05. Januar 2024 12:00

Weltliteratur Hayeks Warnung vor der Knechtschaft

80 Jahre nach „The Road to Serfdom“ (Teil 1)

von Carlos A. Gebauer

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Bildquelle: Thomas (CC BY 2.0 Deed) / Flickr „The Road to Serfdom“ von Friedrich August von Hayek: Zeigt die Gefahren des Sozialismus auf

Friedrich A. von Hayek veröffentlichte im März 1944 sein legendäres Buch „The Road to Serfdom“. Ein Jahr später erschien das Buch in deutscher Sprache. Dort wird der Titel mit „Der Weg zur Knechtschaft“ übersetzt. Sprachlich ergibt sich hierdurch eine gewisse Entschärfung. Denn das englische „serfdom“ bezeichnet eher die volle Leibeigenschaft, die dem Betroffenen noch weniger Handlungsmöglichkeiten belässt, als es eine Knechtschaft ohnehin schon tut.

Das Sujet des Werkes ist heute so aktuell wie seinerzeit: Staatliche Zwangsverwaltungswirtschaft einerseits und individuelle Menschenwürde andererseits schließen einander aus. Ein Mensch kann nur entweder frei und persönlich handelndes Subjekt sein oder fremdbestimmtes, behandeltes Objekt in einem aus anderen Mächten konstruierten Ganzen. Die Konsequenzen des individuellen Autonomieverlustes in einem insgesamt geplanten und rücksichtslos vollzogenen Kollektiv werden von Hayek minutiös in Ursache und Wirkung beschrieben. In einem Vorwort zur Neuauflage des Werkes im Jahre 1971 hielt Hayek selbst fest: „In seiner ursprünglichen englischen Fassung ist das Buch 1944 erschienen. Es war in erster Linie an jene Kreise der sozialistischen Intelligenz Englands gerichtet, die im Nationalsozialismus eine ‚kapitalistische‘ Reaktion gegen die sozialen Tendenzen der Weimarer Republik sahen, und sollte ihnen verständlich machen, dass es sich im Gegenteil um eine Fortentwicklung des Sozialismus handelte. Zu der Zeit, als ich dieses Buch schrieb, wurde die grundsätzliche Ähnlichkeit des Nationalsozialismus, des Faschismus und des Kommunismus noch keineswegs allgemein gesehen. Meine Absicht war es, zu zeigen, dass es nicht die besonderen Ziele waren, denen die verschiedenen totalitären Systeme zu dienen vorgaben, die ihre Brutalität hervorriefen, sondern dass diese eine notwendige Folge jedes Versuches sein müssen, eine ganze Gesellschaft völlig den von den Herrschern bestimmten Zielen dienstbar zu machen. Inwieweit die Argumentation des Buches auch für jene neueren Formen des Sozialismus gilt, die das Ziel sozialer Gerechtigkeit durch eine Vielzahl von Eingriffen in eine grundsätzlich zu erhaltende Marktwirtschaft zu erreichen suchen, hängt davon ab, ob diese Versuche nicht doch, wie ich glaube, früher oder später zu einer Zentralverwaltungswirtschaft führen oder nicht. Nach einer liberalen Periode, die Deutschland einen Aufstieg seines Wohlstands ermöglicht hat, den kaum jemand vorauszusagen gewagt hätte, sind nun unter der Jugend die alten Ideen des Sozialismus wiederauferstanden. Ein Teil der Jugend glaubt wieder, der Freiheit zu dienen, indem er eine Wirtschaftsordnung befürwortet, die tatsächlich die Freiheit des Einzelnen auf das engste beschränken würde. Sie wissen nicht mehr aus eigener Erfahrung, was eine Regierungsform bedeutet, in der die Herrschenden unbeschränkte Macht über alle Mittel ausüben.“

Die Brillanz der schnell erfolgreichen, weil vielfach rezipierten Analyse Hayeks motivierte in England unter anderem auch George Orwell, die verheerenden und freiheitsvernichtenden Auswirkungen wirtschaftspolitscher Totalitarismen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vier Jahre nach Hayek veröffentlichte er seinen bis heute weithin bekannten Roman „1984“. In einer Rezension des Buches „The Road to Serfdom“, die „The Observer“ am 9. April 1944 veröffentlichte, schrieb er: „Professor Hayeks These ist in aller Kürze, dass Sozialismus unvermeidlich zu Despotismus führt und dass die deutschen Nazis in die Lage kamen, Erfolg zu haben, weil die Sozialisten zuvor schon die meiste Arbeit für sie getan hatten, besonders die geistige Arbeit, das Verlangen nach Handlungsfreiheit zu schwächen. Indem der Sozialismus das ganze Leben unter staatliche Kontrolle bringt, überträgt er die Macht zwangsläufig auf einen kleinen Kreis von Bürokraten, die in praktisch jedem Falle Menschen sein werden, die Macht um ihrer selbst willen anstreben und alles daransetzen, sie zu erhalten. Britannien, sagt er, beschreitet nun den gleichen Weg wie Deutschland, mit linker Intelligenzia und einer ihr folgenden Tory Partei. Die einzige Rettung liege in der Rückbesinnung auf eine ungeplante Wirtschaft, freien Wettbewerb und eine Betonung eher von Freiheiten als von Sicherheit.“

Für eine heutige Lektüre des Buches hat man sich zu vergegenwärtigen: Das zentrale Problem der Darstellung – die Unvermeidlichkeit der zwangsweisen Unterdrückung des Einzelnen in einer als perfektionierte Gesamtmaschine verstandenen staatlichen Wirtschaft – wurde dem Ökonomen und Juristen Hayek bereits Mitte der 1930er Jahre immer deutlicher. 1937 blickte die Welt auf eine 20-jährige Empirie des sowjetischen Kommunismus seit der Oktoberrevolution zurück. Gleichzeitig staunte die politische Weltöffentlichkeit zu diesem Zeitpunkt, dass es den Nationalsozialisten in Deutschland gelungen zu sein schien, mit rücksichtsloser staatlicher Wirtschaftspolitik die fatale Massenarbeitslosigkeit aus den frühen 1930er Jahren zu überwinden. Dass dieser deutsche Scheinerfolg tatsächlich auf Marktmanipulationen und gänzlicher Verachtung privaten Eigentumes beruhte, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht für jedermann offensichtlich. Dem analytischen Blick Hayeks hingegen offenbarte sich bereits die fatale Parallele zwischen der kommunistischen und der nationalsozialistischen Zentralverwaltungswirtschaft. Beide richteten sich gegen persönliche Freiheit und autonome ökonomische Entscheidungen. Anders als der Sowjetkommunismus enteignete der Nationalsozialismus seine Bürger zwar nicht vollends von ihren Produktionsmitteln, sondern er machte ihnen lediglich strenge Vorgaben, mit welchen Einsatzmitteln nun von ihnen welche genauen Ziele zu verfolgen waren. Wer also nicht infolge „völkischer“ Motivation ohnehin von seinem Eigentum getrennt und aus dem Land gejagt wurde, der schien noch Eigentümer zu bleiben, konnte daraus aber keine Rechte oder eigene, freie Handlungsmöglichkeiten herleiten.

Zum Ende der 1930er Jahre war Hayek zunächst noch nicht abschließend klar, wie sich der öffentliche Diskurs zur deutschen Wirtschaftspolitik entwickeln würde. Nachdem sich indes hartnäckig das – teilweise bis in die Gegenwart kolportierte – allgemeine Gerücht verdichtete, im nationalsozialistischen Deutschland herrschte ein kapitalistisches Wirtschaftssystem, sah Hayek die Notwendigkeit, „The Road to Serfdom“ im Detail auszuformulieren.

In der Einleitung zur Erstausgabe des Jahres 1944 stellte Hayek daher fest: „Nur wenige wollen zugeben, dass der Aufstieg von Faschismus und Nationalsozialismus nicht als Reaktion gegen die sozialistischen Tendenzen der voraufgegangenen Periode, sondern als die zwangsläufige Folge jener Bestrebungen begriffen werden muss.“

Der Österreicher Hayek formulierte weiter: „Wir werden nie die richtige Einstellung zu den Deutschen gewinnen, solange wir nicht die Eigenart und die Entwicklung der Ideen begriffen haben, von denen sie jetzt beherrscht werden.“ Und er fragte: „Kann man sich eine größere Tragödie vorstellen, als die, dass wir in dem Bestreben, unsere Zukunft bewusst nach hohen Idealen zu gestalten, in Wirklichkeit und ahnungslos das genaue Gegenteil dessen erreicht haben sollten, wofür wir gekämpft haben.“

An diese Einleitung schließt sich die Darstellung des Weges zur Knechtschaft in fünfzehn Kapiteln an.

(wird fortgesetzt)


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