11. November 2023 22:00

Streit ums Tempolimit Rasen hat nichts mit Freiheit zu tun

Privatisierung als Antwort auf eine jahrzehntelange Debatte

von Thorsten Brückner

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Bildquelle: Umomos / Shutterstock Tempolimit auf Autobahnen: Da scheiden sich in Deutschland die Geister

Die Debatte über ein Tempolimit gehört zu den politischen Dauerbrennern der vergangenen Jahrzehnte. Das Thema ist Befürwortern und Gegnern so wichtig, dass es sich kaum ein deutscher Politiker leisten kann, keine Position dazu zu haben. Nun hat auch Sahra Wagenknecht in der Frage Farbe bekannt. 130 Stundenkilometer als Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen fände sie gut, verriet Wagenknecht bei Maischberger. Und das, obwohl ihre neue Partei noch nicht einmal gegründet ist. Die Deutschen sind in der Frage gespalten, allerdings verfügen die Tempolimitbefürworter mittlerweile in so ziemlich allen Umfragen doch über eine klare Mehrheit. 

Verkehrssicherheit ist dabei auf der Seite der zumeist linken Befürworter schon lange kein Thema mehr. Im Namen des Klimaschutzes sollen die Autofahrer heute eingebremst werden. Auf der Seite der Gegner hört sich der Widerstand gegen ein Tempolimit meist so an, wie es VW-Chef Oliver Blume zuletzt formulierte: „Es ist ein Stück individuelle Freiheit.“

Ich finde es faszinierend, was ein Großteil der Deutschen offenbar unter individueller Freiheit versteht. Teilweise dieselben Leute, die, ohne mit der Wimper zu zucken, einer Entwaffnung der Bürger, Schulpflicht und Impfzwang das Wort reden, sehen ihre Freiheit eingeschränkt, wenn sie nicht mehr mit 250 Stundenkilometern auf der linken Spur heizen dürfen? Gibt es jenen rasenden Freiheitskämpfern nicht zu denken, dass im wesentlich freiheitsaffineren Amerika das Thema Tempolimit ungleich weniger kontrovers und emotional aufgeladen diskutiert wird?

Ein staatlich festgesetztes Tempolimit lehne ich ab. Denn um Verkehrssicherheit geht es Politikern nicht. Ein allgemeines Tempolimit im jetzigen Kontext wäre nichts anderes als eine gesetzliche Grundlage, um in Zukunft noch mehr Autofahrer zu schikanieren und auszurauben. 

Das Problem geht allerdings tiefer als ein staatliches Tempolimit. Warum müssen Autobahnen überhaupt in Staatshand sein? Und warum sollte der Staat das Recht haben, privaten Betreibergesellschaften dann zu diktieren, wie schnell auf ihren Straßen gefahren werden darf? Ich wäre Befürworter eines Tempolimits, das von privaten Autobahngesellschaften erlassen wird. Vielleicht würde ein solches Unternehmen dann auch seine zahlenden Kunden nach ihrer Meinung fragen: Soll auf unseren Autobahnen ein Tempolimit gelten und, wenn ja, wie hoch sollte dieses sein?

Ich würde mich in diesem Fall für ein Tempolimit von 160 Stundenkilometern aussprechen. Wäre das nicht ein schöner Kompromiss? Wem das zu langsam ist, der darf sich von mir aus gerne ein Ticket für den Nürburgring kaufen und dort auf der Nordschleife mal seinen Porsche so richtig ausfahren. Ich bin ein großer Motorsportfan. Aber ich finde auch, dass Extremgeschwindigkeiten von über 200 Stundenkilometern nicht auf eine öffentliche Straße gehören. Weder hat ein Straßenauto dieselben Sicherheitsstandards wie ein Formel-1-Auto, noch verfügt eine Autobahn über dieselben Sicherheitsvorkehrungen, wie sie auf Rennstrecken üblich sind. Und auf den Strecken sind je nach Rennserie 20 bis 30 Autos zum selben Zeitpunkt unterwegs, nicht Hunderte, noch dazu völlig Unbeteiligte, wie auf öffentlichen Autobahnen. Die typisch deutsche Selbstüberschätzung, sie zeigt sich leider oft auch auf den Autobahnen. Die wenigsten, die ihr Auto auf solche Geschwindigkeiten beschleunigen, verfügen meiner Meinung nach über das dafür notwendige fahrerische Können und die entsprechende Erfahrung. 

Mir ist schon klar, dass die meisten Unfälle auf Land- und Bundesstraßen und nicht auf Autobahnen passieren. Wie könnte es rein statistisch auch anders sein? Man vergleiche nur die schiere Kilometerlänge von Land- und Bundesstraßen mit der von Bundesautobahnen. Aber geht es nicht neben des dennoch unbestreitbaren Sicherheitsaspekts auch darum, dem ganz normalen Autofahrer ein besseres Gefühl zu geben, der mit 130 auf der mittleren Spur fährt, rechts von ihm eine Kolonne LKWs, links von ihm ein Raser nach dem anderen und hinter ihm ein Drängler mit dem Finger an der Lichthupe? 

Ich denke, dass eine Privatisierung von Autobahnen mitsamt Jurisdiktion bezüglich Geschwindigkeitsübertretungen die Interessen genau dieser Kategorie Autofahrer stärker berücksichtigen würde als die jener Minderheit von Rasern, die dank der deutschen Autolobby hierzulande über eine disproportional laute Stimme verfügen. Ich fühle mich je nach Strecke und Verkehrssituation bisweilen unwohl dabei, auf deutschen Autobahnen zu fahren. und habe die Fahrt auf Autobahnen im Ausland oft als deutlich entspannter und angenehmer empfunden. Aber das ist nur mein ganz persönlicher Eindruck.

Für die nahe Zukunft wird ein solches Modell freilich Utopie bleiben. Bis dahin würde ich den beiden Lagern einen Waffenstillstand vorschlagen. Anstatt die Frage über staatliche Verbote zu regeln, könnten doch alle Tempolimitbefürworter bereits jetzt mit gutem Beispiel vorangehen und sich an die Richtgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern halten. Und die Gegner, die gerne mal aufs Gaspedal drücken, könnten sich vielleicht häufiger mal zumindest auf die nichtideologischen Begründungen für ein Tempolimit einlassen, das Thema nicht zum Freiheitskampf überhöhen und in der Zwischenzeit vielleicht etwas mehr Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer nehmen. Vielleicht kann ja allein schon das den ein oder anderen Tempolimitbefürworter umstimmen. 


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