Wahlkampfgetöse: Doktor Habecks Ungeheuer
Warum man Schmutzkampagnen besser Linken überlassen sollte
von Oliver Gorus
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„Die Besonderung und Entgegensetzung des Allgemeinen und des Einzelnen wie auch die Übersetzung des diskursiven Denkens in die poetische Vorstellung geschieht durch die und in der Sprache.“ Dieser Satz ist nicht nur stilistisch grauenhaft mit seinen schrecklichen Substantivierungen, unter Lektoren „Ungeheuer” genannt, er ist nicht nur inhaltlich äußerst blutarm und beim Leser auf Bedeutungsschwangerschaft positiv getestet, er ist auch noch abgeschrieben. Ja, das ist ein Satz aus der Dissertation von Doktor Habeck, an der der Titel das Beste zu sein scheint: „Die Natur der Literatur“.
Der „Plagiatsjäger“ Stefan Weber nennt diese akademische Arbeit eine „Wissenschaftssimulation“, weil Doktor Habeck nicht nur effektvolle Passagen abgekupfert hat, sondern insbesondere bei der Quellenarbeit unzulässig abgekürzt hat, wie Weber an über 100 Stellen nachweist. Doktor Habeck schrieb dabei sogar an mehreren Stellen Zitierfehler ab, indem er zum Beispiel ein falsches Publikationsjahr oder einen Zahlendreher bei den Seitenangaben oder eine falsche Schreibweise eines Autorennamens kurzerhand von seinen Plagiatsopfern übernahm. Er sparte sich also die Auseinandersetzung mit den Primärquellen, stattdessen klaubte er auf dreiste Weise Sekundärquellen zusammen, die er als seine eigenen Gedankengänge präparierte.
Ist das unehrlich? Ja, natürlich. Ist das betrügerisch? Meines Erachtens ja. Sollte man ihm den Doktortitel aberkennen? Ich habe die Dissertation nicht gelesen, sondern nur das Plagiatsgutachten durchgesehen. Die Passagen, die ich da gesehen habe, sind grauenhaft geschwollenes Intellektuellengespreize, ich würde mir diese Lektüre nur unter erheblichen Zwängen antun. Allerdings kann ich darum auch nicht beurteilen, ob die eigenständige wissenschaftliche Leistung Habecks und damit die Schöpfungstiefe des nicht plagiierten Werkanteils so groß ist, das sie das Abkupfern aufwiegt. Ich finde allerdings schon, dass so etwas an einer deutschen Universität nicht vorkommen sollte und man auf diese Weise keinen Doktortitel erwerben können sollte. Da hat an der Uni Hamburg wohl jemand seinen Job nicht gemacht.
Viel wichtiger an dieser ganzen Sache ist allerdings, dass gerade Wahlkampf ist. In anderthalb Wochen stellen sich auch die Grünen mit ihrem Spitzenkandidaten Doktor Habeck zur Bundestagswahl. Der Plagiatsjäger hat ausgerechnet die Zeit so kurz vor der Wahl ausgewählt, um mit seinem Gutachten an die Öffentlichkeit zu gehen. Nach eigenen Angaben erhoffte er sich so größere Aufmerksamkeit.
Ich halte das für eine schlechte Idee. Zwar ist es natürlich völlig richtig, Politikern, die ihre akademischen Weihen auf betrügerischem Weg erworben haben, den Titel vom Namen wegzuschlagen, aber dieser Sache hat Weber möglicherweise durch sein Timing einen Bärendienst erwiesen. Zudem hat er sein Gutachten in einem früheren Stadium einem Journalisten der „FAZ“ unter dem Siegel der Vertraulichkeit offenbart. Wie naiv kann man sein? Die „FAZ“ ist schon lange zu den linken Propagandisten übergelaufen. Erwartungsgemäß hat dieser Journalist das Gutachten an Doktor Habeck durchgestochen, sodass dieser sich vorbereiten und eine Taktik für den Umgang mit dieser Affäre zurechtlegen konnte.
Persönliche Angriffe gegen populäre Spitzenpolitiker, bei denen der Zielperson der Kampagne ein Fehlverhalten von vor Jahrzehnten vorgehalten wird, sind mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Schuss in den Ofen oder gehen sogar noch hinten los, je nachdem, wie geschickt sich die Zielperson verhält. In der verunglückten Schmutzkampagne der „Süddeutschen Zeitung“ gegen Aiwanger stellte sich ein Solidarisierungseffekt mit dem Angegriffenen ein, der ihm bei der Wahl sogar zusätzliche Prozente bescherte und den ohnehin ramponierten Ruf der „SZ“ weiter zerstörte.
Ähnlich könnte es auch in der Causa Doktor Habeck ausgehen. Doktor Habeck kam seinem Jäger zuvor, er wandte sich proaktiv mit einem Video über die Social Media an die Öffentlichkeit. Er führte Zeugen an, die seine Unschuld bestätigten, griff seinerseits den Plagiatsjäger persönlich an, bagatellisierte die Vorwürfe und ging sehr geschickt in die Opferrolle, indem er darum bat, seine Frau, deren Doktorarbeit gerade ebenfalls von Weber geprüft wird, aus der ganzen Sache herauszuhalten.
Das ganze Statement von Doktor Habeck ist sehr gut formuliert, er hat mit seinem Team hart daran gearbeitet, aus einem Angriff mittels Medien-Judo einen Punktsieg zu machen. Er hat Weber komplett den Wind aus den Segeln genommen und steht jetzt als Opfer einer Schmutzkampagne da, konnte sympathiegewinnend seine Frau beschützen und den Angreifer diskreditieren.
Selbstverständlich sollte Betrug aufgeklärt und zu Unrecht getragene Titel aberkannt werden. Aber wer so ein Thema in der Endphase eines Wahlkampfs hochjazzt, begibt sich auf das Terrain der Ad-hominem-Schlammschlachten – und das ist traditionell der Home Turf der Linken.
Die Familie gleich mit angreifen, um Sippenhaft wirken zu lassen, oder uralte Charakterschwächen hervorholen, um damit den heutigen Charakter anzuzweifeln, das sind in der Tat schmutzige, typisch linke Methoden. Doktor Habecks Charakter ist nicht deshalb anzuzweifeln, weil seine Frau einmal Charakterschwäche bewiesen hat. Das ist nicht zulässig. Und auch sein Ich von vor 25 Jahren ist kein Gewährsmann für seine heutigen Stärken und Schwächen. In einem Vierteljahrhundert kann sich ein Mensch so stark weiterentwickeln, dass aus einem Saulus ein Paulus werden kann. Das kann ich bei Doktor Habeck zwar nicht erkennen, aber da man die Ausformung des Charakters und die Arbeit an seinen Schwächen jedem Menschen zugestehen muss, sind solche biographischen Kampagnen grundsätzlich unfair. Auch in der Gegenwart würde man genügend Unehrenhaftigkeiten finden – wozu da in der Vergangenheit wühlen?
Auch das Argument, dass den Linken so mit gleicher Münze heimgezahlt wird, zieht meines Erachtens nicht, denn man bekämpft schlechtes Benehmen nicht mit schlechtem Benehmen. Der Plagiatsjäger hätte schlicht letzten Herbst oder nächsten Sommer an die Öffentlichkeit treten sollen, um mit seinem berechtigten Anliegen jetzt nicht mit dem Wahlkampf zu kollidieren.
So aber wurde Doktor Habeck das Geschenk gemacht, dass über diese olle Doktorarbeit geredet wird anstatt über seine desaströse Leistungsbilanz als der schlechteste Wirtschaftsminister seit Gründung der Bundesrepublik. Es gibt so viele sachliche Inhalte, mit denen Habeck ehrenhaft und zu Recht bekämpft werden könnte – er wurde meines Erachtens von Union und FDP viel zu sehr geschont. Und jetzt kann er aus dieser Plagiatsaffäre womöglich sogar noch einen Sympathieprozentpunkt saugen …
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