12. Februar 2025 18:00

Deutscher Bundestag Die demokratische Mitte, die keine ist

Über einen turbulenten Tag in Berlin

von Joana Cotar

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Bildquelle: Juergen Nowak / Shutterstock Ein „gewöhnlicher“ Arbeitstag im Bundestag: So ruhig verlief der 29. Januar wohl eher nicht …

Seit circa siebeneinhalb Jahren sitze ich nun im Deutschen Bundestag und ich habe bereits viele, wirklich viele absurde, skurrile, unfassbare Momente im Plenum oder in den Ausschüssen erlebt – doch das, was in der ersten Sitzungswoche dieses Jahres passiert ist, und die sich daraus ergebenden Folgen beschäftigen noch immer nicht nur mich, sondern die ganze Republik.

Vorneweg sei Artikel 38 Grundgesetz Absatz 1 zitiert: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“

Nun hat die Union am 29. und 31. Januar etwas Urdemokratisches gemacht. Sie hat einen Antrag und ein Gesetz im Bundestag zur Abstimmung gestellt. Diesen konnten wir Abgeordneten zustimmen oder nicht. Ein ganz normaler Vorgang, so sollte man meinen, doch da haben wir die Rechnung ohne die sogenannte „demokratische Mitte“ gemacht. Die verfiel in komplette Aufregung, weil die AfD angekündigt hatte, beiden Unionsvorschlägen zuzustimmen. Es brach eine Hysterie aus, von der sich Deutschland bis heute noch nicht erholt hat.

Dabei sprach niemand über die sinnvollen Inhalte des Antrags und des Gesetzes, sondern Thema war allein die mögliche Zustimmung der AfD und deren Akzeptanz durch die Union. Ein Tabubruch! Zusammenarbeit mit den Nazis! 1933 reloaded! Der Bundestag stand kopf. Aber nicht nur der: Die Mainstream-Presse überschlug sich mit warnenden Schlagzeilen, gut gemästete NGOs wurden aktiv und organisierten „Spontan“-Demos, die „Omas gegen Rechts“ schrieben einen offenen Brief an Merz, CDU-Wahlkreisbüros wurden besetzt, Parteimitglieder bedroht – plötzlich ging auch bei der CDU nichts mehr ohne Polizeischutz. Die AfD kennt das seit 13 Jahren.

Dabei steht die Mehrheit der Bevölkerung hinter den Vorschlägen der Union. Die große Mehrheit will die Wende in der Asylpolitik, sie will den Stopp der illegalen Migration. Zwei Drittel der Menschen befürworten den Merz-Vorschlag, selbst 56 Prozent der SPD-Wähler sind dafür, und auch bei den Grünen finden sich immer noch 30 Prozent, die „Ja“ sagen zu Zurückweisungen an den Grenzen.

Doch um den Mehrheitswillen der Deutschen geht es den selbsternannten Demokraten nicht. Sie sehen ihre Felle davonschwimmen, denn plötzlich wirkt ihre Taktik nicht mehr. Jahrelang brachten sie die Union mit ihrem „Mitte“-Gerede in die Situation, keine Politik mehr ohne ihre Zustimmung machen zu können. Sie fesselten die Konservativen an ihre linke Ideologie. Und die ließen sich – merkelgeprägt – auch viel zu lange widerstandsfrei und freiwillig an die linke Kette legen. Das hieß in der Vergangenheit, dass politische Entscheidungen in Deutschland immer nur noch in eine Richtung liefen: nach links.

Das ist praktisch für SPD, Grüne und Linke, die ganz genau wissen, dass sie die Mehrheiten im Land nicht mehr hinter sich haben. Deutschland ist kein linkes Land mehr. Doch mit dem ständigen Druck auf die Union und den Warnungen vor „Rechts“, konnten sie ihre Politik bisher trotzdem durchsetzen. Und genau das fand in der letzten Sitzungswoche sein Ende. Merz entdeckte, natürlich getrieben durch den Wahlkampf, plötzlich sein Rückgrat und drückte die Abstimmungen durch.

Was war das für ein Drama im Bundestag! Vier Stunden Sitzungsunterbrechung, keiner von uns wusste, wie und wann es weitergeht, mal fehlte die eine Fraktion, dann die andere, zig Krisensitzungen hinter den Kulissen, sogar Angela Merkel persönlich meldete sich, um die Entscheidung Merz’ rückgängig zu machen. Damit kennt sie sich gut aus. SPD-Mützenich bemühte den Begriff des Höllentors, das Merz mit der Abstimmung aufstieße, die Linken riefen zum Sturm auf die Barrikaden, andere sahen bereits Fackelmärsche aufziehen. Allein, es nutzte nichts, Merz blieb hart, wirkte hinter den Kulissen sogar recht entspannt, lachte viel und ließ die Abstimmungen stattfinden. Der Antrag ging durch, das viel wichtigere Gesetz jedoch nicht, weil es zu viele Abweichler bei Union und FDP gab. Druck, Ideologie und Feigheit verhinderten einmal mehr die richtigen Lösungen für unser Land – alles im Namen „unserer Demokratie“ und der „demokratischen Mitte“.

Doch diese angeblich demokratische Mitte ist keine Mitte. Sie ist das Gefängnis, in das sich die Liberalen und Konservativen viel zu lange haben sperren lassen. Einen Vorgeschmack auf das, was möglich wäre, wenn Liberale und Konservative diese Ketten sprengen würden, haben wir im Januar bekommen.

Unser Grundgesetz ist eindeutig, Abgeordnete des Deutschen Bundestages sind „Vertreter des ganzen Volkes“ und „und nur ihrem Gewissen unterworfen.“

Vertreter des ganzen Volkes.
Nur ihrem Gewissen unterworfen.

Der Willen des deutschen Volkes sollte also unser Auftrag sein. Dafür wurden wir gewählt. Und entscheiden sollten wir frei, nicht aufgrund eines Druckes von außen.

Würden SPD, Grüne und Linke inner- und außerhalb des Bundestages unser Grundgesetz ernst nehmen, hätte es das Drama der letzten zwei Wochen und den Druck auf die Union gar nicht geben dürfen. Aber sie verachten nicht nur den Willen des Volkes, sie verachten auch das Grundgesetz. Umso erbärmlicher, dass ausgerechnet diese Parteien für sich in Anspruch nehmen, die „demokratische Mitte“ zu sein. Politiker, die das Grundgesetz missachten, die zufrieden dabei zuschauen, wie ihre Anhänger Mitglieder anderer Parteien bedrohen und die sich aus Machtkalkül und Ideologie den richtigen Lösungen für unser Land versperren, sind nicht die „demokratische Mitte“, sie sind der undemokratische linke Rand. Und es wird höchste Zeit, diesen auch offen als solchen zu bezeichnen.

Ich schreibe diese Zeilen auf dem Weg nach Berlin, um an der letzten Sitzung des 20. Deutschen Bundestages teilzunehmen. Sie wird gleichzeitig auch meine letzte Sitzung sein. Ich bin sehr gespannt, was uns in der letzten Debatte und nach den Wahlen erwartet. Eines ist jedenfalls jetzt schon sicher: Der Gesprächsstoff wird uns sicher nicht ausgehen.


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