07. Oktober 2023 08:00

Meine Familie wählt grün: Wie gehe ich damit um? Bayernwahl und die Angst vor den Nazis

Politik spaltet Familien – das ist gewollt

von Manuel Maggio

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Bildquelle: wavebreakmedia / Shutterstock Ein offener und respektvoller Meinungsaustausch scheint passé: Streit ist sofort vorprogrammiert – wie lässt sich das verhindern?

Am Sonntag ist es in Bayern und Hessen mal wieder so weit und es wird zur Wahlurne gebeten. Für mich ist es ein Tag wie jeder andere, und ich werde garantiert kein Wahllokal aufsuchen. Darum soll es aber heute nicht gehen; meine Einstellung zur Beteiligung an politischen Wahlen habe ich hier ja schon mehrmals ausgeführt. Ich bin Anarchist, meine Familie ist es jedoch nicht – deshalb gebe ich heute Antworten auf die Frage: Wie gehe ich damit um?

Wie tief die Spaltung innerhalb der Familien bereits vorangeschritten ist, haben wir im Detail in den letzten Jahren mit dem C feststellen können: Geimpfte gegen Ungeimpfte, Maßnahmenbefürworter gegen Maßnahmenkritiker – Sie kennen das Spiel bestimmt selbst oder haben entsprechende Geschichten aus dem Bekanntenkreis gehört. Sogar Ehen sind an der gesellschaftlichen Spaltung gescheitert, nur weil man eine unterschiedliche Meinung zu einem bestimmten Thema hatte. Einerseits finde ich dies schrecklich und es macht mich traurig, dass dieser perverse Plan, Familien zu zerstören, funktioniert hat. Anderseits habe ich es mehrfach erlebt, wie Familienmitglieder ausgegrenzt wurden, weil Meinungen so weit auseinanderlagen, und man nicht mehr an einem Tisch sitzen konnte.

Zu dieser Zeit gab es eigentlich nur noch ein Schwarz oder Weiß, es gab kaum Raum für differenzierte Meinungen. Entweder war man als Corona-Gläubiger auf Regierungskurs oder man war ein Corona-Leugner und Querdenker – dazwischen gab es praktisch nichts mehr. Ähnlich drastisch verlaufen an diesem Wochenende wieder Gräben durch unser Land. Auf der einen Seite gibt es die, die sich nichts anderes als ein Ende dieser übergriffigen Regierung wünschen, und auf der anderen Seite die, für die eine Wahl der AfD einem Erdrutsch in Richtung Rechtsextremismus gleichkommt. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, es handelt sich in keiner Weise um Werbung für Politik. Doch wie sieht es aus, wenn die eigene Familie Angst vor dem Klima und der AfD hat und sich deshalb entschließt, grün zu wählen? Mir zeigt es, wie leicht es ist, Menschen zu manipulieren, und dass selbst ich es nicht geschafft habe, meine Familie davor zu schützen. Ob meine Schwester am Sonntag wirklich grün wählen wird, kann ich nicht genau sagen, aber die Chancen dafür stehen gut. Werde ich mich durch diesen Umstand jetzt von meiner Familie abwenden? Nein, ganz bestimmt nicht, vielmehr sehe ich es als meine Aufgabe für die Zukunft an, genau dieser politischen Spaltung entgegenzuwirken.

Macht es in meinen Augen Sinn, innerhalb der Familie für Aufklärung zu sorgen? Ja, garantiert! Aber nicht um jeden Preis. Nur wenn ein echter und ernst gemeinter Austausch, frei von Vorurteilen möglich ist, werde ich meine Weltanschauung und Einstellung zu Politik gerne preisgeben. Das Abwerten der Meinung des Gegenübers ist Gift für jeden argumentativen Austausch und wird am Ende nur für Streit sorgen und kein Verständnis hervorbringen. Dies gilt ebenso für das Abwerten einer möglichen AfD-Wahl oder auch für das Verurteilen von der Wahl einer der Alt-Parteien. Auf einer gewissen Ebene ist es aus meiner Sicht das Gleiche, ob man nun seine Schwester für ihre Grünen-Wahl verachtet oder ob einen die eigene Familie aufgrund der AfD-Sympathie abwertet. Auch als Nichtwähler bekomme ich hier Gegenwind aus dem Freundes- und Bekanntenkreis, doch bin ich in den Augen vieler deshalb noch kein Nazi, was es durchaus einfacher macht.

Mein Ansatz ist daher folgender, wenn es um die Befriedung innerhalb von Familien geht. Egal, wie weit die politischen Meinungen auseinandergehen: Wenn Sie das Spiel erkannt haben, wirken Sie der Spaltung aktiv entgegen. Sie sind entsetzt über das Wahlverhalten Ihrer Liebsten oder man verachtet Sie wegen Ihrer Nähe zur AfD? Dann ist es an der Zeit, genau diesen Umstand aufzulösen, und dies kann nur funktionieren, wenn man aufeinander zugeht.

Abschließend noch ein paar praktische Tipps, wie Sie die Kommunikation mit der Familie oder Freunden wieder auf ein gesundes Niveau bringen können, ohne sich dabei zu verbiegen: Verabschieden Sie sich von der Vorstellung, die Meinung, Einstellung und eventuell sogar Werte ihrer Mitmenschen ändern zu können, sondern versuchen Sie stattdessen, Verständnis dafür aufzubringen, wie es zu diesen Ansichten gekommen ist. Konkret meine ich damit, dass Sie versuchen sollten, herauszufinden, wieso jemand links oder grün wählt, welche Ziele er damit verfolgt, und nehmen Sie die Aussagen ernst. Welches Bedürfnis steckt dahinter und wieso denkt man, diese Ziele mit der Wahl einer bestimmten Partei zu erreichen? Richten Sie den Fokus der Gespräche nicht auf aktuelle politische Ereignisse, sondern gehen Sie ans Eingemachte. Wenn es Sie wirklich interessiert, wieso ein Familienmitglied grün wählt, dann finden Sie es heraus. im nächsten Schritt wäre dann festzustellen, ob auch Ihr Gegenüber ernsthaft daran interessiert ist, wieso Sie sich entschlossen haben, zum Beispiel die AfD zu wählen.

Die Unterhaltung über das „Wieso“ oder „Warum“ funktioniert nur dann, wenn Sie den Umstand zunächst einmal wertfrei betrachten. Ein freier Austausch findet nur statt, wenn nicht versucht wird, den anderen von eigenen Standpunkten zu überzeugen. Nehmen Sie die Meinung und Haltung Ihrer Mitmenschen als gegeben an und machen Sie sich nur auf die Suche nach dem Grund und was man damit bezwecken will. In einer solchen Gesprächsatmosphäre wird es viel wahrscheinlicher sein, dass Sie wieder füreinander Verständnis aufbringen können, woraus dann auch echte Erkenntnis entsteht. wann Sie dazu in der Lage sind, dann gehen Sie hier mit gutem Beispiel voran und beenden Sie die Vorverurteilung der „grünen Spinner“, worauf man im Gegenzug auch Ihnen gegenüber aufgeschlossener sein wird.


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