16. Oktober 2023 23:00

r/K-Selektionstheorie Wichtig sind die Ursprünge des Sozialverhaltens – nicht nur die Auswirkungen

Über nur vermeintliche Widersprüche (Teil 1)

von Philipp A. Mende (Pausiert)

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Bildquelle: Shutterstock Trotz Hang zum Wettbewerb Teil einer r-Strategie: Feminismus

Nachdem ich in meiner Kolumne „Ein ignorierter Elefant im Raum“ vor drei Wochen am Beispiel der USA darlegte, warum es aus evolutionspsychologischer Sicht nicht nur logisch ist beziehungsweise historisch der Realität entspricht, dass r-strategische Kräfte immer dann stärker in den Vordergrund drängen, nachdem K-Strategen das Sagen haben und umgekehrt – Widerstand also den natürlichen politischen Ist-Zustand darstellt –, war ich neugierig, wie das aktuelle Stimmungsbarometer in Sachen konservativer und linker Einstellungen aussieht. Stellen Sie sich nur die „Überraschung“ und im Zuge dessen den gewaltigen „Schock“ vor, als gleich die ersten Google-Ergebnisse verkündeten: „Data says Americans are becoming more conservative“. Auf deutsch: „Daten zeigen, dass die Amerikaner konservativer werden“.

In dem besagten Artikel des „Guardian“ zerbrach sich sodann eine Journalisten-Darstellerin einmal mehr ihr Köpfchen darüber, wie sowas nur möglich sein könne und konstatiert ziemlich früh und ­– wie wir das von Linken gewohnt sind – völlig neutral und sachlich: „Ausschlaggebend für diesen Wandel scheint vor allem die Ära Biden zu sein. Das letzte Mal, dass wir einen ähnlichen Höchststand an selbsternanntem Sozialkonservatismus erlebt haben, war 2009, dem Jahr, in dem Barack Obama sein Amt antrat. Einen Tiefpunkt erreichte der Sozialkonservatismus 2021, als Biden sein Amt antrat, nachdem ein schrecklicher und tödlicher Pro-Trump-Aufstand dem Land und insbesondere der Republikanischen Partei nationale Schande gebracht hatte.“

Ja, richtig gehört. Das amerikanische Pendant zum hiesigen Rollator-„Putschversuch“ war so „schrecklich“ und „schändlich“, nicht etwa die ihm vorausgehende, größte Wahlfälschung in der Geschichte der Vereinigten Staaten et cetera. Aber darum soll es nicht gehen.

Wie zu erwarten, bestand der gesamte sich anschließende Erklärungsansatz aus der obligatorischen Symptombeschreibung, basierend auf der jeweils aktuellen Polit-Administration. (Ich erspare Ihnen die Details – bei Interesse finden Sie den Artikel unten verlinkt). Oder anders formuliert: Das, was nach meinem Empfinden so gut wie alle politischen Kommentatoren, Analysten, „Youtuber“ und dergleichen tun, besteht darin, (nur) die Auswirkungen innerhalb des r/K-Kontinuums zu beschreiben. Dabei will ich nicht abstreiten, dass manche dies auf brillante Weise tun – im Übrigen auch hier bei den Freiheitsfunken. Mir selbst ist es ebenfalls immer wieder ein Bedürfnis, dies zu tun. Dennoch zielen meine bescheidenen Bemühungen auch darauf ab, darüber hinaus eine Theorie zum ursprünglichen Antrieb beider Strategien vorzustellen.

Die Evolution passt sich immer an und viele Aspekte dieser Theorie können nur im Hinblick auf das „uralte“, ursprüngliche Umfeld interpretiert werden, in dem sie entstand, in dem es so gut wie keine Regierung gab und sowohl Technologie als auch intellektuelle Bemühungen nicht vorhanden waren. Daher kann es verwirrend sein, die Theorie im Lichte des heutigen modernen Umfelds zu betrachten. Erforderlich ist eine sehr detaillierte Analyse, wie sich die zugrunde liegenden Motive und kognitiven Eigenschaften in der ursprünglichen, natürlichen Umgebung ausgewirkt hätten, und nicht eine Analyse der Auswirkungen der Motive, wie etwa der Geburtenrate. In der Tat befinden wir uns nach wie vor in der Entwicklung, und viele unserer Triebe, so könnte man argumentieren, haben sich nicht an unsere heutige Realität angepasst – vielleicht, weil es nicht möglich ist.

Greifen wir hierfür den oben beschriebenen Punkt exemplarisch heraus, indem wir die Formulierung zwar minimal ändern, aber immer noch richtig liegen: Konservative vermehren sich heute stärker als Linke. Dies scheint der Theorie erst einmal zu widersprechen, welche besagt, dass sich „r“ in der Natur stärker als „K“ fortpflanzt. In primitiven Zeiten, vor dem Aufkommen der Geburtenkontrolle, hätte jedoch die Promiskuität und die Unterstützung der Alleinerziehung der Linken ihre Zahl schneller erhöht. Heute ermöglicht die moderne Geburtenkontrolle eine nahezu unbegrenzte sexuelle Aktivität ohne das Risiko einer Schwangerschaft. In der Natur führt die r-Strategie zu einer investitionsarmen oder -ärmeren Elternschaft. Das bedeutet, dass Väter wenig oder gar nicht geneigt sind, ihre Nachkommen aufzuziehen. Mütter zeigen eine begrenzte Neigung, indem sie ihre Nachkommen (nur) bis zu einem Mindestmaß an Fitness aufziehen, bevor sie sie „hinauswerfen“, um Platz für die nächste Brut zu machen. Dieser verminderte Drang, in die Elternschaft zu investieren beziehungsweise Aufwand bei der Elternschaft zu betreiben, würde sich wahrscheinlich auf die Entscheidung auswirken, Kinder zu bekommen. Wenn man nicht dazu angetrieben wird, Kinder aufzuziehen, dann ist man auch weniger bereit, die damit verbundenen körperlichen und finanziellen Entbehrungen auf sich zu nehmen.

Im Gegensatz dazu beinhaltet die K-Strategie eine investitionsintensive Erziehung durch zwei Elternteile. Bei der K-Strategie werden beide Elternteile versuchen, ihren Nachwuchs über einen längeren Zeitraum gemeinsam aufzuziehen, bis das Kind volljährig ist. Dies spricht wahrscheinlich für einen erhöhten Drang zur Aufzucht von Nachkommen, was sich in einem erhöhten Drang zur Zeugung von Nachkommen niederschlagen würde. In der heutigen modernen Welt, in der die Fortpflanzung kein Nebenprodukt nahezu unkontrollierbarer psychologischer Kräfte ist, sondern vielmehr eine völlig bewusste, willentliche Entscheidung, wird dieser subtile Unterschied in den Verhaltenstrieben eine große Rolle spielen. Hinzu kommen möglicherweise Aspekte der Psychologie des r-Typs, die in Populationen mit hoher r-Typ-Dichte vorhanden sind und die dazu führen, dass die Weibchen die Fortpflanzung auf unbestimmte Zeit hinauszögern, während sie nach einem geeigneten Partner suchen, mit dem sie auskommen können, nur um dann keinen zu finden.

Vielleicht mögen wiederum andere auch darauf hinweisen, dass der linke Feminismus ein weibliches Verhaltensmuster unterstützt, das sehr wettbewerbsorientiert ist, in Form der karrieristischen Frau, die danach strebt, Männer zu übertrumpfen. Interessanterweise stützt dies die Theorie. In Populationen des r-Typs weisen Frauen mehr männliche Merkmale auf, wie zum Beispiel erhöhte Größe, Aggression und Wettbewerbsfähigkeit. In diesem Milieu sind das alles wirksame Aspekt einer r-Strategie, da r-Weibchen sowohl für ihren Nachwuchs sorgen als auch Bedrohungen abwehren müssen, die wiederum dadurch entstehen, dass r-Typ-Männchen die Weibchen öfter und früher verlassen. Daher weisen r-Weibchen mehr männliche Qualitäten des Typs K auf, um die Rolle des fehlenden Männchens in Sachen Versorgung, Schutz und Aufzucht des Nachwuchses besser kompensieren zu können.

Es ist interessant und im Zusammenhang mit der r/K-Selektionstheorie bezeichnend, dass der postmoderne Feminismus, der so oft mit der Linken in Verbindung gebracht wird, eine verunglimpfende Sicht der Belohnungen, die eine (seriöse) Aufzucht von Nachkommen bietet, aufweist; zudem beinhaltet er eine Begrüßung der „sexuellen Befreiung“ für Frauen (das heißt Promiskuität), eine Verunglimpfung von Männern, die wiederum kurzfristige Paarungsbeziehungen erleichtert, sowie einen verstärkten Drang zum aggressiven Wettbewerb mit Männern in traditionell männlichen Domänen. Nach den Lehren unserer Theorie sind dies alles Eigenschaften, die stark mit einer r-Strategie verbunden sind.

Fortsetzung folgt.

Ein ignorierter Elefant im Raum (Freiheitsfunken)

Data says Americans are becoming more conservative. What’s going on? (The Guardian)

Widerstand. Warum zwischen linker und rechter Politik eine Schlacht der Gene wütet.


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