23. Februar 2024 11:00

Weltliteratur Planwirtschaft und Totalitarismus

80 Jahre nach „The Road to Serfdom“ (Teil 8)

von Carlos A. Gebauer

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Bildquelle: Richter / Wikimedia Alles nach Plan: Schlangestehen gehörte in der DDR zum Alltag

Nachdem Hayek das Verhältnis der Planwirtschaft zu Demokratie und Rechtsstaat analysiert hat, widmet er sich im siebten Kapitel des Buches dem Verhältnis zwischen Planwirtschaft und Totalitarismus: „Die meisten Planwirtschaftler, die sich ernsthaft mit der praktischen Seite ihrer Aufgabe beschäftigt haben, geben sich keiner Illusion darüber hin, dass eine Planwirtschaft mehr oder weniger nach den Prinzipien der Diktatur betrieben werden muss.“

Warum ist das so? In modernen Massengesellschaften lebt kein Mensch mehr für sich alleine, sondern er ist praktisch für alles, was er zu seinem Leben benötigt, auf die Hilfe anderer angewiesen. Wird der Warenstrom zwischen Produzenten und Konsumenten aber nicht mehr von einzelnen frei agierenden Menschen koordiniert, sondern von einer zentral gelenkten Wirtschaftsplanungsbehörde, dann muss diese sowohl über den Einsatz aller Mittel als auch über die Festlegung aller Ziele bestimmen: „Wer die gesamte Wirtschaftstätigkeit lenkt, verfügt über alle Mittel zur Erfüllung aller Wünsche und muss daher entscheiden, welche befriedigt werden und welche nicht.“ Das führt zu der Definition: „Wirtschaftliches Kommando ist die Herrschaft über die Mittel für all unsere Ziele.“

Da allerdings auch Behörden selbst nur aus Menschen bestehen, die ihre eigenen Ansichten zur Grundlage ihres planenden Tuns machen, werden die privaten Präferenzen der Hersteller und Konsumenten nun durch die der Beamten ersetzt: „Nicht unsere Ansicht über unsere Neigungen und Anstrengungen wäre [in einem solchen System] maßgebend für das, was wir erhalten würden, sondern die Privatansicht eines anderen.“ Und: „Die mit der Überwachung der Produktion und der Preise verbundene Macht ist fast unbegrenzt.“

Aus der Sicht des Jahres 2024 lesen sich manche von Hayek verwendete Konjunktive geradezu beklemmend. Wo er noch formulierte, dass die Neigungen der Konsumenten in einer Planwirtschaft nicht mehr maßgebend „wären“, da ist dieser Zustand heute, 80 Jahre später, in weiten Teilen bereits erreicht. Die Ansichten der staatlichen Planungsbehörden über Verbrennungsmotoren, Kernkraftwerke, Gasheizungen oder Fleischkonsum verdrängen aktuell mit Macht die freien Wahlentscheidungen der Bürger. Und auch im Bereich des Geldes schickt sich die Realität an, die Warnungen Hayeks zu überholen: „Wir werden die Tragweite dieser Funktion des Geldes [als eines der großartigsten Freiheitswerkzeuge, das der Mensch je erfunden hat] besser verstehen, wenn wir uns überlegen, was die weitgehende Ersetzung des ‚Gewinnmotivs‘ durch ‚nichtökonomische Anreize‘ in Wahrheit bedeuten würde. Wenn alle Belohnungen statt in Geld in Form von öffentlichen Auszeichnungen ausgeteilt würden, so hieße dies nichts anderes, als dass der Empfänger nicht mehr wählen darf.“ Hayek nimmt mit dieser Beschreibung die Dystopie vorweg, die droht, wenn Bezahlungen nicht mit Geld, sondern mit digitalen Sozialbelohnungspunkten erfolgen.

Doch noch weit schlimmer als die Eingriffe der Planwirtschaft auf die Konsumentenseite wirken sich die Bevormundungen auf der Produktionsseite aus: „Die meisten Planwirtschaftler versprechen uns zwar, dass die Freiheit der Berufswahl in der neuen kollektivistischen Gesellschaft gewissenhaft beibehalten oder sogar noch ausgedehnt werden wird. Aber in dieser Hinsicht versprechen sie mehr, als sie beim besten Willen halten können. Wollen sie Planwirtschaft betreiben, so müssen sie entweder den Zustrom zu den verschiedenen Erwerbszweigen und Berufen überwachen oder die Lohnbedingungen oder beides.“ Auch diese Effekte sind aus heutiger Sicht mit feingliedrigen Berufszugangsbeschränkungen und Preisregulierungen längst verwirklicht. Und damit niemand aus der Reihe tanzt, was den Gesellschaftsapparat stören könnte, muss alles streng vereinheitlicht werden: „Wir alle müssen uns dem Standard anpassen, den die Planwirtschaftsbehörde zur Vereinfachung ihrer Aufgabe festlegen muss.“

In Ansehung gesellschaftlicher Verhältnisse, die sich zunehmend – planwirtschaftlicher Notwendigkeit folgend – totalisieren, stellt sich natürlich die Frage, warum Menschen diesen Organisationsbestrebungen für ihr Gemeinwesen überhaupt folgen. Ursache der Bereitschaft, sich diesen Bestrebungen zu unterwerfen sei, beschreibt Hayek, der Wunschtraum eines möglichen Güterüberflusses: „Der Leser kann sich darauf verlassen, dass jeder, der vom möglichen Güterüberfluss spricht, entweder unehrlich ist oder nicht weiß, was er redet!“

Denn Güterüberfluss wird es nicht geben, auch wenn es menschlich noch so verständlich sei, diesen glücksverheißenden Zustand zu erträumen: „Die Begeisterung für die ‚Kollektivbefriedigung unserer Bedürfnisse‘, durch die unsere Sozialisten dem Totalitarismus den Weg geebnet haben, muss zum Teil als ein Mittel der politischen Erziehung verstanden werden. Aber wir haben es hier wiederum mit einem notwendigen Ergebnis der Planwirtschaft zu tun, deren Wesen darin besteht, dass sie uns die Freiheit der Wahl nimmt, um uns das zuzuteilen, was gerade am besten in den Plan hineinpasst.“

Gut fünf Jahre, nachdem Hayek diese Zeilen publiziert hatte, wurde in Ost-Berlin von überzeugten Sozialisten die Deutsche Demokratische Republik gegründet. Deren Bewohner sollten lernen, welche prophetische Kraft die rechtliche und ökonomische Analyse Hayeks hatte. Hinter Mauer und Stacheldraht entstand – für gewöhnliche Bürger unentrinnbar – eine totalitäre Wirtschaftsstruktur, die Produktion und Konsum staatsplanerisch vorgab. Privatwirtschaftliches Handeln wurde verunmöglicht, die Währung war gegen westliche Devisen nicht konvertibel und Schlangen bildeten sich vor solchen Läden, die umständehalber gerade den einen oder den anderen Gegenstand breiten Interesses anbieten konnten. Die praktisch umgesetzte Planphantasie war – wie in der theoretischen Beschreibung als erwartbar vorausgesagt – zur real existierenden Diktatur erstarrt.

(wird fortgesetzt)


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