Staatsglaube und Negatives: Was machen wir hier eigentlich?
Hören wir auf damit, immer nur Nein zu sagen – sagen wir Ja zum Positiven
von Sascha Koll
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Was machen wir hier eigentlich? Und wen meine ich mit wir? Am Ende muss ich mir die Frage stellen, was ich selbst hier mache.
Wir bezeichnen uns als Libertäre: Menschen, denen Freiheit ein hohes, wenn nicht sogar das höchste Gut ist. Viele von uns haben begriffen, dass Freiheit und Herrschaft unvereinbar miteinander sind, und lehnen das ab, was Gläubige als Staat bezeichnen. Die, die konsequent den Glauben an die Autorität ablehnen, sind nicht nur offen Regierungsfeinde, sondern auch bekennende Staatsfeinde. Doch ist es nicht so, dass wir, die wir den Staat bekämpfen wollen, ein Wesen zu bekämpfen versuchen, das gar nicht existiert, gar so, als würde man Gott bekämpfen wollen?
Wie ich bereits in meinem Beitrag „Staatsglaube: Etatismus ist eine gefährliche Religion“ schrieb, gibt es keinen Staat. Es gibt lediglich einen Glauben an Autorität. Dieser Glaube ist zugleich die Ablehnung des Selbsteigentums. Der Glaube an eine Autorität, die scheinbar rechtmäßig jemandem vorschreiben kann, was er zu tun und zu lassen hat, ist widersprüchlich. Allein den Gedanken, denken zu können, ohne den Herrscher vorher um Erlaubnis bitten zu müssen, widerlegt die Herrschaft selbst. Indem wir die Herrscher ernst nehmen oder auch nur ihre Entscheidungen ins Lächerliche ziehen, machen wir uns zu deren Erfüllungsgehilfen. Sie sind nicht ernst zu nehmen, ihre Entscheidungen sind nicht legitim. Sich überhaupt mit ihnen zu beschäftigen, nährt den Glauben an die Autorität.
Libertäre, die der Meinung sind, Freiheit ließe sich durch politische Beteiligung erreichen, denken, auch ein Mädchen könnte nur dadurch ihre Jungfräulichkeit behalten, indem es mit der gesamten Fußballmannschaft schläft. Es ist ein irrsinniger Glaube, dass durch Herrschaft Freiheit entstünde. Was wir eigentlich tun müssten, ist, sie nicht mehr zu beachten, sie wegzudenken. Wir kennen alle die Parole „Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin“. Was ist, wenn wir uns vorstellen, es ist Staat, und keiner macht mit? Dann hätten wir nur noch ein paar Spinner in Berlin und Brüssel herumlaufen, die sich regelmäßig versammeln, ihr Märchen von Herrschaft erzählen und über neue Regeln abstimmen, die niemand befolgen wird. Sie wären nichts anderes als Reichsbürger, die ihre Phantasie-Pässe drucken und glauben, etwas Besonderes zu sein.
Was wäre eigentlich, wenn man Ihnen nie erzählt hätte, dass es so etwas wie einen Staat gibt? Stellen Sie sich mal vor, Sie wüssten mit dem Wort Politiker nichts anzufangen, hätten niemals ferngesehen oder Zeitung gelesen. Vielleicht wären Sie an einem Ort aufgewachsen, der nie von der restlichen Welt besucht worden wäre. Wüssten Sie dann überhaupt, dass es Menschen gibt, die Ihnen ständig ihren Willen aufzwingen wollen? Ich denke, dass Sie sich spätestens mit der Annahme eines Jobs in der Zivilisation fragen würden, was dieser Posten in Ihrer Abrechnung ist, der sich Steuern nennt. Sie würden fragen, wer Sie Ihres verdienten Einkommens beraubt, und das nicht einfach so hinnehmen. Erst durch Ihre eigene Anerkennung des Staatsglaubens erkennen Sie die Legitimität des Raubes an. All das Unrecht in der Welt geschieht nur, weil Menschen an Autorität oder legitime Herrschaft glauben. Ganz ohne Glauben gäbe es niemanden, der überhaupt auf die Idee käme, „Steuern“ auf einen Lohnzettel zu drucken. Jemanden, der zu Ihnen käme, weil Sie eine bestimmte Abfolge von Geräuschen mit Ihrem Mund gemacht hätten, und der Sie dafür bestrafen wollte, würden Sie doch nur auslachen, oder? Ohne Glaube an eine Autorität würde sich auch niemand verpflichtet fühlen, in den Krieg zu ziehen.
Wie sähe die Tageszeitung aus, wenn es keinen Herrschaftsglauben mehr gäbe? Was bleibt noch übrig, wenn Menschen, die meinen, sie hätten mehr Rechte als alle anderen Menschen, nur noch Witzfiguren sind, über die man sich gelegentlich lächerlich macht? Da bleiben nur noch Klatsch und Tratsch, Sport, der letzte Feuerwehreinsatz und andere bewegende Ereignisse. Skandale und Verbrechen werden sicher auch weiterhin ein Thema bleiben, da sich niemand ernsthaft vorstellt, dass eine Welt ohne Staatsglaube utopisch gut wäre. Nehmen Sie sich doch mal die aktuelle Tageszeitung vor und streichen Sie jeden Artikel, der im Entferntesten etwas mit Politik zu tun hat oder die Folge des Glaubens an die Autorität ist. Wenn Sie ein sogenannter Wutbürger sind, werden Sie erleichtert feststellen, dass es trotzdem noch genug gibt, über das Sie sich mit Freude aufregen können.
Ich jedoch möchte mich nicht mehr über den Kult des Bösen aufregen. Eigentlich möchte ich mich überhaupt nicht mehr mit ihm beschäftigen. Mittlerweile erlebe ich eine kognitive Dissonanz, wenn ich über den Staat oder politische Autoritäten spreche oder schreibe, als würden sie tatsächlich existieren. Bestimmte Folgen politischen Handelns treffen mich wie jeden anderen auch. Aber hilft es mir, die Rechtfertigung der Politiker dazu zu hören? Deren Gründe zu kennen und mich darüber aufzuregen, ändert nichts an dem realen Zustand, in dem ich mich befinde. Eigentlich frisst die Beschäftigung mit Politik nur Zeit und Energie, die ich dafür aufwenden kann, um die Folgen ihrer Entscheidungen abzumildern. Solange es Menschen gibt, die an die Autorität glauben, werde ich die Folgen ihres Glaubens zu spüren bekommen, ob ich jetzt selbst daran glaube oder nicht. Doch hilft das, was ich gerade mache, wirklich irgendjemanden? Hilft es mir selbst, wenn ich mich wöchentlich über die geisteskranken Gläubigen des Kults lustig mache? Sollte ich mir nicht lieber Wissen aneignen und weitervermitteln, das tatsächlich einen Mehrwert für mich und meine Mitmenschen hat? Eigentlich sollte ich keinen Podcast aufnehmen, der darlegt, wie Scheiße doch alles ist, und Artikel schreiben, die die Hoffnungslosigkeit betonen, sondern einen Selbstversorger-Blog betreiben, wobei ich denke, dass auch das andere viel besser können als ich. Ich könnte mich auch darauf konzentrieren, Positives zu berichten, mit Mythen aufzuräumen, aber das haben auch schon so viele vor mir getan. Ich habe den Eindruck, im libertären Umfeld ist bereits alles gesagt. Ich kann zum wiederholten Male in eigenen Worten schreiben, warum Deflation kein Problem ist, doch Jörg Guido Hülsmann hat es bereits hervorragend in einem Vortrag beim Mises Institute in Auburn (Alabama) erklärt. Das Wissen wird uns auf dem goldenen Serviertablett gereicht, und ich habe das Gefühl, dieses Wissen nur stumpf zu wiederholen, wo doch eine einfache Link-Sammlung zu den Originalquellen reichen würde.
Natürlich ist mir bewusst, dass ich durch meine Artikel, Videos, Graphiken und Podcasts auch neue Leute erreiche, die sich daraufhin mehr mit der Freiheit beschäftigen, doch fühle ich mich teilweise wie ein Chronist des Untergangs und nicht des Aufbruchs in eine freie Gesellschaft. Ich erlebe seit einigen Jahren mit, wie unsere antipolitische Nische immer mehr Zuspruch findet, doch ist mir alles zu viel Untergang und Verderben, einfach zu viel Negatives. Ich möchte mehr Begeisterung wecken für das, was wir als Individuen erreichen können, für das, was in unserer Macht steht, und weniger der Typ sein, der den Himmel anschreit, weil mir nicht passt, was die Götter der anderen wieder angestellt haben, an die ich ironischerweise selbst nicht mal glaube.
Lassen Sie uns doch mal versuchen, Ja zum Positiven zu sagen, anstatt bloß alles Negative mit Nein zu beantworten. Wir müssen auch kein neues Lebenskonzept anbieten, das für jeden passen muss, oder versuchen, jemanden zur Freiheit zu überreden. Wir können als freie Menschen vorangehen, das Beste aus uns machen, uns vom Glauben und damit der Hoffnungslosigkeit befreien und unter Beweis stellen, dass wir Macher sind und nicht bloß unseren Untergang dokumentieren. Wenn die Menschen mit eigenen Augen sehen, dass unser Leben lebenswerter ist als das im Autoritätsglauben, brauchen wir sie nicht mehr überzeugen, dass alles, woran sie bisher geglaubt haben, schlecht ist. Sie sehen es dann selbst.
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