Unfassbare Gewaltverbrechen: Amoklauf in Texas
Das Motiv scheint egal – Waffenverbote müssen her!
von Sascha Koll
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Am 24. Mai 2022 ereignete sich mal wieder eine schreckliche Tat. Ein 18-Jähiger erschoss 19 Schüler und zwei Lehrer in einer texanischen Grundschule. Das jüngste Opfer wurde gerade mal zehn Jahre alt. Diese einleitenden Fakten herunterzuschreiben, erschüttert mich wieder zutiefst. Ich kann diese Tat einfach nicht fassen und bemühe mich, nicht nur kopfschüttelnd vor dem Monitor zu sitzen, sondern meine Gedanken dazu etwas zu ordnen. Mir schießen viele Fragen durch den Kopf wie „Warum ausgerechnet eine Grundschule?“, „Was treibt einen Menschen überhaupt zu einer solchen Tat?“, „Was ist sein Motiv?“ und „Wie hätte man diese Tat verhindern können?“.
In den Medien finde ich keine Antworten auf all meine Fragen. Lediglich eine scheinbar einfache Antwort auf die Frage, wie die Tat hätte verhindert werden können: durch schärfere Waffengesetze. Wie üblich ist der Grund für die Tat sehr schnell gefunden: In Texas kann man im Alter von 18 Jahren Schusswaffen legal erwerben. Doch ich glaube, dass das viel zu kurz gegriffen ist und etwas anderes als die bloße Möglichkeit des Waffenerwerbs zu diesem Amoklauf geführt hat. Dem wahren Grund wird aber, wie mir scheint, nicht nachgegangen. Stattdessen krochen kurz nach den ersten Meldungen die Politiker und Politik-Influencer aus ihren Löchern. Mir schien es so, als würden sie sich über den Anschlag freuen, um ihre politische Agenda weiter vorantreiben zu können.
Um nur mal zwei sehr ähnliche Beispiele zu nennen: Texas: „Abtreibung ist Mord!“ oder, auch Texas: „Hier freier, unkomplizierter Zugang zu Waffen! Murcia! Freiheit!“.
„Texas ist ein Staat, wo man Frauen Abtreibungen verbieten will, das mit ‚pro life‘ begründet, und wo man gleichzeitig einen Herzinfarkt bekommt, wenn jemand die heiligen Knarren antasten will.“
In jedem Fall ist hier eine Doppelmoral zu erkennen, die ein konsequent Libertärer mit „Beides erlauben“ beantworten müsste. Doch das ist nicht, was sie erreichen wollen. Sie wollen die Doppelmoral nur umkehren: Abtreibung bis kurz vor der Geburt erlauben und privaten Waffenbesitz und damit effektive Selbstverteidigung und vor allem die in der US-Verfassung verbriefte Verteidigung gegen den Staat verbieten.
Die gleiche hannoverische Kommunikationsexpertin (Twitter-Nutzer werden sie kennen), die für das letzte Zitat steht, teilte kurz darauf einen Artikel der „Zeit“ mit der Überschrift „USA: Wo Waffen mehr zählen als Kinderleben“. Jetzt geht es der Dame wieder um Kinderleben, wo doch durch Abtreibungen täglich mehr Kinderleben ausgelöscht werden als durch alle jemals stattgefundenen School Shootings zusammen. Ich will hier keine Menschenleben gegeneinander aufwiegen, aber diese Heuchelei und der Doppelstandard stören mich in politischen Debatten immer wieder.
Wenn es darum geht, Kinder zu schützen, muss man etwas genauer hinschauen. Doch bevor ich mich mit der Frage „Was treibt einen Menschen überhaupt zu einer solchen Tat?“ beschäftige, möchte ich zunächst auf die Tatmittel eingehen.
Wie bei jeder Tat ist nicht das eingesetzte Mittel entscheidend oder gar verantwortlich dafür, was ein Mensch einem anderen antut. Es ist auch egal, ob das Mittel legal oder illegal ist, wenn die Tat selbst das Verbrechen ist. Hier möchte ich gerne mal auf das Argument eingehen, dass mehr Straftaten mit illegalen Waffen begangen werden als mit legalen. Dies ist in meinen Augen nicht sinnvoll, da es bei einer Legalisierung aller Waffen in jedermanns Hand ausschließlich legale Waffen gäbe und in der Folge jede Straftat mit legalen Waffen begangen würde, was dann den Legalisierungsgegnern in die Karten spielte. Sie könnten dann argumentieren, dass es wieder härtere Waffengesetze brauche. Es ist auch unerheblich, ob das Mittel eine moderne automatische oder eine Repetierwaffe aus dem 19. Jahrhundert ist. Die Waffe selbst tötet keine Menschen. Es sind immer Menschen, die Waffen nutzen, um andere Menschen zu töten. Würden alle Waffen in Privathand verboten, würde zu anderen Mitteln gegriffen. Es gibt etliche Mittel, mit deren Hilfe Menschen getötet werden können. Messer, Kissen, Gift, Chemikalien, Plastiktüten, aber auch Autos werden immer wieder zur Tötung eingesetzt. Ein Wahnsinniger, der keinen Zugang zu Schusswaffen, sich aber das Ziel gesetzt hat, so viele Menschen wie möglich zu töten, wird auch Mittel und Wege finden, dies zu tun – sei es mittels einer Amokfahrt mit Pkw, Lkw oder möglicherweise durch einen Giftanschlag.
Da immer der einzelne Mensch der Ausführende einer solchen Tat ist, ist viel wichtiger, sich nicht mit dem Offensichtlichen, sondern mit den Hintergründen zu beschäftigen. Erst wenn wir verstehen, was die Täter zu einer Tat antreibt, können wir versuchen, diese in Zukunft zu verhindern. Über den Täter aus Texas ist nur wenig bekannt: sein Alter, dass er wenig Freunde hatte und in einem Haushalt ohne Vater aufgewachsen ist, in dem es häufig Stress gab. Über den Grund für seinen Amoklauf lässt sich nur spekulieren. Doch da nicht jeder, der eine Waffe besitzt, plötzlich in eine Grundschule läuft und wahllos auf Kinder schießt, muss nachgeforscht werden, was ihn dazu gebracht hat. Warum war es ausgerechnet eine Grundschule? War er vielleicht in dieser Schule gemobbt worden? Wollte er sich rächen? Aber warum ausgerechnet an Kindern, die nichts zu seinem Leid beigetragen haben?
Hier sehe ich ein weiteres Problem, das sich wie eine Seuche auf dem Planeten ausgebreitet hat: Kollektivismus und Kollektivschuld. Ich spekuliere jetzt mal, dass er sich für seine Kindheit rächen wollte. Viele Leute geben der „Gesellschaft“ die Schuld für ihren Zustand und scheuen auch nicht davor zurück, Unschuldige in Wiedergutmachung und Rache einzubeziehen. Das ist politischer und gesellschaftlicher Alltag. Wenn es für diese Leute vertretbar ist, die Gesellschaft zahlen zu lassen, ist es bis dahin, andere erdachte Kollektive haftbar zu machen, kein weiter Weg mehr. Hier war es vielleicht die Schule, der er die Schuld gab. Dass die Schule heute nicht mehr dieselbe ist wie zu seiner Zeit und dass die Kinder dort nichts mit den Kindern zu tun haben, die ihn damals mutmaßlich gemobbt haben, ist für ein Hirn, das nur noch in Kollektiven denkt, nicht mehr ohne Weiteres begreifbar. Viele Attentate basieren auf Kollektivschuld. Der eine Täter rennt in eine Moschee und erschießt wahllos Muslime, der andere will sich mal um die Juden kümmern, und ein anderer wiederum kann aus seinem Glauben heraus nichts mit den christlichen Werten anfangen und fährt mit seinem Lkw ein paar Leute über den Haufen. Auch School Shootings basieren auf einer solchen Kollektivschuld. Vielleicht sollten wir viel mehr darüber reden wie auch versuchen, potenziellen Tätern Hilfe anzubieten, und den Menschen, die solche Attentate für ihre politischen Forderungen nach mehr Verboten nutzen, den Mittelfinger zeigen. Man kann auch noch darüber diskutieren, ob das staatliche Zwangsbeschulungssystem nicht gerade solche Täter wie den aktuellen selbst produziert. Aber dafür braucht es eine breite und offene Debatte über die Gründe solcher Taten. Ob diese von den sogenannten Verantwortungsträgern gewollt ist, wage ich zu bezweifeln.
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