweise von Geld- und Wirtschaftspolitik

von Benjamin Mudlack

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Bildquelle: EQRoy / Shutterstock Wissensvermittlung an Unis und Schulen: Befördert unbewusste Inkompetenz – und damit Überheblichkeit und Selbstüberschätzung

In den letzten beiden Beiträgen ging es um die Krise in der Baubranche, den Einfluss von politischen Interventionen und von Geld- und Zinspolitik. Die Baubranche ist unbestritten die Branche, die sehr hart von dem allgemeinen wirtschaftlichen Abschwung und den verfügten Zinsanhebungen betroffen ist. In dem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, womit die allgemeine Akzeptanz für wirtschaftliche/politische Interventionen und Geldpolitik zu begründen ist.

Mein Dank gilt mit Blick auf den heutigen Beitrag meinem sehr geschätzten Mit-Kolumnisten bei den Freiheitsfunken, Andreas Tiedtke. In einem sehr erkenntnisreichen Telefonat war er es, der mir den Impuls zur unbewussten Inkompetenz gab.

Unbewusste Inkompetenz

Ich widme mich dieser Frage, indem ich versuche, mich in die Menschen hineinzuversetzen, die noch an politische Interventionen und Geldpolitik glauben. Das fällt mir an der Stelle überhaupt nicht schwer, denn auch ich habe einmal an die Funktionsweise dieser vermeintlichen Steuerungselemente geglaubt. Die Tatsache, dass selbige der Komplexität der dynamischen Problemstellungen und Entwicklungen des menschlichen Handelns überhaupt nicht gerecht werden können, habe ich erst schrittweise nach einer Krisensituation erkannt.

Meine Ausbildung als Bankkaufmann und auch die Inhalte meines Studiums zum Diplom-Wirtschaftsinformatiker haben meinem damaligen Glauben an die Funktionsweise aktiv Vorschub geleistet. Natürlich hinterfragt man als junger Mensch die Hintergründe nicht und man sieht die Widersprüche nicht. Zu groß ist vermutlich auch der Respekt vor den Lehrkräften in der Schule oder den Professoren an der Hochschule. Die Inhalte werden durch den Frontalunterricht vermittelt und später in Wiederkäuermanier im Rahmen einer Klausur oder Prüfung abgefragt. Für die erfolgreiche Wissensabfrage gibt es dann ein Zertifikat und nach dem Sammeln aller Zertifikate erhält man dann den Abschluss beziehungsweise den akademischen Grad. Mit Erreichen dieser Ziele hält sich der Absolvent dann in seinem Bereich für kompetent.

Bezogen auf meinen Lebensweg, muss ich rückblickend recht demütig einräumen, dass ich unbewusst ziemlich inkompetent war. Ich war beseelt von den vermeintlichen Steuerungsmechanismen der Politik und Notenbanken. Erst der äußere Anlass der Finanzkrise nach 2007 setzte (m)einen Denkprozess in Gang.

Die eigene Urteilskraft als Schlüssel

Wenn doch die Steuerungsmechanismen vorgeblich so vollkommen sind, wie konnte dann die Krise 2007 entstehen? Warum gab die mir vermittelte Theorie keine Antworten auf meine Fragestellungen? Ich begab mich auf die Suche nach einer neuen theoretisch-intellektuellen Heimat. Glücklicherweise sollte ich nicht lange heimatlos bleiben. Durch Roland Baader und einige andere prominente Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie stellte ich fest, dass fast jeder Austrian diese Krise kommen sah.

Es war für mich plötzlich logisch, dass das übermäßige und zu billige Geld eine Spekulationsblase im Immobilienmarkt entstehen ließ. Die Blase platzte durch das Anheben der Zinsen. Die sogenannte Rettungspolitik der Regierungen und Notenbanken war schnell als antimarktwirtschaftlich zu entlarven. In einer Marktwirtschaft haben diejenigen den Schaden zu tragen, die eine Fehlspekulation zu verantworten und entsprechend „skin in the game“ haben. Es war komplett unlogisch, dass die vorherigen Gewinne bei den Banken beziehungsweise Investoren verblieben und die Verluste nun herausgekauft wurden. Ebenso schien die Willkür allzu offensichtlich. Einige Institute (Commerzbank, AIG und andere) wurden staatlicherseits beziehungsweise durch die Zentralbanken alimentiert, und andere Häuser (zum Beispiel Lehman Brothers, Westdeutsche Landesbank) ließ man in die Insolvenz gehen.

Unter dem Strich begegneten Politik und Notenbanken sowohl der Finanzkrise als auch der direkt im Anschluss aufkommenden Euro-Krise mit noch mehr und noch billigerem Geld. Man trat den Krisen mit den identischen Mitteln, aus denen sie entstanden waren, entgegen und ließ so die Blasenbildung in nahezu sämtlichen Märkten entstehen. Die Welt sah die niedrigsten Zinsen (festgesetzt beziehungsweise heruntermanipuliert von den Zentralbanken) und die größte Verschuldungsorgie der Menschheitsgeschichte.

Mittels eigenen Verstandes konnte man diese Vorgänge als nicht marktwirtschaftlich, als willkürlich und als einen Akt, der Sonderinteressengruppen (Finanzoligarchie) dienlich ist, identifizieren.

Von der kindlichen hin zu einer hoffentlich erwachsenen Denkweise

Leider haben Finanz- und Euro-Krise nicht ausgereicht, um eine signifikante Anzahl von Menschen zu einem Umdenken zu veranlassen. Psychologisch gesehen ist das auch durchaus nachvollziehbar. Es ist unbequem, die Komfortzone zu verlassen und sich intellektuell in unbekanntes Terrain zu bewegen. Persönlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Menschen in der Tendenz lieber in den alten Denkstrukturen verharren. Mit dem eigenen Denken und der eigenen Urteilskraft Verantwortung zu übernehmen, ist anstrengend und unbequem.

In den Diskussionen offenbaren sich teilweise recht kindliche Reaktionen – in etwa so, als würde man den Menschen etwas wegnehmen. In der Tat scheint das auch so zu sein. Indem man argumentativ die Dinge auf den Tisch legt, nimmt man den Menschen die Illusion, dass es allwissende wirtschaftspolitische Lenker, Regierungschefs und Zentralbankräte gäbe, die mit ihrer Erfahrung oder ihren mathematischen Modellen alles in geordnete Bahnen lenken. Ganz offensichtlich ist dieser Glaube für viele Menschen extrem wichtig. Er gibt ihnen Halt, und wenn man an diesem Glauben rüttelt und den Halt ins Rutschen bringt, dann folgen daraus oftmals infantile Verhaltensmuster.

Die Realität kann noch so klar gegen die politischen Aktionen sprechen: Die Menschen wollen diese Widersprüche nicht erkennen.

Teuerung und Rezession gleichzeitig bekämpfen? Der geldplanwirtschaftliche Zirkelschluss

Gerade in Bezug auf die Geldpolitik wird aktuell ein gravierender Zirkelschluss offenbar. Es wird derzeit versucht, die durch das zügellose Gelddrucken (Inflation durch das Aufblähen der Geldmenge durch Kreditvergabe) herbeigeführte Teuerung (Kaufkraftverlust) im Rahmen drastischer Zinsanhebung zu bekämpfen. In ungefähr einem Jahr wurde der Leitzins in der Euro-Zone von null Prozent auf 4,5 Prozent angehoben. Die Zinsschritte begannen im Sommer 2022. In dieser Zeit wurde schon deutlich, dass sich die Wirtschaft merklich abschwächt und in eine rezessive Phase abzurutschen droht.

Steigende Zinsen führen zu einer Verteuerung der Kapitalkosten. Würden die Zinsen auf Basis eines Marktprozesses langsam über einige Jahre ansteigen, so könnten sich die Wirtschaftsakteure besser und sukzessive anpassen. Doch stattdessen geschah zuletzt das Gegenteil, als die Zentralplaner der Europäischen Zentralbank im Eiltempo die Kreditkosten explodieren ließen.

Wenn die Kapitalkosten steigen, sinkt die allgemeine Nachfrage. Die Wirtschaft kühlt sich ab. Je schneller und je drastischer die Zinsschritte erfolgen, desto drastischer sind die Auswirkungen. Die Zentralbank hat durch den Zinssprung ohne jeden Zweifel die wirtschaftliche Schwächephase deutlich beschleunigt.

Via Schulbuch, also so wie man mir das in den diversen staatlichen Bildungseinrichtungen erklärt hat, müsste die Zentralbank die Wirtschaft ankurbeln. Sie müsste also die Zinsen senken, damit die günstigeren Kreditkosten die Nachfrage ankurbeln und die Wirtschaft so wieder Dynamik entfalten kann. Jedoch sind die Teuerungsraten immer noch recht hoch und so wird der Aktionsradius auf dieses Element beschränkt.

Es lässt sich ein klassischer Zirkelschluss feststellen. Anders gesagt: Die geldpolitische oder -planwirtschaftliche Katze beißt sich buchstäblich in den Schwanz. Die EZB kann nicht zeitgleich eine restriktivere Geldpolitik zur Bekämpfung der Teuerung und eine lockere Geldpolitik zur Stimulierung der Wirtschaft umsetzen.

Schlussbemerkung

Der geldplanwirtschaftliche Zirkelschluss sollte augenöffnend wirken. Jeder Mensch beziehungsweise jede Institution kann nie zwei Ziele gleichzeitig verfolgen.

Unter dem Strich gaukelt man den Menschen einen Glauben an die Existenz einer Funktionsweise von Geld- und auch Wirtschaftspolitik vor. Außer Acht gelassen wird die Entkomplexisierung komplexer gesellschaftlicher Dynamiken und Prozesse. Die wirtschaftliche Entwicklung zielgerichtet zu steuern, ist schlichtweg nicht möglich. Es ist unumgänglich, dass Kollateralschäden ausgelöst werden. Außerdem werden durch die Markteingriffe einige wenige Menschen zulasten vieler anderer begünstigt.

Die Folgen der lockeren Geldpolitik nach 2007 haben gewaltige Umverteilungseffekte in Gang gesetzt. Die Vermögensgüterpreise stiegen deutlich schneller als die durchschnittlichen Nettolöhne. Mittlerweile sind ähnliche Dynamiken auch bei den Konsumgütern zu beobachten. Die Menschen werden schleichend zugunsten derer, die sich nah an der Geldproduktion befinden, enteignet – mittlerweile sogar nicht mehr nur schleichend, sondern dynamisch.

Diese verheerende Politik wird durch unbewusste Inkompetenz ermöglicht. Die Inkompetenz scheint an der Stelle ein gesellschaftliches Problem zu sein. Denn auch die Lehrer und Professoren scheinen an die Funktionsweise von Wirtschafts- und Geldpolitik zu glauben.

Wo sind die großen Lehrmeister, die dieses Land der großen Denker einst so auszeichneten? Die Lehrmeister, die ihre Schüler nicht bewusst oder unbewusst zu indoktrinieren versuchten, sondern ihnen in erster Linie die Befähigung zur eigenen Urteilskraft mit auf den Weg gaben.

Leider bestehen auch monetäre Abhängigkeitsverhältnisse. Diese hemmen einen Prozess der Aufklärung und haben die Gesellschaft durch Cancel Culture und Co in voraufklärerische Zeiten zurückbefördert.

Mit logisch deduktivem Denken lässt sich erfassen, dass Geldpolitik, Wirtschaftspolitik und Interventionismus im Allgemeinen der Kategorie des faulen Zaubers zuzuordnen sind. Die aktuellen Ereignisse zeugen klar davon, dass die Politik- und die geldpolitische Hybris neben dem Wohlstand auch den Frieden gefährden.

Wenn die Menschen sich ihrer unbewussten Inkompetenz bewusst werden, wird sie zur bewussten Inkompetenz. Der vernunftbegabte und intellektuell anspruchsvolle Mensch beginnt an sich zu arbeiten, woraufhin die bewusste Inkompetenz schrittweise der Erkenntnis und Kompetenz weicht.

Selbstverständlich ist die unbewusste Inkompetenz nicht auf meine Themen der Ökonomie und der Geldtheorie zu begrenzen. Unbewusste Inkompetenz und Gutgläubigkeit scheinen allgegenwärtig zu sein.

Ego und unbewusste Programmierung durch unzulängliche Erziehung und Bildung stehen jedem einzelnen Menschen und der gesellschaftlichen Fortentwicklung im Weg. Ich hoffe sehr, dass dieser Text dazu beitragen kann, die unbewusste Inkompetenz zumindest ein paar Menschen bewusst zu machen.

Unter dem Strich, und das habe ich hoffentlich aus meinem eigenen Lebensweg gelernt, sollte man an die vielfältigen Fragestellungen mit einem hohen Maß an Demut herangehen. Unsere Informationslage ist immer unvollkommen. Unmöglich können wir die Komplexität der Probleme und die unterschiedlichen Interessen einzelner Gruppen und Menschen stets erfassen. Der politisch-mediale Komplex verleitet uns zu vorschnellen und aus der Emotion entstandenen Werturteilen. Es ergibt aus meiner Sicht Sinn, die tagesaktuellen Fragestellungen möglichst neutral aufzunehmen und sich bewusst zu machen, dass die eigene Inkompetenz und die mangelhafte Informationslage stets eine enorme Hürde sind.

Mehr Demut, Zurückhaltung und auch das Hineinversetzen in Menschen mit anderer Meinung täten uns als Gesellschaft und Menschheitsfamilie gut.

Offen gestanden sind diese Zeilen entstanden, weil ich gerade merke, welch enormes menschliches Leid die Gewalteskalationsspirale im Nahen Osten anrichtet. Keiner kann erfassen, was da genau vor sich geht und ging. Aber die toten Babys auf den Titelseiten haben mich an Bergamo erinnert. Und Offizielle aus Israel melden, dass es keine Beweise dafür gibt. Ich persönlich kann all das nicht verifizieren, also halte ich mich zurück. Was ich aber ablehne, ist, dass Israel nun in einer Stunde 300 Raketen abfeuert und damit ziemlich sicher nicht nur Soldaten und Terroristen erwischt.

Nicht mein Thema … aber verklausuliert würde ich gerne zu Demut und Zurückhaltung aufrufen. Wir sind nicht vor Ort und wir wissen zu wenig. Und nicht jeder Araber oder Palästinenser ist ein Terrorkämpfer der Hamas. Exakt dieses Bild wird aber gerade gezeichnet. Was meinen Sie?

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