08. Mai 2024 06:00

Aristokratie reloaded Am Hof der Dummen

Wie Politiker Propaganda spielen, während ihnen die Spielfiguren entgleiten

von Oliver Gorus

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Bildquelle: photocosmos1 / Shutterstock „Fürstin von“ Esken: Erhaben über das primitive Volk

Das Fürstengehabe der herrschenden Klasse strotzt nicht nur so vor kognitiven Dissonanzen, es ist eine Beleidigung für den Durchschnittsverstand, ein intellektueller Offenbarungseid oder einfach nur dumm wie drei Meter Feldweg. Ich wehre mich dagegen zu glauben, dass dieses narzisstische Getue den Herrschern auf Dauer dabei hilft, ihnen die Macht zu erhalten.

Ich erspare Ihnen und mir die vielen Beispiele und möchte nur ein paar prägnante Doofdreistigkeiten des Parteiengezänks der letzten Tage anführen. Erst mal die geistige Wüste des nordrheinwestfälischen Merkelianers: Als bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen NS-Vergleiche auftauchten, fand Wüst das „abstoßend und unerträglich“, wie Anfang 2021 die dpa vermeldete. Er selbst kräht gut drei Jahre später letztes Wochenende ins Mikro bei einer der unzähligen Regierungsparaden gegen Rächts: „Die AfD ist eine Nazi-Partei.“

So, nun können wir es uns aussuchen: Entweder findet er sich selbst abstoßend und unerträglich, was bei seinem Persönlichkeitsprofil „Muttis passiv-aggressiver Schwiegersohn“ eher kontraindiziert wäre, oder er findet seinen Spruch von damals mittlerweile zeitenwendemäßig unpraktisch und seinen eigenen Nazi-Vergleich völlig okay, auch weil er es taktisch wohl als legitim erachtet, eine einfache Formel für das in seinen Augen offenbar unvorstellbar primitive Volk so oft wie möglich zu wiederholen, damit es bis zur EU-Wahl Anfang Juni tüchtig in den Köpfen dröhnt.

So wie das Goebbels schon wusste. In sein Tagebuch hatte der am 29. Januar 1942 geschrieben: „Ich kann wieder sehr viel lernen; vor allem, dass das Volk meistens viel primitiver ist, als wir uns das vorstellen. Das Wesen der Propaganda ist deshalb die Einfachheit und die Wiederholung. Nur wer die Probleme auf die einfachste Formel bringen kann und den Mut hat, sie auch gegen die Einsprüche der Intellektuellen ewig in dieser vereinfachten Form zu wiederholen, der wird auf die Dauer zu grundlegenden Erfolgen in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung kommen.“ Aha, so war das gedacht mit dem Spruch von der „Nazi-Partei“. Jetzt ergibt das Sinn. Und jetzt wird auch klar, warum Sie und ich uns unsere intellektuellen Einsprüche sparen können.

Dann erschließt sich auch, warum kurz zuvor seine Parteigenossin Esken die gleiche Formel bemühte. Oder sind die überhaupt nicht in der gleichen Partei? Na, egal. Das stört heute keinen großen Geist mehr. Esken jedenfalls war vor ein paar Tagen zu Gast beim österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Studio von ZIB 2, dem täglichen Nachrichtenmagazin des ORF. Sie wurde zur AfD befragt. Ihre Worte haben da formal durchaus Gewicht, denn immerhin ist die SPD Regierungspartei und stellt verrückterweise den Kanzler. Dabei allerdings sagte sie in nur etwa einer dümmlichen Minute sehr viel mehr über sich, ihr Demokratieverständnis und die prekäre politische Lage in Deutschland als über die AfD.

Eskens Offenbarungseid

Präzise: Sie sagte, dass die AfD in keinem Bundesland und auch nicht im Bund an die Regierung kommen dürfe. Keinesfalls! Nun, das bedeutet ja faktisch, dass sie eine legale Wahlmehrheit der AfD nicht anerkennen würde. In Thüringen wurde ja schon einmal eine Wahl nicht anerkannt, nämlich vor vier Jahren von Merkel, die kemmeriche Wahlrücknahme, was im Nachhinein vom obersten Gericht als verfassungswidrig bezeichnet wurde.

Nun ja, wie auch immer Esken das dann bewerkstelligen würde, ob mit Gewalt, mit der Aushebelung der Verfassung, mit Wahlfälschung oder mit anderen Methoden: Die angekündigte Ablehnung eines regulären Wahlausgangs ist ja zweifelsohne die Ankündigung einer verfassungswidrigen Tat und glatt undemokratisch. Und danach wurde sie dann auch im Studio gefragt.

Aber dann ging sie in ihrer Antwort noch einen unverzeihlichen Schritt weiter und bezog sich auf einen Ausspruch von Goebbels, der 1935 von der „Dummheit der Demokratie“ gesprochen hatte, die der NSDAP den Wahlsieg, die legale Regierungsübernahme und im Anschluss die Abschaffung der Demokratie ermöglicht hatte. Sie sagte dann, dass sie nicht bereit sei, der AfD die Mittel an die Hand zu geben, die Demokratie abzuschaffen.

Erstens zog sie damit pauschal Parallelen zwischen der AfD und Goebbels beziehungsweise den Nationalsozialisten, was sie auf Nachfrage sogar noch bekräftigte und wüst behauptete, die AfD sei eine „Nazipartei“. Das alleine ist eine ungeheure Unterstellung und Beleidigung eines politischen Konkurrenten und auch eine Verharmlosung von Handlungen des Nationalsozialismus, wo man sofort an den Paragraphen 130 (3) StGB denkt.

Ich bin ja generell für die Abschaffung dieses Paragraphen, aber wenn es ihn nun schon mal gibt, war er doch eigentlich für genau solche hanebüchenen Aussagen gedacht.

Zweitens, und da musste man genau hinhören, sagte sie ja damit im Grunde, dass sie bei einer Regierungsmehrheit für die AfD dieses demokratische Votum genauso als „Dummheit der Demokratie“ betrachten würde wie Goebbels!

Und dass sie dieses dumme Votum des dummen Volks dann eben missachten werde, also bereit sei, sich über den dummen Souverän hinwegzusetzen und die dumme Demokratie zu zerstören, nur um zu verhindern, dass die dumme AfD angeblich die dumme Demokratie zerstören würde – eine glatte Schattenprojektion einer Undemokratin. Einer dummen Undemokratin.

Und diese Projektionen sind noch nicht das Ende des Niveau-Limbos, sie gehen noch detailliert weiter: Esken grenzt de facto die AfD aus dem politischen Betrieb aus, weil diese ihrer Meinung nach Gruppen von Menschen ausgrenzen würde: Projektion. Und sie spaltet die Republik radikal in gute Nicht-AfDler und böse AfDler, weil die AfD ihrer Meinung nach spalten würde: Projektion. Und sie kündigt an, bei einem bestimmten Wahlergebnis gegen die Verfassung verstoßen zu wollen, weil die AfD „ganz klar verfassungsfeindliche Bestrebungen“ habe: Projektion.

Sie kann uns also nichts vormachen, sondern entlarvt sich gnadenlos selbst, offenbar ohne es zu merken: Sie ist, was sie der AfD vorwirft!

Und das ganz offen im TV-Abendprogramm. Allen Ernstes. Was für ein hemmungsloser Wahnsinn!

Die Saat des Denkpechs

Dass Esken und Wüst gegen die AfD ledern: geschenkt: Ich bin ja durchaus dafür, dass man im politischen Streit die Gegner bekämpfen sollte, ja, ich bin sogar der Meinung, dass ich als Bürger gegen alle politischen Parteien und gegen alle Mehrheiten kämpfen sollte, die die Herrschaft über mich mit Zwang und Gewalt ausüben wollen – aber selbstverständlich kann ich dann nicht die Mittel einsetzen, die ich dem Gegner vorwerfe, denn sonst bin ich keinen Deut besser.

Aber diese Forderung nach Konsistenz im Handeln oder Stringenz im Denken zielt offensichtlich völlig an den Intentionen der fürstlichen Herrscher vorbei. Es ist ihnen schlicht egal, wie sie an der Macht bleiben. Selbst wenn es dafür notwendig wäre, sich in Katzenklos zu wälzen oder sich Staubschutzmasken vors Gesicht zu hängen, würden sie es tun.

Auf derselben Regierungsparade in Berlin, auf dem Wüst sein Formelsätzchen aufgesagt hat und bei der es darum ging, einen tätlichen Angriff auf einen Plakatekleber für parteipolitischen Schmutz zu instrumentalisieren, wurde vielfach, mal durch Wüst und mal durch andere Grünsozialisten, mal mit und mal ohne Orthographieprobleme, der Satz in die Social Media gekippt, dass jene, die Hass säen, Gewalt ernten werden.

Na, ist es Ihnen auch aufgefallen? Die dummdreiste Dämlichkeit des Satzes meine ich: Die den Hass säen, sind in diesem Satz ja wohl ein und dieselben wie jene, die die Gewalt ernten, denen also Gewalt angetan wird. Sie tun Hass machen und sie tun Gewalt kriegen, wie Hofreiter das ausdrücken würde.

Jetzt können Sie überlegen, wie es gemeint ist – es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder sie selbst, die herrschenden linken Politiker sind es, die Hass säen und befürchten, deswegen verprügelt zu werden. Oder die bösen Oppositionellen, also alle Politiker, die nicht links sind, sollen von den Linken verprügelt werden, weil sie Hass säen. Sie können den Satz nur so oder so lesen. Im ersten Fall wäre es das Eingeständnis von Wüst und Co, Hass zu verbreiten und deswegen die Hosen voll zu haben. Im zweiten Fall wäre es eine Drohung gegen die Opposition, Gewalt anzuwenden, um sie für ihren Hass zu bestrafen. In jedem Fall ist es ziemlich hässlich. Und zwar von denen, die mit dem dummen Spruch hausieren gehen.

Und plötzlich wird es ernst

Leid kann einem bei alldem nur der SPDler tun, der beim Parteidienst an der Klebewand krankenhausreif geschlagen wurde. Aber bei der ganzen Lamentiererei, dem passiv-aggressiven Opfergetue und dem 90 Jahre alten Gehetze ließ sich nicht verschleiern, dass Politiker und Journalisten wie selbstverständlich davon ausgehen, dass eine Gewalttat gegen einen Politiker viel schlimmer ist als eine Gewalttat gegen irgendeinen anderen Bürger.

Mit welcher Berechtigung bitte? Was glauben die, wer sie sind? Darin zeigt sich doch nichts mehr und nichts weniger als die schockierende Kontinuität der Obrigkeitsarroganz: als ob es noch Adel und Fürsten gäbe!

Ja, natürlich gibt es auf dem Papier noch Adel und Fürsten, aber nicht mehr als zweiter Stand, als herrschende Klasse. Doch sowohl Herrscher als auch Beherrschte tun heute so, als wäre noch immer 1525: Das gemeine Volk darf ausgehungert, ausgebeutet, abgeschlachtet werden, aber wehe ein Graf wird Spießrutenlaufen gelassen, dann hört der Spaß auf, dann wird ernst gemacht, dann werden die Bauern zu Tausenden gejagt, gemordet und verbrannt. Weil ein einziger Fürst eben mehr wert ist als das gesamte Volk. Das Obrigkeitsdenken ist tief vergraben im kollektiven Bewusstsein. Und bei solchen Gelegenheiten kommt es zum Vorschein. Und auch, dass die Politiker ganz archetypisch glauben, sie seien die Fürsten von heute.

Nur: Währenddessen entgeht ihnen im Rausch der angemaßten Wichtigkeit das Entscheidende. Mitten auf dem Kurfürstendamm, bei der Pro-Palästina-Demo am Tag zuvor schallt es vom zentralen Lautsprecherwagen: „Vielleicht wird es auch mal Zeit für einen Deutschen, einen deutschen Führer, einen Krebsheiler, der dieses Land befreit, der dieses Land vom Zionismus befreit.“

Ja, genau. So klingen echte Nationalsozialisten. Da ist alles dabei: der Antisemitismus, die Entmenschlichung der Sündenböcke, der Nationalismus, der Kollektivismus, der Führerglauben. Alles komprimiert in einem Satz.

Denn wir haben in Deutschland tatsächlich ein Nazi-Problem. Nur nicht da, wo Esken, Wüst und die anderen Mittelstrahlpolitiker es sich einbilden, sondern überall, in allen Städten im ganzen Land, nämlich überall dort, wo seit Mutti Merkels Grenzöffnung das Land mit antisemitischer Hasskultur geflutet wird. Und überall dort, wo hasserfüllte, judenfeindliche Linksradikale in steuergeldfinanzierten NGO-Brutstätten herangezüchtet werden. Also genau dort, wo Esken, Wüst und die anderen Mittelstrahlpolitiker nicht müde werden, die selbstgeschaffenen weltanschaulichen Abgründe zu verharmlosen und zu verteidigen.

Die 68er und ihre Kinder sind durch die Institutionen marschiert, haben die Führungsposten von Bildung, Medien und Politik erobert, bis sie glaubten, die fürstlichen Herrscher zu sein – und sind, kaum im Amt, krachend gescheitert.

Sie dürfen jetzt gefälligst abtreten. Sie glaubten, wir, das gemeine Volk, seien primitiv. Dabei sind sie es, die intellektuell entblößt vor uns stehen. Den Scherbenhaufen aufzuräumen, übernehmen dann wieder wir, die produktiven Bürger.


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