19. Februar 2024 22:00

Der Tod von Alexei Nawalny Gute Nazis, schlechte Nazis

… am besten sind tote Nazis!

von Johann A. Hellerich (Pausiert)

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Bildquelle: krassotkin (CC BY-SA 4.0 Deed) / Wikimedia Für den Westen ein ganz klarer, bereits gelöster (Kriminal-) Fall: Links der Täter – rechts das Opfer

Sind es nicht aufwühlende, sehr emotionale Zeiten? Soeben haben wir noch gegen die große Bedrohung von Rechts demonstriert, zu Hundertausenden uns im Lichtermeer untergehakt und stolz zur Schau getragen, wie mutig wir uns den Nazis widersetzen können. Unsere Großeltern schauten beschämt aus dem Himmel herunter und erkannten endlich, wie einfach doch der Faschismus aufzuhalten ist. Man muss sich nur mit den anderen von #wirsindmehr trauen, gemeinsam Haltung zu zeigen. Hans und Sophie Scholl schauten nicht zu. Sie haben keine Enkelkinder. Aus Gründen. Der Grund für die Aufmärsche von uns Anständigen, Sie erinnern sich sicher, war die so geraunte geheime Wannseekonferenz 2.0, auf der die Durchführung von millionenfachen Deportationen, sogar von deutschen Staatsbürgern hätte beschlossen und geplant worden sein können.

Eben noch vollen Mutes, dass wir die Nazis gestoppt haben, folgt plötzlich ein krasser Emotionswechsel. Wut und Trauer stehen nun auf der Agenda. Alexei Nawalny ist am 16. Februar 2024 in seinem russischen Gefängnis gestorben. Nun gilt es, Entrüstung und Betroffenheit zu zeigen, und unisono hagelt es sogleich mediale Beileidsbekundungen von allen Aufrechten und sogar von den so gar nicht Aufrechten. Über diese wird sich nun wiederum entrüstet, denn Björn Höcke ist ja ein vermeintlicher Putin-Freund und würde, wäre er in Russland Dissident, schon aus dem Fenster geschubst worden sein – so kann man es zumindest auf X lesen. Höckes Post wurde denn auch von vielen „Anständigen“ mit „anständigen“ Kommentaren versehen und geteilt, nicht ohne damit schubkarrenweise Streisand ins eigene Getriebe zu streuen und die Reichweite des thüringischen Vorsitzenden der Schwefelpartei zu exponenzieren. Auf keinen Fall darf man die „Ermordung“ Nawalnys durch Putin – endlich mal ein Kriminalfall, der schnell gelöst wurde – mit dem Schicksal Julian Assanges in Verbindung bringen. Das wäre schäbig. So etwas machen daher nur die Rechten. Wer also als Linker eigentlich der Meinung ist, Kriegsverbrechen gehörten aufgeklärt und nicht vertuscht, schweigt besser, zumindest wenn er links bleiben will. 

Wie so viele aktuelle Ereignisse kommt auch der Tod des 47-jährigen Nawalnys für einige Protagonisten zu einem nicht ungelegenen Zeitpunkt. Das Interview Tucker Carlsons mit Wladimir Putin war eine Woche vorher aufgenommen und innerhalb dieser Zeit rund eine Milliarde Male aufgerufen worden. Es hat das Bröckeln der Kriegsfront im Westen, vor allem in den USA deutlich verstärkt. Kann die niemals zu hinterfragende Schuldzuweisung, dass Putin Nawalny auf dem Gewissen hat, der kriegsmüden Bevölkerung noch einmal auf die Beine helfen und sie so dazu ermuntern, sich noch ein paar Milliarden Dollars und Euros vom militärisch-industriellen Komplex aus der Tasche ziehen zu lassen? Dass Nawalnys Frau keine fünf Stunden nach dem Tode ihres Mannes auf der Münchener Sicherheitskonferenz eine Rede hielt, in der sie pathetisch die Bekämpfung des „Bösen“ beschwor, anstatt – wie sie selbst nicht ohne Stolz zugab – in diesem Moment bei ihren Kindern zu sein, verstärkt den Eindruck, dass wir just eine weitere Sequenz einer großangelegten Inszenierung vorgespielt bekommen. An der anschließenden „Freedom Night“ mit gut gelaunten „drittklassigen Buffetjournalisten und Instagrampolitikern“ (so Don Alphonso auf X) beteiligte sich die junge Witwe nicht – hoffentlich.

Der Tod Nawalnys muss aber nicht zwingend nur der Stärkung des Durchhaltewillens dienen. Zu befürchten ist auch eine weitere Eskalationsstufe des Krieges. Bereits im Jahr 2021 drohte der US-Präsident Putin, dass die Folgen für Russland verheerend sein würden, falls Nawalny in der Haft etwas zustoße. Dass Biden – zumindest, wenn es ihm vergönnt ist, sich zu erinnern – seine Drohungen auch wahrmacht, wissen wir spätestens seit der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines im September 2022. Die Zerstörung der wichtigsten Gasleitungen Deutschlands hatte er im Beisein des deutschen Bundeskanzlers knapp acht Monate vorher für den Fall, dass Russland die Ukraine angreifen sollte, angekündigt. Wer den Weltfrieden will, sollte für Bidens Demenz beten.

Ich weiß nicht, wer Alexei Nawalny ermordet hat. Es ist sowohl Putin als auch den USA zuzutrauen. Als oberster Gefängniswächter hätte Putin die Möglichkeit gehabt, den Mord so zu inszenieren, dass seine Hände zumindest in Unschuld gewaschen wären, wie beispielsweise über eine gewaltsame Gefängnisrevolte. Für den CIA wäre es sicherlich nicht sonderlich schwierig, auch in einem russischen Gefängnis zuzuschlagen. Laut offizieller Erzählung hat Nawalny 2020 einen Giftanschlag überlebt. Möglicherweise haben Langzeitfolgen dieses Attentats nun seinen Tod ausgelöst. Auch das Tabuthema Übersterblichkeit sollte nicht unerwähnt bleiben. Gerade bei vielen relativ jungen Menschen ist es offenkundlich modern, plötzlich und unerwartet aus dem Leben zu scheiden.

Plötzlich, aber weniger unerwartet sterben seit 2014 und vermehrt seit 2022 Hunderttausende Menschen in der Ukraine. Wirkliche Soldaten gibt es kaum noch. Fast alle Ukrainer, wenn sie sich nicht der Elite zugehörig wissen, müssen damit rechnen, zwangsrekrutiert und kurzerhand an der Front als Kanonenfutter geopfert zu werden. Über das Blutvergießen und die Sinnlosigkeit des Krieges verlor Julija Nawalnaja übrigens kein Wort. Das ist schade. Es hätte ihrer Rede Sinn und Glaubwürdigkeit gegeben.

Diplomatische Vorstöße, die das Morden stoppen und den Konflikt dauerhaft beenden könnten, scheut der Westen wie der Teufel das Weihwasser. Die diesjährige Münchener Sicherheitskonferenz tagt unter dem euphemistischen Motto „Frieden durch Dialog schaffen“, hat aber Russland von vornherein ausgeladen. Diese politische Kaste ist frei von jedweder Scham, uns ins Gesicht zu lügen, und von jedwedem Mitgefühl mit den Versehrten ihrer Politik. Wer wirklich solidarisch mit den Opfern wäre, würde sofort auf diplomatische Lösungen drängen. Diese ist nicht nur nicht tabu und völlig abwegig, sondern ihre eigentliche Grundlage und somit die Handlungsoption ist analog zur Gasversorgung via Pipelines bereits im Vorfeld vom Westen sabotiert worden, wie es Angela Merkel in einem Anflug von Ehrlichkeit zugab, als sie einräumte, dass vom Westen niemals geplant gewesen sei, das Minsk-2-Abkommen einzuhalten, sondern dass es nur darum gegangen sei, Putin hinzuhalten, bis die Ukraine militärisch für einen Konflikt gewappnet war. Die Glaubwürdigkeit des Westens, für eine diplomatische Lösung eminent, hat sich damit in Luft aufgelöst.

„Nawalny wird der Messias des neuen Russlands sein“, jubelt der „Spiegel“. Tote eignen sich zur Glorifizierung immer noch am besten, denn sie können dem Narrativ, für das sie missbraucht werden, ja nicht mehr widersprechen.

„Nawalny ist ein wirklicher Held. Der ist ermordet worden durch das Regime von Putin“, behauptete Robert Habeck, deutscher Demontageminister und Deputy-Kinderbuchschreiber noch am Tag des Todes. Sicherlich bedarf es einer gewissen Chuzpe, sich einem korrupten und repressiven Regime entgegenzustellen. Das haben sich in Deutschland nur circa 20 Prozent getraut, als sie sich weigerten, die staatlich verordnete Genspritze anzunehmen. Als sie für ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit millionenfach spazieren gingen – Demonstrieren war ja verboten –, wurde Ihnen von regierungstreuen Antifanten und öffentlich-rechtlicher Haltungsjournalie entgegengeschrien: „Man marschiert nicht mit Nazis!“

Alexei Nawalny marschierte mit Nazis beim sogenannten „Russischen Marsch“. Darunter waren auch Zaristen, also die russischen Reichsbürger und Imperialisten, die von einem neuen Panslawismus und Großrussland inklusive Ukraine träumen. Er bezeichnete nichtethnische Russen als Fliegen, Kakerlaken und Nagetiere (Strack-Zimmermann und Steinmeier haben diese Entmenschlichungen unlängst plagiiert) und forderte, russischen Staatsbürgern kaukasischer Abstammung die Staatsbürgerschaft zu entziehen, um sie sodann „rechtmäßig“ deportieren zu können. Homosexuelle sollten weggesperrt werden. Wegen seiner unzähligen rassistischen und nationalistischen Äußerungen erkannte ihm sogar Amnesty International 2021 den Status als „gewaltlosen politischen Gefangenen“ ab. Wer sich aufgrund des Todes solcher Leute vor wessen Karren auch immer spannen lässt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

In welchem Zustand ist eigentlich die russische Opposition? Der selbsternannte Wertewesten muss sich offenbar solch fragwürdiger Figuren wie des toten Nawalnys bedienen, um sie als Maskottchen für seinen Regime Change in Russland auf den Schild zu heben.


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