Bauernprotest: Einmal Hooge - Schlüttsiel und zurück
(K)eine Grenzüberschreitung
von Johann A. Hellerich (Pausiert)
von Johann A. Hellerich (Pausiert) drucken
Die Empörung ist groß. Ein Mob von rechten, blitzradikalisierten Treckerfahrern hat unseren Wirtschaftsminister (angeblich nebst Familie) brutal angegriffen und zur Flucht gezwungen. Es ist eine Grenzüberschreitung, so lesen wir, alles und jeder muss sich nun distanzieren und der Protest der Bauern gegen „Subventionskürzungen“ ist natürlich nunmehr illegitim. Robert Habeck ist einfach ein Pfundskerl. Obwohl er nach den Feiertagen eigentlich noch gar nicht wieder im Dienst war, marginalisiert er ganz alleine den wütenden, umstürzlerischen Bauernaufstand und weist die Landwirte auf ihren Platz zurück: zu Scholle, Hof und Vieh. Die Republik, nein, besser: die Demokratie kann wieder aufatmen. So in etwa lautet das (Wunsch-) Ergebnis von Robert Habecks Weihnachtsurlaub und so wird es in den sozialen Medien unter dem Hashtag #habeck mit abstrusen Forderungen ausgeschlachtet.
Wer nun aber die rote Pille geschluckt hat, gibt sich mit dieser schönen Geschichte des Kindermärchenonkels nicht wirklich zufrieden. Wie immer, fragt man sich: Cui bono? Wem nützt es?
Am Tag dieses ungeheuren Geschehens wurde der oben abgebildete Aufruf als Weiterleitung in einer Bauern-Protest-Whatsapp-Gruppe gepostet, der ich angehöre. Das war um 13:04 Uhr. Die Anzahl dieser Whatsapp-Gruppen sind mit Beginn der Bauernproteste um den 20. Dezember 2023 explodiert. Ohne mein Zutun wurde ich an nur einem Tag in fünf verschiedene Kanäle aufgenommen. Es ist davon auszugehen, dass die „Einladung“ zum Bürgerdialog mit unserem Lieblings-Kinderbuch-Co-Autor in Dutzenden, wenn nicht Hunderten von Social-Media-Kanälen geteilt wurde. Dass Polizei, Verfassungs- oder Staatschutz diese Nachricht nicht zeitnah mitgelesen haben, ist im bestüberwachten Deutschland aller Zeiten völlig abwegig, schließlich haben wir ja nichts zu verbergen. Es bleibt also nur noch die Erkenntnis, dass diese gesamte Schmierenkomödie so geplant oder aber zumindest billigend in Kauf genommen worden ist, um brauchbare Bilder zu erzeugen und das Narrativ eines wütenden, rechtsradikalen und somit illegitimen Bauernmobs versus den armen, schutzlosen, treudoof aus Knopfaugen schielenden, im Norweger-Strickpullover kulturaneignenden, doch immerzu nur das Beste wollenden, sich stets für uns aufopfernden Robert.
Doch obwohl die Bauern friedlich blieben und es demnach keine brauchbaren Bilder von Gewalttaten gibt, ist der Plan, zumindest für die Schlucker der blauen Pille, aufgegangen, denn die nicht vorhandene Gewalt wird einfach orchestral und gesamtmedial herbeiphantasiert. Große Lettern der Empörung auf allen Blättern und Kanälen der Mittelstrahlmedien, Spaltung der Bauernschaft, buckelnde Distanzierung der „Interessensvertreter“ des Deutschen und schleswig-holsteinischen Bauernverbands, ebenso großflächige Distanzierung aller namhaften und namenlosen Politiker aller sogenannten demokratischen Parteien. Wie in allen guten totalitären Systemen haben die Eliten nur ein hehres Ziel im Visier: sofortige Zersetzung des Widerstandes durch Kriminalisierung und einhergehende Spaltung.
Vergebens sucht man auf den Videoaufnahmen von der „Beinahe-Stürmung“ der Fähre Szenen von der allerseits angeprangerten brutalen Gewalt, die von den Bauern ausgehen soll. Das nach Ablegen der Fähre aufkommende harmlose Geschubse ist allein von der Polizei initiiert, die schließlich auch noch Pfefferspray einsetzt. Das muss man sich einmal vorstellen. Da möchten circa 100 geschröpfte, steuerzahlende Landwirte den Wirtschaftsminister ob seiner desaströsen Politik zur Rede stellen und dieser setzt stattdessen konsequenterweise keinen Fuß auf das (Fest-) Land, mit dem er noch nie etwas anfangen konnte. Stattdessen lauten die Kommandos „Volle Fahrt zurück“ (leider nur für die Fähre) und „Pfefferspray marsch!“.
Politiker, die – ob aufgrund von Feigheit, Unzulänglichkeit oder anderen Gründen – den Dialog mit dem Souverän verweigern, sich selber schämen, ihre Politik zu erklären, und mit ihrer vermeintlichen Expertise gar nicht überzeugen wollen, den Wähler als Kunden zu gewinnen, müssen umgehend die politische Bühne verlassen und sollten sofort eine sinnvolle Arbeit aufnehmen. Ich habe Nachbarn, die brauchen Hilfe beim Stallausmisten.
Entfernt erinnert die Geschichte an die herbeiphantasierten Hetzjagden von Chemnitz und die angeblich umstürzlerische Stürmung des Reichstages im August 2020. Hier reichten jedoch drei Polzisten aus, um die rund 400 den Rechtsstaat einfordernden Menschen zu stoppen. Berliner Polzisten sind eben ein anderes Kaliber als nordfriesische. Andererseits hatten die Berliner Revolutionäre keine Traktoren. In einem Land, dessen Verteidigungsminister der eigenen Armee die Verteidigungstüchtigkeit abspricht und dennoch freigiebig das letzte bisschen brauchbare Material an korrupte Regime verschenkt, werden Traktoren und landwirtschaftliche Großgeräte ganz automatisch zu immer fürchtenswerteren Waffen.
Nur Traktorverbotszonen können diese Revolte noch stoppen, aber wenn das nicht gelingt, heißt es bald: Finanzämter zu Scheunen!
Kommentare
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