Wunsch nach Unabhängigkeit: Sezession
Wird sich Texas 2023 von den USA abspalten?
von Sascha Koll
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Wenn ich in Deutschland über Sezession spreche, blicke ich häufig in fragende Gesichter, doch die Bevölkerung von Texas hat eine Vorstellung von diesem Begriff, denn die Geschichte Texas’ ist von Abspaltung und Wiedervereinigung geprägt. Seit einigen Tagen ist bekannt, dass es erneute Sezessionsbestrebungen gibt, über die ich gerne berichten möchte. Doch zuerst möchte ich Sie auf eine kleine Reise durch die texanische Geschichte einladen.
Der Fleck Erde, der heute ein Bundesstaat der Vereinigten Staaten von Amerika ist, wurde ursprünglich von unterschiedlichen Indianerstämmen besiedelt. 1519 kartographierte der Spanier Alonso Álvarez de Pineda die am Golf von Mexiko gelegene Küste von Texas. In der Folge entstanden viele kleine Ortschaften und Missionen im heutigen Staatsgebiet. Die erste Stadt Corpus Christi de la Isleta wurde über ein Jahrhundert später im Jahr 1621 gegründet. 1659 folgte die bei Deutschen bekanntere Stadt El Paso. Texas blieb seit jeher, trotz der Versuche der Franzosen das Territorium zu kolonisieren, spanisch. Die Sezession von Spanien gelang 1821, als Texas ein Teil vom gerade unabhängig gewordenen Mexiko wurde. Doch viele Spannungen sorgen im Laufe der Jahre dafür, dass die Zahl der Separatisten anwachsen konnte, und Texas zog 1835 in den Texanischen Unabhängigkeitskrieg. Im März 1836 wurde die Republik Texas ausgerufen und im April 1836 nach der gewonnenen Schlacht von San Jacinto durch den gefangen genommenen mexikanischen Präsidenten Antonio López de Santa Anna mit der Unterzeichnung eines Friedensvertrages anerkannt. Frankreich und das Vereinigte Königreich erkannten die unabhängige Republik Texas 1839 beziehungsweise 1841 an.
Doch auch Texas war nicht davon befreit, in unterschiedliche politische Lager geteilt zu sein. Eine Gruppe trat für einen raschen Beitritt zu den Vereinigten Staaten ein, eine andere wollte unabhängig bleiben und einen Pufferstaat zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko bilden. 1845, bloß neun Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung, wurde Texas von den USA annektiert, woraufhin der Mexikanisch-Amerikanische Krieg ausbrach, der 1848 mit dem Vertrag von Guadalupe Hidalgo endete.
Im Jahre 1861 kam es durch den Zusammenschluss der Südstaaten zu den Konföderierten Staaten von Amerika zu einem weiteren Sezessionskrieg, der 1865 endete. Texas wurde 1870 wieder zu einem Bundesstaat und damit offiziell in die Vereinigten Staaten eingegliedert.
Die Sezessionsgeschichte Texas wird schon sehr lange geschrieben, ist von vielen Erfolgen, aber letztendlich durch die große Niederlage geprägt. Mit der erneuten Aufnahme in den Staatenbund geben sich Sezessionisten bis heute nicht zufrieden. Immer wieder gibt es Bestrebungen, sich von den Vereinigten Staaten abzuspalten. Und die Rufe nach der Sezession werden in den letzten Jahrzehnten immer lauter, vor allem stets dann, wenn ein Demokrat US-Präsident ist.
Doch Texas steht vor einem Problem: 1869 entschied der Oberste Gerichtshof in der Rechtssache „Texas gegen White“, dass sich Staaten nicht einseitig von der Union abspalten können. Der 1936 geborene und 2016 verstorbene ehemalige Richter des Obersten Gerichtshofs Antonin Scalia schrieb einst: „If there was any constitutional issue resolved by the Civil War, it is that there is no right to secede.“ Auf Deutsch: „Wenn es eine verfassungsrechtliche Frage gab, die durch den Bürgerkrieg beantwortet wurde, dann die, dass es kein Recht auf Sezession gibt.“
Seit wenigen Tagen gibt es jedoch einen neuen Vorstoß der texanischen Republikaner. Sie drängen auf ein Referendum, um zu entscheiden, ob sich Texas von den USA abspalten soll. Die Forderung, dass die Texaner 2023 über das Thema abstimmen dürfen, war eine von vielen Maßnahmen, die nach dem Staatskonvent der vergangenen Woche in Houston auf der Parteiplattform der texanischen Grand Old Party („Große Alte Partei“) verabschiedet wurden. Sie berufen sich auf die Verfassung des Staates Texas von 1876. Genauer auf den Artikel 1, Abschnitt 1, den sie durch die immer übergriffiger werdenden Souveränitätseingriffe aus Washington verletzt sehen.
„Texas is a free and independent State, subject only to the Constitution of the United States; and the maintenance of our free institutions and the perpetuity of the Union depend upon the preservation of the right of local self-government unimpaired to all the States.“
Ins Deutsche übersetzt: „Texas ist ein freier und unabhängiger Staat, der nur der Verfassung der Vereinigten Staaten unterworfen ist; und die Aufrechterhaltung unserer freien Institutionen und der Fortbestand der Union hängen davon ab, dass das Recht der lokalen Selbstverwaltung für alle Staaten ungeschmälert erhalten bleibt.“
Es ist unklar, wie viel Rückhalt diese Bestrebung in der Bevölkerung hat. Laut der Website des „Texas Nationalist Movement“ unterstützen immerhin nahezu eine halbe Million Menschen die Arbeit der Organisation, Texas wieder zu einer unabhängigen Nation zu machen. Ich hoffe, dass der neue Entwurf nicht, wie der im letzten Jahr eingebrachte Gesetzesentwurf des Staatsabgeordneten Kyle Biedermann zum „Texit“-Referendum, scheitert. Biedermann teilte im Dezember 2020 mit: „Die Bundesregierung ist außer Kontrolle und vertritt nicht die Werte der Texaner. Aus diesem Grund verpflichte ich mich, in dieser Sitzung Gesetze einzureichen, die es einem Referendum ermöglichen, den Texanern eine Stimme für den Bundesstaat Texas zu geben, um seinen Status als unabhängige Nation zu bekräftigen. Diese Gesetzgebung stimmt perfekt mit Artikel 1 Abschnitt 2 der texanischen Verfassung überein, der lautet: ‚Alle politische Macht ist dem Volk inhärent, und alle freien Regierungen sind auf ihre Autorität gegründet und zu ihren Gunsten eingesetzt. Der Glaube der Menschen in Texas ist der Wahrung einer republikanischen Regierungsform verpflichtet, und vorbehaltlich dieser Einschränkung haben sie jederzeit das unveräußerliche Recht, ihre Regierung so zu ändern, zu reformieren oder abzuschaffen, wie es für dienlich und zweckmäßig erachten.‘“
Neben dem Agorismus, der Flaggentheorie und Projekten wie den freien Privatstädten ist Sezession eine Möglichkeit, die Freiheit zu maximieren, und daher wünsche ich mir, dass dieser Vorstoß gelingen wird. Großbritannien hat gezeigt, dass missbräuchliche Beziehungen zwischen Staaten beendet werden können. Auch wenn der Weg nicht leicht ist, wie die Scheidung zweier Ehepartner, so ist es doch sinnvoll zu trennen, was sich nicht mehr versteht. Es ist Zeit für einen Neuanfang. Die Staatenbündnisse sind einfach zu übergriffig geworden, und wo Reform und das Betteln um die letzte verbliebene Souveränität nicht helfen, muss versucht werden, die Selbstbestimmung auf anderen Wegen zu erreichen.
Auch in Deutschland gibt es Sezessionsbestrebungen, vor allem durch die Bayernpartei, mit dessen Münchner Bezirksvorsitzenden Alexander Hilger ich neulich ein Interview führen durfte, welches auf Youtube zu finden ist. Ich lade Sie dazu ein, es sich einmal anzuhören.
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