Staatsdienst ohne Bezahlung: Propaganda und ihre Folgen
Wäre ich nicht dabei gewesen – ich hätte es nicht geglaubt
von Manuel Maggio
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Nachdem ich mich die letzten Wochen eher mit den großen Themen dieser Tage beschäftigt habe, möchte ich Ihnen heute von einem persönlichen Erlebnis erzählen, das so skurril war, dass ich es kaum glauben würde, wenn ich nicht selbst dabei gewesen wäre. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass sich auch erwachsene Menschen vorführen lassen und bereit sind, wie ein Blockwart als verlängerter Arm des Staates aufzutreten. Wie weit es dieser Zustand des blinden Gehorsams treiben kann, war mir bislang nicht bewusst – daher heute ein paar Gedanken zu einem Vorfall der letzten Woche.
Als Marketer und Kommunikations-Trainer sind Netzwerke sehr wichtig. Daher trifft man sich eben auch mal mit Unternehmern aus der Region, um mögliche Potenziale und Synergien zu checken. So auch letzte Woche. Gemeinsam mit meiner Frau traf ich mich in der Nähe unseres Wohnortes mit einem Film- beziehungsweise Medienproduzenten. Es ging um eine mögliche Kooperation im Bereich regionales Internetfernsehen. Rein als Hobby betreiben meine Frau und ich einen Youtube-Kanal und berichten von Events und Kulturveranstaltungen hier bei uns aus der Gemeinde. Wir sind hier in unserer Berichterstattung relativ unvoreingenommen und versuchen, diese so neutral wie möglich zu gestalten. Wer meine anderen Projekte, wie diese Kolumne zum Beispiel, oder auch die Texte der Lieder gemeinsam mit meiner Frau kennt, wird unsere Einstellung zu Staat und Politik schnell erkennen – so weit hatte sich unser Gastgeber im Vorfeld des besagten Treffens aber garantiert nicht informiert.
Der Einfachheit halber nennen wir ihn mal Herr H. Wir kommen also an, und er führt uns in den Besprechungsraum, um dort seine Vision einer Art Regional-Internetfernsehen mit uns zu besprechen. Auf einem großen Flatscreen startet Herr H. seine PowerPoint-Präsentation. Noch bevor er auf eigentliche Inhalte seines Konzeptes eingeht, beginnt er mit der Begründung, was ihn dazu motiviere, einen privaten und regionalen Internet-TV-Sender ins Leben rufen zu wollen. Die Gründe, in ein solches Vorhaben zu investieren, können vielseitig sein – doch mit den nun folgenden Aussagen von Herrn H. hätten meine Frau und ich niemals gerechnet.
Die letzten Jahre seien von Fake News und von vielen gefährlichen Inhalten geprägt, die vor allem im Internet durch Verschwörungstheorien verbreitet würden. Diese Entwicklung mache Herrn H. Sorgen, und die Gesellschaft sei durch das Treiben sogenannter Querdenker enorm gespalten. Ich zucke kurz zusammen und schaue zu meiner Frau und frage mich, ob ich das jetzt wirklich gehört habe. Professionell, wie wir sind, lassen wir uns aber nichts anmerken und hören Herrn H. weiter zu. Von uns gab es keinerlei Impuls oder keine Frage in diese Richtung, aber ohne auf eine Reaktion zu warten, fährt Herr H. fort. Die Medienlandschaft sei mittlerweile so sehr von Spinnern und Verschwörungstheoretikern beeinflusst, wozu Trump einen enormen Teil beigetragen habe. Dieser Trump habe es mithilfe der Russen geschafft, das amerikanische Volk zu spalten, und er habe beinahe einen Putsch durchgeführt. Trump sei alles zuzutrauen, und genau wegen dieser Gefahr durch Trump und auch Putin sei Herr H. motiviert gewesen, einen eigenen TV-Sender ins Leben zu rufen – damit die Bevölkerung eben nicht auf diese billigen Tricks der Manipulation hereinfalle.
So wirklich hatte ich das alles zu dem Zeitpunkt nicht verstanden. Ich war amüsiert und blickte immer wieder etwas verstört zu meiner Frau, die sich spätestens seit der Aussage, es gebe sogar so wirre Menschen, die sich sicher seien, die Mondlandung habe es nicht gegeben, sehr schwer damit tat, vor Lachen nicht unter den Tisch zu rutschen. Herr H. führte weiter aus, wie er jetzt aus eigener Tasche einen staatstreuen TV-Sender aufbauen wolle, um die Gesellschaft vor Fake News und Verschwörungstheoretikern zu schützen. Meine Frau stellte die ein oder andere Frage, doch Herr H. ging nicht wirklich drauf ein, denn ihm war es wichtiger, uns vor der Gefahr der russischen Hackerangriffe zu warnen, denn Putin habe nur eines im Schilde: den inneren Frieden in Deutschland zu zerstören – dafür seien ihm alle Mittel recht. Ich frage mich noch heute, woher Herr H. dieses Insiderwissen zu Putin und Trump wohl haben mag.
Selten habe ich so viele unqualifizierte und vor allem ideologisch geprägte Standpunkte von einem Menschen am Stück gehört. Vieles von dem, was Herr H. als Fakt darstellte, ist bereits von seinen so hochgelobten Staatsmedien widerlegt worden, was jedoch für ihn kein Grund ist, diese Narrative zu hinterfragen. Irgendwie war es zwar eine amüsante Erfahrung, aber zugleich auch sehr erschreckend.
Was lernen wir daraus, werden Sie sich vielleicht fragen? Herr H. ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich Staatspropaganda verselbständigt und Menschen ganz ohne Bezahlung zum Sprachrohr der Herrscherkaste werden. Dieser Aspekt war mir in diesem Grad noch nicht bewusst, doch bietet er in meinen Augen eine bessere Erklärung dafür, wieso unsere Gesellschaft so gespalten ist. Denn das liegt nicht an Trump oder Putin, sondern am blinden Gehorsam gegenüber der staatlichen Autorität und den Staatsmedien.
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