05. März 2024 17:00

Ukraine-Krieg Hat Scholz die roten Linien wiedergefunden?

Die Implikationen des aktuellen Kommunikationsdesasters – falls es eines ist

von Christian Paulwitz

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Bildquelle: Shutterstock Erstaunlich: Gibt es plötzlich etwa doch wieder rote Linien in der deutschen Politik?

Gewiss werde ich kein Freund der Ampelregierung mit ihrem Kanzler Scholz, aber wenn man schon einmal etwas Positives findet, kann man auch darüber reden. In den letzten Tagen überschlugen sich geradezu die gesetzten Nachrichten zur Beteiligung von Nato-Staaten im Ukraine-Krieg. Als Erstes kam da die Äußerung des französischen Präsidenten Macron, man dürfe nichts von vornherein ausschließen, auch nicht den Einsatz von Nato-Soldaten in der Ukraine. Natürlich war das kein launiger Satz, der im Plauderton mal so hingeworfen und dann rein zufällig von den Medien aufgegriffen wurde. Nicht klar war jedoch, warum er diese Äußerung fallengelassen hat.

Das Dementi, insbesondere von deutscher Seite, war erwartbar: Keine deutschen Soldaten würden in der Ukraine eingesetzt werden. Auch nicht in der Zukunft. Waffenlieferungen: Ja, aber eine personelle Beteiligung sei ausgeschlossen, Deutschland werde neutral bleiben.

Dann kam Scholz mit einer Äußerung, die man erst einmal als diplomatischen Tritt ins Fettnäpfchen sehen musste. So berichtete am vergangenen Donnerstag beispielsweise das „Handelsblatt“ über den Vorwurf des Geheimnisverrats gegen den Bundeskanzler: Politiker in Großbritannien würden Olaf Scholz Verrat von geheimen Informationen über den Einsatz alliierter Militärangehöriger in der Ukraine vorwerfen. Wörtlich heißt es: „Scholz hatte sich im Zusammenhang mit der anhaltenden Debatte über die Lieferung von ‚Taurus‘-Marschflugkörpern so geäußert: ‚Was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden.‘ Damit spielte er darauf an, dass ein Einsatz von Bundeswehrsoldaten ein Mandat des Bundestags erforderlich machen dürfte. Die deutschen Abgeordneten würden dann in aller Öffentlichkeit darüber abstimmen, Personal zu entsenden, jeder Versuch der Geheimhaltung wäre dahin. Briten und Franzosen unterliegen dieser Beschränkung nicht. Sie hatten nie öffentlich bestätigt, dass ihre Soldaten in die Auswahl von militärischen Zielen involviert sind. Das erklärt ihren Ärger über Scholz.“

Wer etwas innehält und sich den Inhalt des leicht verschleiert Gesagten noch einmal durch den Kopf gehen lässt, wird die Information finden, dass die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern, zu der die Regierung von mehreren Seiten gedrängt wird, offenbar sinnhaft auch die Entsendung von Spezialpersonal impliziert, die in der Lage sind, diese auch in ein Ziel zu führen. Mir war das bisher nicht klar – und ich nehme an, der deutschen Öffentlichkeit im Allgemeinen bis dahin auch nicht. Sieh mal an, dachte ich mir zu diesem Zeitpunkt noch, da scheint Scholz doch die rote Linie wiedergefunden zu haben, die er nicht zu überschreiten bereit ist: Keine deutschen Soldaten in die Ukraine, um nicht in eine direkte Kriegsbeteiligung zu geraten. Die Konstellation ist brandgefährlich, da die Marschflugkörper russisches Gebiet erreichen können und Deutschland so in einen aktiven Kriegsakt gegen Russland gezogen werden könnte. Offenbar war der Druck auf ihn so groß geworden, dass er sich nicht anders zu helfen gewusst hat, als hier mit einer gezielten Indiskretion ein paar Karten auf den Tisch zu legen und dadurch der Öffentlichkeit zu verdeutlichen, worum es geht. Vielleicht dachte er auch an seinen letzten sozialdemokratischen Vorgänger im Amt, Gerhard Schröder, der sich 2002 einer Beteiligung am Irakkrieg widersetzte, während CDU-Chefin Merkel zum Mitmachen drängte.Schröder wusste um die Befindlichkeit der deutschen Öffentlichkeit, wenn es um Kampfeinsätze deutscher Soldaten im Ausland geht, und dürfte wohl den entscheidenden Punkt gemacht haben, um kurz darauf die Bundestagswahl noch einmal für sich zu entscheiden. Wenn irgendetwas die SPD von Kanzler Scholz noch einmal vor einer totalen Wahlschleppe retten könnte, dann müsste es so etwas sein – eine Kriegsverweigerungshaltung. Das ergab in mehrerlei Hinsicht absolut Sinn.

Freitagsnachricht: Vier Generäle haben darüber geplaudert, wie man die Krimbrücke sprengen könnte; mit Hilfe der Bundeswehr, aber möglichst ohne direkte Beteiligung. Dafür sei wohl der politische Wille letztendlich nicht da. Sowas aber auch. Schwierig, schwierig. Wenn man als Generalstab dergestalt plaudert, bevorzugt man die Plattform WebEx und keine Verschlüsselungstechnik dazu, wie wir auf diese Weise lernen konnten. Dass hat den unbestreitbaren Vorteil, dass der große amerikanische Bruder gleich direkt mithören und man auf diese Weise Fleißpunkte sammeln kann. Zu dumm jedoch, dass auch die Russen nicht ganz auf den Kopf gefallen sind, was das Abhören von Internetprotokollen angeht, obwohl man das eigentlich mittlerweile wissen sollte. Ich sage nur Victoria Nuland: Fuck the EU.

 Jetzt bekommen die Kanzlerworte noch einen ganz anderen Aspekt: Hat er vielleicht rechtzeitig vorher von Moskau einen Wink bekommen, was „RT“ demnächst veröffentlichen würde? Hat er Gelegenheit bekommen, einen Pflock einzuschlagen, um die Situation für Deutschland diplomatisch zu retten, seine Regierung in besserem Licht dastehen zu lassen, im Dissens zur Diskussion seiner Generäle? Nutzt Russland diesen Trumpf, um damit einen Keil zwischen die Nato-Partner zu schlagen und so letztlich auch die anderen Nato-Partner dazu zu zwingen, bei ihrer Beteiligung im Ukraine-Konflikt einen Gang zurückzurudern? Reine Spekulation, natürlich. Aber plausible Polit-Schachzüge.

Noch etwas könnte – falls medial weitergesponnen – direkt als Konsequenz der Scholz’schen Indiskretion hervorgehen, die mit der abgehörten Diskussion der Generäle gehebelt wird: Eine noch kritischere Haltung der US-amerikanischen Öffentlichkeit zum Engagement in der Ukraine. Biden könnte zunehmend unter Druck geraten, den Ukrainekonflikt mit einem diplomatischen Erfolg nicht zum entscheidenden Wahlkampf-Nachteil für die Demokraten eskalieren zu lassen. Dass die deutsche Regierung hier offenbar Grenzen zieht, wiegt schwer.

Dann die Nachricht vom Samstag: Der Ton-Mitschnitt mit den vier Bundeswehrgenerälen wird vom Verteidigungsministerium als echt bestätigt.

Sind denen jetzt die letzten Tassen aus dem Schrank gefallen? Warum äußern die sich überhaupt dazu? Was ist das für eine katastrophale Kommunikation? Oder gibt es vielleicht doch einen rationalen Grund: Es könnte ja sein, dass Druck aufgebaut werden soll, den einen oder anderen der Generäle – vielleicht auch aus ganz anderen Gründen – aus dem Amt zu entfernen, bisher aber noch nicht genügend Rückhalt vorhanden war, dies durchzusetzen. Wiederum reine Spekulation, natürlich, aber vielleicht gibt es ja für merkwürdig erscheinende Kommunikation einen rationalen Hintergrund. Sicher, das ist nicht unbedingt als selbstverständlich vorauszusetzen bei der regierungspolitischen Narrentruppe. Aber im Einzelfall auszuschließen ist es nicht. Bin gespannt, wie es weitergeht – das ist sicher noch nicht zu Ende.


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