25. Februar 2023

Freiheit und Verzicht Bist du wirklich frei von Zwang?

Die Gewohnheit ist ein Gefängnis

von Manuel Maggio

Können wir wirklich frei sein? Wenn ich den Begriff Freiheit benutze, dann geht es mir in erster Linie um die Abwesenheit von Zwang und initiierender Gewalt, die andere gegen mich richten, um dadurch die Durchsetzung eigener Ziele zu verfolgen. Es geht um das freie Handeln, ohne durch Zwang daran gehindert zu sein. Nun ist es kein Geheimnis, dass wir als Menschen auch anderen Zwängen unterliegen. Ich nenne diese der Einfachheit halber „natürliche Zwänge“. Diese Zwänge wirken ebenso auf uns, aber sind vom Ursprung her in der Natur des Menschen begründet und nicht erst durch das Inkrafttreten eines Gesetzes vorhanden. Ich denke da an den Zwang zu trinken, wenn man leben möchte, oder den Zwang, schlafen zu müssen. Auch wenn hier vor allem in der Partyszene mit chemischen Substanzen nachgeholfen werden kann – ganz ohne Schlaf kommt kein Mensch aus. Auch zu essen und das Essen irgendwann wieder ausscheiden zu müssen, ist etwas, was unser Leben entscheidend beeinflussen kann und wir nicht einfach ablegen können.

Es gibt aber durchaus noch weitere Zwänge, die uns Freiheit entziehen können – diese sind keineswegs unausweichlich wie ein Naturgesetz, denn sie liegen schlicht im Bereich der Gewohnheiten, im schlimmsten Fall sogar der Sucht. Gerne möchte ich Ihnen einmal so einen klassischen Tagesablauf von mir skizzieren, damit Sie sehen: Auch ich bin in keiner Weise frei, schon gar nicht von meinen eigenen Gewohnheiten.

Wenn um 7:20 Uhr der Wecker klingelt, stehe ich auf und gehe, nach einem kurzen Abstecher zum WC, sofort in die Küche, um mir eine Kanne Espresso aufzusetzen, denn ohne Kaffee geht nicht viel bei mir. Während der Kaffee mit der kleinen Espresso-Kanne fertig wird und langsam zu Ende sprudelt, sitze ich schon am Wohnzimmertisch und habe mir meine erste Zigarette angesteckt. Während ich meinen morgendlichen Nikotinschub genieße, habe ich schon mein Handy in der Hand und scrolle mich einmal durch Telegram und einmal durch meinen Youtube-Feed. Der Kaffee ist fertig, aber ich trinke ihn nicht schwarz, denn ich brauche pro Tasse ein bis zwei Löffel Zucker, wobei ich aber seit einem Jahr wenigstens schon auf den braunen Rohrzucker umgestiegen bin. Natürlich darf Milch nicht fehlen, und daher schütte ich die Tasse zu einem Drittel mit fettarmer Milch auf. Ich lese mich durch unwichtige Meldungen auf Telegram, die alle mit einem: „Eilt“ oder „Neu“ oder „Boom“ versehen sind, um am Ende doch zu merken: Nichts davon wird die Welt, in der ich lebe, verändern, und somit ist dieser Akt, wie mir selbst ja bewusst ist, unwichtig und überflüssig. Egal – ich lese trotzdem weiter, denn wer weiß, vielleicht verpasse ich ja die entscheidende Meldung, wenn ich jetzt das Handy wieder aus der Hand lege?

Die erste Tasse Kaffee ist getrunken und die zweite Zigarette ist geraucht. Je nach Auftrag und Job muss ich entweder mit dem Auto nach München fahren, oder ich bereite mich auf einen Einsatz als Dozent bei einem Online-Seminar in meinem Homeoffice vor. Habe ich einen Job außerhalb, ist auch hier die nächste Station klar, und es ist eine Art Zwang, die mich immer wieder an der gleichen Tankstelle halten lässt, um mir dort einen weiteren Kaffee plus Schokocroissant zu kaufen. Nun liegen ungefähr 50 Minuten Autofahrt vor mir und diese nutze ich, um mir „interessante“ Beiträge auf Youtube anzuhören, denn auch hier möchte ich die Zeit effektiv nutzen und keine „wichtigen“ Infos verpassen. Andere mögen im Auto Radio hören und haben auch hier ihre morgendlichen Rituale, die sie auf keinen Fall missen möchten.

Während des Tages checke ich mehrfach mein Handy auf Nachrichten und überprüfe die letzten Youtube-Videos, um schnell auf neue Kommentare antworten zu können.

Um das Ganze abschließend noch etwas auf den Punkt zu bringen: Mein komplettes Konsumverhalten ist alles andere als frei, sondern unterliegt inneren Zwängen, die mich steuern und somit von anderen Dingen fernhalten. Zu meinem Glück legt meine Frau großen Wert auf gesunde und vor allem natürliche Ernährung und verbringt viel Zeit mit der liebevollen Zubereitung unserer Mahlzeiten. Irgendwie seltsam, dass ich trotz allem immer noch auf die Tricks der Nahrungsmittelindustrie reinfalle. Mit meinem Wissen über Ernährung ist jeder Gang zu einem Fastfood-Restaurant oder der Griff zu einem Schokocroissant wie auch mein Konsum an Kaffee und Nikotin nicht mehr mit Logik zu erklären – außer mit der Logik der Sucht. Ich bin süchtig nach Genussmitteln und süchtig nach Information. Wäre das nicht so, würde ich ohne Probleme auf meine Laster verzichten können, was aber nicht der Fall ist.

Daher stelle ich zum Abschluss erneut die Frage: Wie frei sind wir wirklich? Wie sehr sind wir in Gewohnheiten und Konsumsucht bereits gefangen? Wie würde es sich anfühlen, wenn man auch diese Zwänge ablegen könnte? Ich werde einen Versuch starten und passend zur nun angebrochenen Fastenzeit etwas Verzicht üben. Ich habe mir vorgenommen, auf alle kleinen Süßigkeiten und Backwaren, die ich ansonsten untertags einfach inhaliere, zu verzichten, und ich werde täglich nun mindestens einen Liter Tee trinken. Damit Sie die Dimension auch richtig einschätzen können: Es gibt Wochen, da trinke ich vielleicht insgesamt einen Liter Flüssigkeit zusätzlich, mein kompletter Bedarf an Wasser wird in der Regel von Kaffee gedeckt. Sollte ich diese Umstellung hinbekommen, würde ich sogar noch weiter gehen und auch meinen Kaffeekonsum etwas einschränken, aber allein der Gedanke daran, hier zu verzichten, lässt mich bereits jetzt etwas unwohl fühlen.


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