Kriegs(un)wesen: Wenn Menschen sich lieber selbst verstümmeln
Der Staat als Aggressor gegen das Selbstbestimmungsrecht
von Sascha Koll
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Seit der Teilmobilmachung Putins sorgen sich viele Russen, dass sie bald zum Kriegsdienst eingezogen werden könnten. Der Kreml sprach von 300.000 Reservisten, doch tatsächlich sollen es viel mehr sein. Viele versuchen ins Ausland zu flüchten, doch einige sehen in ihrer Verzweiflung keinen anderen Ausweg, als sich selbst zu verletzen, um nicht an die Front verschleppt zu werden.
Diese Woche sah ich ein Video, das einen Russen zeigte, der vor einer Treppe lag. Sein linkes Bein hatte er auf die erste Treppenstufe gelegt, und plötzlich sprang ein anderer Mann von oben herab auf das Bein, das unter der Wucht des Aufpralls brach. Diese Form der Selbstverstümmelung wählte offenbar auch dieser Mann, um nicht von seinem Herrscher Putin an die ukrainische Front geschickt zu werden, um dort als Kanonenfutter zu sterben. Ein weiterer Mann übergoss sich mit einer brennbaren Flüssigkeit und zündete sich selbst an, um nicht in den Krieg zu müssen. Des Weiteren soll es Brandanschläge auf Einberufungsbüros gegeben haben, um die dort in Papierform vorliegenden Einberufungslisten zu vernichten.
Es ist pervers, zu welchen Verzweiflungstaten Staaten ihre vorgeblichen Schützlinge treiben. Niemand darf dazu gezwungen werden, in den Krieg zu ziehen. Väter werden ihren Frauen und Kindern entrissen, Söhne ihren Eltern, und das nur, weil jemand meint, das Recht dazu zu haben. Der Zwang zum Kriegsdienst ist eine der schlimmsten Formen der Sklaverei und sollte von jedem, der sich Freiheit auf die Fahne schreibt, abgelehnt werden.
Nur weil man zufällig auf einem Fleckchen Erde geboren wurde, ist man nicht Eigentum derer, die sich als Herrscher über diesen Erdteil sehen. Der Mensch besitzt ein unveräußerliches Selbsteigentum. Und dieses ist nicht unveräußerlich, weil das jemand wie ich einfach so behauptet. Es ist faktisch so, dass selbst wenn man einen Vertrag eingehen würde, der das körperliche Eigentum überträgt, seine Gedanken nicht veräußern kann. Niemand ist in der Lage, die Gedanken eines fremden Hirns in dem Maße zu steuern, dass sie vollständig im Besitz des Steuernden sind. Somit ist man selbst immer der Letztentscheider über seine Handlungen und auch darüber, ob man Befehle, zu denen man sich verpflichtet hat, tatsächlich befolgt oder verweigert. Somit handeln Herrscher, die ihre Bevölkerung als Eigentum ansehen und zu Handlungen zwingen wollen, immer illegitim. Es handelt sich stets um eine Verletzung des Selbsteigentums des Betroffenen, ob in der Sklaverei, beim Kriegsdienst, Wehrdienst oder bei dem in Deutschland heiß diskutierten Pflichtjahr für junge Menschen.
Der Krieg produziert nicht nur Drama und schreckliche Bilder an der Front, sondern zerstört auch Existenzen weitab von dieser. Es sind nicht nur die von der Teilmobilmachung direkt Betroffenen, die mit den Konsequenzen des Handelns anderer zu leben haben, sondern auch Angehörige, Freunde und Bekannte. Diese verlieren möglicherweise einen geliebten Menschen durch eine Zwangsmaßnahme einer gegen die eigene Bevölkerung agierenden Regierung.
Der Staat wird vom linken Hauptstrom immer wieder als der Schützer des Eigentums dargestellt, sogar als der, der das Eigentum erst ermöglicht. Doch immer wieder stellt er sich als der größte Vernichter und Verächter des Eigentums heraus, gerade wenn es um das Selbsteigentum geht.
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