12. April 2024 20:00

Rückeroberung der Freiheit Gibt es einen roten Knopf …

… den man – im übertragenen Sinne – drücken könnte, um diesen Staat wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen?

von Thomas Jahn

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Bildquelle: FrankHH / Shutterstock Auf Knopfdruck zur Freiheit: In der Realität nicht ganz so leicht …

Diese Frage werden sich sowohl die Anhänger einer Privatrechtsgesellschaft als auch bekennende Minimalstaatler vielleicht schon öfter gestellt haben. Alle Libertären, viele Liberal-Konservative und manche Klassisch-Liberalen diskutieren seit Jahren Zielsetzungen und Lösungsansätze, wie die Staatstätigkeit zumindest wieder auf ein erträgliches Maß reduziert werden könnte. Seit Gründung des modernen deutschen Nationalstaates am 1. Januar 1871, deren Rechtsnachfolger die heutige Bundesrepublik Deutschland ist, kannte die Staatsquote immer nur eine Richtung: steil nach oben. Inzwischen dürften nahezu alle Lebensbereiche der Menschen dem mehr oder weniger regelungsintensiven Zugriff des Staates unterworfen sein. Von der Wiege bis zur Bahre verläuft unser Leben somit in häufig unfreiwillig gewählten Konstellationen, die je nach Betroffenheit und Temperament als mehr oder weniger belastend empfunden werden. Allein die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand haben sich in den letzten 15 Jahren annähernd verdoppelt. Sie stiegen von 546 Milliarden Euro im Jahr 2009 auf unfassbare 916 Milliarden Euro im Jahr 2023.

Heute stehen wir leider vor einem ähnlichen Problem wie die Erben der maroden Volksdemokratien nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Mittel- und Osteuropa vor rund 35 Jahren:

Es ist leider kein Problem, aus einem freiheitlichen, auf Marktwirtschaft und Eigentum basierenden Gemeinwesen eine mehr oder weniger totalitäre Kommandowirtschaft zu machen. Nur umgekehrt scheint die Rückkehr zum Minimalstaat oder zumindest zu einem schlanken Staat oft so schwierig zu sein wie die Rückverwandlung des Omeletts in das ursprüngliche Ei.

Wie privatisiert man riesige Staatsbetriebe? Wie schafft man dauerhafte Eigentumstitel, wenn sich die ursprünglichen Eigentümer nicht mehr ermitteln lassen? Und die wichtigste Frage: Mit welchen Profiteuren des staatlichen Transfersystems legt man sich an: mit allen gleichzeitig? Mit dem schwächsten Glied in der Kette? Und vom wem könnte man Hilfe erwarten?

Die Ruinen-Theorie

Viele libertäre Nettosteuerzahler glauben, dass es erst noch viel schlimmer kommen muss, bevor es besser wird. Sie fiebern einem wie auch immer gearteten Zusammenbruch entgegen, der hoffentlich gewaltfrei und ohne Krieg passiert und aus dem eine neue marktwirtschaftliche Ordnung wie 1948 in den damaligen Westzonen des besetzten und besiegten Deutschlands wie der Phönix aus der Asche steigt. Die Krux an der Ruinen-Theorie ist, dass die Geschichte nicht so berechenbar ist wie die Flugbahn eines Planeten. 1948 halfen viele Zufälle, dass ausgerechnet Ludwig Erhard an einem entscheidenden Schalthebel saß, um sprichwörtlich über Nacht sämtliche Preisbeschränkungen als wichtigster Erfolgsgarant der anschließenden Währungsunion und des sogenannten Wirtschaftswunders aufzuheben. Wer nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch eines Landes wann und an welcher Stelle sitzt, weiß niemand. Vor allem hat die Corona-Zeit in erschreckender Weise gezeigt, wie nahezu sämtliche Staaten dieser Erde fast zeitgleich die Grund- und Freiheitsrechte außer Kraft gesetzt haben und wie, anders als vor 76 Jahren, plötzlich kein Realitätsvergleich mehr möglich war. Ludwig Erhard konnte wirken, weil man damals Etatisten und Sozialisten das abschreckende Beispiel des Ostblocks vorhalten konnte: „Wenn’s dir nicht passt, dann geh’ doch rüber!“ Nein: Die Ruinen-Theorie ist wirklich unkalkulierbar und daher gefährlich, vor allem wenn die von Linken bravourös gehandhabte Täter-Oper-Umkehr zum Einsatz kommt und ähnlich wie während der Finanzkrise 2007/2008 behauptet wird, der Kapitalismus sei am Zusammenbruch schuld.

Die Epidemie-Theorie  

Ideen verbreiten sich nicht „linear“, sondern meist epidemisch. Malcolm Gladwell beschreibt in seinem Marketing-Klassiker „Tipping Point“ sehr anschaulich, worauf es ankommt: Man braucht zunächst Multiplikatoren, also Werbebotschafter, die ansteckend wirken, wie ein Virus, das eine Epidemie auslöst. Auf der linken Seite des politischen Spektrums fallen einem dabei wahrscheinlich spontan Personen wie Greta Thunberg und Lisa Neubauer ein. Vergleichbar bekannte „Influencer“ fehlen leider im rechten, also im freiheitlichen Lager. Wurden jemals Ideen ohne wirkmächtige Persönlichkeiten verbreitet? Was wäre das Christentum ohne Jesus Christus? Was wäre der Islam ohne Mohammed oder, um ins Profane abzugleiten, Tennis in Deutschland ohne Boris Becker? Im Wettbewerb der politischen Ideen gilt nichts anderes: Wahrscheinlich hat in den USA, nach den Verheerungen durch die Weltwirtschaftskrise und durch die sozialistischen Administrationen von Roosevelt, Truman und später Johnson, niemand mehr für die Wiederbelebung des amerikanischen Freiheitsideals getan als Ronald Reagan. Ihm gelang es wie kaum einem anderen, die Botschaft der Freiheit glaubwürdig, charmant und in einprägsamen Worten zu verbreiten. Neben solchen Meinungsführern braucht es für eine „Freiheits-Epidemie“ also auch Begriffe, Schlagworte und Slogans, an die sich die Menschen positiv erinnern. Denken wir bei dieser Gelegenheit erneut kurz an die Gegenseite: Als Randfigur im nachzaristischen Russland gestartet, stieg Lenin binnen weniger Monate zum bekanntesten Politiker auf, dem im November 2017 der Staatsstreich gelang, auch weil sich die Massen mit seiner eingängigen Parole „Frieden – Brot – Land“ gewinnen ließen und das antikommunistische Lager diesem Slogan propagandistisch nichts entgegenzusetzen hatte. Wenn Botschaften leicht über die Lippen gehen, sodass sie jeder weitergeben kann, braucht es nur noch die Macht der Umstände, um eine Welle auszulösen, die sich dann nur noch schwer stoppen lässt. Solche Umstände können Enteignungen und Steuererhöhungen sein, wie sie die „Ampel“ mit dem Heizungsgesetz, ständig steigenden Klimasteuern und den Mehrbelastungen für Landwirte 2023 ankündigte. Manche behaupten scherzhaft, dass eine kritische Masse der Sowjetbürger Ende der 80er Jahre rebellierte, als der Wodka knapp wurde. Versorgungsengpässe eignen sich allerdings tatsächlich besonders gut, um eine Kampagne gegen ein marodes etatistisches System zu starten.    

Die Kartenhaus-Theorie

Keine Regierung währt ewig. Jeder Machtapparat und jedes Machtsystem hat seine Schwachstellen, die es herauszufinden gilt. Es ist die eine kleine Karte, die, wenn man sie herausnimmt, das riesige Kartenhaus zum Einsturz bringt. In Deutschland könnte eine solche Karte die Regierungsübernahme in einem einzigen kleinen Bundesland sein. Die erste Maßnahme dieser Regierung könnte in der Kündigung des Medienstaatsvertrags bestehen, denn Rundfunkpolitik ist in Deutschland Ländersache. Mit einer Kündigung wäre den mächtigen öffentlich-rechtlichen Medien die Rechtsgrundlage entzogen. Würde ein Bundesland ausscheren, bräche das derzeitige Finanzierungssystem und die damit am Leben gehaltenen Sender wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Einer der wichtigsten Pfeiler der rot-grünen Kleptokratie geriete ins Wanken. Denselben Effekt könnte man, nur etwas mühsamer, auch durch Volksentscheide in den einzelnen Bundesländern erzielen, die allesamt diese Form der direkten Demokratie in ihren Länderverfassungen vorsehen. In Bayern und Sachsen ist für den jeweiligen Volksentscheid nicht einmal ein Quorum nötig. Ein einziges Bundesland reicht auch aus, um mit dem Bund in einen dauerhaften Rechtsstreit über die Gültigkeit einer Vielzahl übergriffiger und verfassungsrechtlich zweifelhafter Gesetze zu treten. Die im Rahmen jeder föderalen Ordnung aufzuwerfende Frage ist dabei, ob ein Gliedstaat eines Bundes wie der Bundesrepublik das Recht hat, verfassungswidrige Bundesgesetze innerhalb seiner Grenzen aufzuheben, also zu „nullifizieren“. Ohne diese komplizierten Rechtsfragen weiter vertiefen zu wollen, zeigt das Beispiel des Föderalismus, wo die Schwachstellen eines hypertrophen Staates liegen könnten, der hierzulande, anders als in Frankreich oder Spanien, eben kein Zentralstaat ist.           

Fazit: Den einen roten Knopf scheint es leider nicht zu geben. Aber es gibt hoffnungsvolle Beispiele und historische Vorbilder, die alle Freunde der Freiheit zum Nachdenken über den Tellerrand hinaus und zum überlegten, gemeinsamen Handeln inspirieren sollten. Der Wechsel auf die Erfolgsspur beginnt auch mit der Analyse der eigenen Defizite. Dabei zeigt die Epidemie-Theorie, dass man mit einer ernsthaften Verbreitung der Idee der Freiheit in Deutschland leider noch nicht einmal begonnen hat. Es fehlen prominente Persönlichkeiten, reichweitenstarke Medien und vor allem einprägsame Begriffe, nicht zuletzt auch solche, die die Missstände, gegen die angekämpft werden müsste, in wenigen Worten, für alle Menschen verständlich und aktivierend zusammenfassen.     


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