Freier Markt: Wenn wir die Nachfrage geändert haben
Wie bekommen wir Polizisten dazu zu desertieren?
von Sascha Koll
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In meinem Artikel „Eine Welt ohne staatliche Dienstleistungen muss nicht kompliziert sein: Die ‚BRD GmbH‘ als Antwort auf viele Fragen?“ vom 6. Januar 2022 skizzierte ich, dass die Nachfrage nach Staat nur darauf beruht, dass Menschen Bedürfnisse haben, die sie versuchen zu befriedigen oder bei denen der Wunsch besteht, sie durch einen Dienstleister erfüllt zu bekommen. Der Dienstleister, der diese Bedürfnisse befriedigen soll, könnte eigentlich beliebig sein, wenn sich der Staat das Monopol nicht in unzähligen Bereichen mit Androhung von Gewalt sichern würde.
Der Wettbewerb zwischen verschiedenen Dienstleistern und Paketen könnte unser Angebot an diejenigen sein, die sich nicht um jede Kleinigkeit selbst kümmern wollen und stattdessen lieber die eigene Verantwortung an jemand anderen übertragen, der dann im Dienste des Kunden handelt. So oder so ähnlich stellen sich nicht wenige auch das Verhältnis zwischen Staat und Bürger vor, ohne dabei zu bedenken, dass sie bei der Wahl jemanden beauftragen, der nicht an seinen Vertrag – hier die Wahlversprechen – gebunden ist und nicht sanktioniert wird, wenn er seinem Kunden – hier dem Bürger – Schaden zufügt. Aus dem Vertrag gibt es keine Ausstiegsklausel – gefällt einem also die Dienstleistung nicht oder wird diese unzureichend oder gar nicht erbracht, wird man unter Androhung von Gewalt gezwungen, weiter für sie zu zahlen und darüber hinaus durch seine Steuerzahlungen für die Kosten etwaiger Schäden selbst aufzukommen.
Selbst wenn es uns möglich ist, eine große Anzahl Menschen von einem Dienstleistungsverhältnis mit Anbietern, die bei Nichtgefallen in kürzester Zeit wechselbar sind, überzeugen, steht uns der Monopolist mit seiner Gewaltandrohung im Weg. Wie sollen wir realistisch ein Angebot für eine Altersvorsorge machen, wenn der Staat seine Bürger dazu zwingt, in das Schneeballsystem der deutschen Rentenkasse einzuzahlen? Wie sollen wir ein Angebot für Infrastruktur machen, wenn der Staat die Finger auf den Baurechten hat? Wie sollen wir die Verfolgung von Verbrechern anbieten, wenn der Staat hierauf explizit sein Monopol ausgesprochen hat? Wie sollen wir kostengünstige medizinische Behandlung und Medikamente anbieten, wenn der Staat uns dort seinen maßgeblich zur Verteuerung beitragenden Regularien und Patenten unterwirft? Ich könnte sicher noch etliche Bereiche aufzählen, in denen der Staat keine Konkurrenz zulässt, aber ich möchte dem Leser auch nicht den Raum für eigene Gedanken nehmen.
Der von mir sehr geschätzte Ben Daniel sagte in einem Interview mit Enno Samp, dass er es bevorzuge, die Nachfrage zu ändern, statt Forderungen an unsere Mitmenschen auszusprechen. Man könne seine Mitmenschen darauf hinweisen, zu was es führe, wenn sie weiter so nachfragten, wie sie es derzeit täten. Dadurch könne man ein Unwohlsein in ihnen auslösen und mit dem Mittel der liebevollen Kommunikation – in Abgrenzung zur friedlichen Kommunikation, die auch Lug und Betrug erlaube – Alternativen aufzeigen und so versuchen, die Person von ihrer Seite der Nachfrage auf die eigene Seite der Nachfrage zu bringen. Selbst wenn die eigentliche Nachfrage Zwang und Gewalt gegen andere Menschen sei, die der Staat hervorragend erfülle, gebe es sicher einen Weg, den Nachfragenden davon abzubringen und lieber auf friedliche oder gar liebevolle Kooperation statt der erzwungenen zu setzen.
Doch selbst wenn sich jemand dazu bewegen lässt, die Nachfrage nicht mehr an den Staat zu richten, an wen soll er sie dann richten? Wie bereits erwähnt, möchte sich nicht jeder um jede Einzelheit selbst kümmern. Es besteht also eine, wie auch von Ben Daniel erwähnt, Nachfrage nach Verantwortungstransfer und auch eine Nachfrage nach Sicherheit, Bildung, medizinischer Versorgung, Altersvorsorge, Infrastruktur und so weiter – also nach Gütern und Dienstleistungen, die dem staatlichen Monopol unterliegen. Gesetzt dem Fall, wir schaffen es, die Nachfrage nach dem Monopol zu brechen, sehe ich im Gegensatz zu Ben Daniel nicht, dass die Politiker dann wie Schorf einfach abfallen. Die Machthaber werden ihre Machtposition mit aller Gewalt, die ihnen zur Verfügung steht, verteidigen. Schon bei Kleinigkeiten wie Spaziergängen, materieller Unterstützung von Demonstranten in Kanada oder nur bei Widerworten in sozialen Netzwerken fletschen sie die Zähne und sind bereit, die Aufmüpfigen bis an den Abgrund des Ruins zu treiben.
Realistisch betrachtet sehe ich kaum Möglichkeiten der Eskalationsvermeidung, sollten wir Erfolg haben. Gelingt es uns trotz der Omnipräsenz des Gewaltmonopols und der damit verbundenen Hürden, die Menschen davon zu überzeugen, eben dieses nicht mehr nachzufragen, wird er ein deutlich größeres Unwohlsein in den Bürgern hervorzurufen wissen, als wir es in der Lage wären.
Eine der wenigen Ansätze, die ich als friedliche Möglichkeit zur Überwindung des Zwangs-Staates sehe, ist es, die Befehlsausführer davon zu überzeugen, nicht mehr an der Seite des Unterdrückers, sondern ihrer zukünftigen Kunden zu arbeiten. Hierzu verweise ich auf meinen Artikel „Das Räderwerk des totalitären Mechanismus: Wer ist die tatsächliche Gefahr für Leib, Leben und Freiheit?“ vom 23. Dezember 2021. Denn solange es willige Befehlsausführer wie Polizisten und Soldaten gibt, die nicht den Schutz der Bürger, sondern den Schutz der Machthaber im Sinn haben, wird es auch trotz mehrheitlich veränderter Nachfrage gewaltsame Versuche geben, diese Nachfrage wieder in Richtung des Staatsmonopolisten zu lenken – eben aufgrund des Unwohlseins, jederzeit mit einem tätlichen Angriff der Befehlsausführer rechnen zu müssen.
Zu dem Punkt, die Nachfrage so weit geändert zu haben, müssen wir aber erst noch kommen. Wenn ich mir die mühsamen Gespräche in Erinnerung rufe, in denen es um Wählen oder Nichtwählen geht, glaube ich, dass selbst vor uns Libertären noch ein langer Weg liegt, wenigstens nicht die Nachfrage nach Demokratie, also Zwang und Gewalt, durch unsere Teilnahme an Wahlen zu signalisieren. Ob es aussichtsreich ist, beim Staat nach einem Sezessionsrecht zu betteln, um der gewaltsamen Eskalation des Staates zu entgehen, ist fraglich, da hoffnungsträchtige Privatstadt-Projekte wie in Honduras durch den Regierungswechsel wieder an Sicherheit und Zuversicht verloren haben.
Bis es zu einer möglichen Lösung für Staat und freie Menschen gekommen ist, bleiben einem persönlich nur die friedlichen Mittel, den Staat auf legalem Wege so weit wie möglich aus seinem eigenen Leben herauszuhalten, oder der Agorismus, der darin besteht, über die Frage „Wie bekommen wir Polizisten dazu zu desertieren?“ nachzudenken.
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