Anti-Interventionismus-Lehre: „Ich möchte unbedingt an Geldpolitik glauben!“
Über die Etablierung interventionsbejahender Glaubenssätze
von Benjamin Mudlack
Eine Volkwirtschaft funktioniert wie ein mehrstufig regulierbarer Fön. Wird die (wirtschaftliche) Luft zu heiß, ist es analog zum Fön überhaupt kein Problem, sie herunterzuregeln.
Ähnlich vereinfacht dargestellt, begannen ganz sicher wohlmeinende staatliche Lehrkräfte in der Höheren Handelsschule, mir einen ersten Einblick in die volkwirtschaftliche Welt zu geben. Es war für mich extrem spannend zu hören, welche geldpolitischen Möglichkeiten eine Zentralbank vorgeblich zu haben scheint. Wird die Luft zu heiß, erhöht sie die Zinsen, und die Wirtschaft kühlt sich nach kurzer Zeit ab. Ist die wirtschaftliche Luft zu kalt, drückt man den Stimulationsknopf und senkt die Zinsen, damit die Investitionsbereitschaft/-möglichkeit erhöht und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stimuliert werden. Über die Folgen niedriger Zinsen haben wir seinerzeit nicht diskutiert. Überhaupt bohrten wir intellektuell viele Löcher an, aber keines wirklich mit Tiefgang. Die Kritik richtet sich überhaupt nicht an die ausführenden Lehrer. Im Gegenteil: Sie meinten es gut und hatten selbst im Rahmen ihres Studiums die Vorgänge nicht anders vermittelt bekommen.
Die Inhalte in der staatlichen Berufsschule im Rahmen meiner Ausbildung zum Bankkaufmann manifestierten meine geldpolitischen Glaubenssätze zusätzlich. Löcher mit Tiefgang wurden leider wiederum nicht gebohrt.
Im Studium wurden dann hauptsächlich zwei Denkrichtungen miteinander verglichen: die klassisch liberale volkswirtschaftliche Sichtweise mit jener der Anhänger der Theorie von John Maynard Keynes. Letztere ist bekanntlich die dominierende Lehre der heutigen Welt. Sie steht einfach gesprochen für staatliche Eingriffe und Nachfragestimulation durch Gelddrucken als Antwort auf nahezu sämtliche Problemstellungen. Weder Ludwig von Mises noch Friedrich August von Hayek oder andere prägende Personen der Österreichischen Schule der Nationalökonomie fanden in den von mir besuchten Vorlesungen auch nur ansatzweise Berücksichtigung. Es gab sie schlichtweg nicht in meiner damaligen Gedankenwelt. Das kann natürlich an anderen Hochschulen durchaus anders gewesen sein.
Ich für meinen Teil wurde zunächst in der Schule, anschließend im Rahmen der Ausbildung beziehungsweise Berufsschule und dann im Studium zum Gläubigen der Geldpolitik und der Notwendigkeit staatlicher Regulatorik als einzigen Lösungsweg ausgebildet. Mit jeder Wiederholung verstärken sich diese Glaubenssätze naturgemäß und auch die einseitige verkürzte mediale Berichterstattung trägt ihren Teil dazu bei. Vermutlich bleibt der Mensch lieber in dieser vermittelten Gedankenwelt und möchte diese kuschelige Komfortzone auch nicht verlassen. Außerhalb der Komfortzone ist es bekanntlich unbequem und anstrengend. Es macht Mühe, den Dingen auf den Grund zu gehen und andere Denkmuster zu betreten. Insofern ist ein Impuls von außen notwendig, damit man beginnt, alte Denkmuster infrage zu stellen. Viele Menschen stellen ihre bestehenden Glaubenssätze leider nie auf den Prüfstand.
Die Finanzkrise 2007 war für mich persönlich dieser Impuls, durch den ich begann, die Hintergründe kritischer zu hinterfragen. Ich wollte tiefer in die Materie einsteigen. Um bei der Metapher zu bleiben: Mit immer größer werdender Dynamik ging ich in die Tiefe und grub mich immer weiter ein in die Finanzwelt und in die Welt des Geldes. Ich stellte mir in Bezug auf die Finanzkrise unter anderem die folgenden Fragen:
Erstens: Welche Personen welcher Denkrichtung
haben die Finanzkrise vorausgeahnt?
Zweitens: Was ist überhaupt eine Krise?
Drittens: Wie konnte es zu dieser Krise kommen?
Viertens: Wer ist für die Vorgänge verantwortlich?
Fünftens: Warum verschwindet das eine Finanzinstitut vom Markt (Lehman
Brothers, Westdeutsche Landesbank et cetera) und andere werden durch staatliche
Intervention am Leben (Commerzbank) gehalten?
Sechstens: Werden die richtigen Lehren aus der Krise gezogen?
Die erste Frage ist schnell beantwortet. Die Vertreter der staatlich protegierten Lehre der Befürworter der lockeren Geldpolitik haben die Krise nicht erkannt. Aber nahezu jeder namhafte Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie sah das Unheil kommen.
Ich stellte zudem fest, dass eine Krise besser ist als ihr Ruf. So wie ein Gewitter die Luft reinigt, korrigiert eine Krise eine vorangegangene Fehlentwicklung und ist folglich unvermeidbar. Im Falle der Finanzkrise 2007/2008 haben unter anderem die von den Zentralbanken herabgesetzten Zinssätze eine Immobilienblase entstehen lassen. Der Grund war also zu viel und zu billiges Geld. Daraus resultiert eine klassische Fehlallokation, also eine Fehlsteuerung von Ressourcen. Der Immobilienboom war gewissermaßen auf Sand gebaut, und ein Umschlagen in einen sogenannten Bust war unvermeidlich. Das geschah auch, als plötzlich eine Vielzahl von Immobilienkrediten notleidend wurde. Die Kredite drohten auszufallen, und so bündelten die findigen Manager der Finanzhäuser (Banken, Investmenthäuser und Co) die faulen Kredite in Zweckgesellschaften. Die faulen Kredite wurden mit nicht ganz so faulen Krediten gemischt. Das Gemisch wurde durch Verbriefung kapitalmarktfähig. Diese Wertpapiere ließ man von den Ratingagenturen mit einer nicht fragwürdigen Bonitätseinstufung versehen. Diese Papiere waren unter Nennwert erhältlich, und in Kombination mit der guten Bonitätseinstufung machte dieses faule Ei den Anschein eines guten Geschäftes. Die Kredite platzten und die Käufer der gebündelten toxischen Mischung, unter anderem deutsche Landesbanken, gerieten in Schieflage. Für das zu billige Geld waren die Zentralbanken verantwortlich. Für das Rating die monopolartig organisierten Ratingagenturen. Die Verantwortlichkeit lag folglich unter dem Strich bei der Finanzindustrie und den Zentralbanken gleichermaßen. Die Regierungsvertreter in Deutschland haben sich während der Krise von dem damaligen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann beraten lassen. Also von einem Vertreter eines Finanzunternehmens, das durchaus eigene Interessen vertrat und auch einen erheblichen Anteil an der Krise hatte. Der Begriff der Systemrelevanz machte sehr schnell die Runde, und so wurde mit neuen Staatsschulden, also mit der Entstehung neuen Geldes, beispielsweise die Commerzbank teilverstaatlicht. Andere Institute ließ man vom Markt verschwinden. Das schmerzhafte, aber lehrreiche Scheitern galt also nur für einige wenige Institute. Mit wenig Einfluss und ohne Systemrelevanz gibt es ganz offensichtlich keine Rettung durch den Staat – ein erstes Anzeichen für mich, dass wir in einer sich zunehmend oligarchisierenden Welt leben. Gewissermaßen die Verschmelzung von Macht (Politik) und Großkapital beziehungsweise Großkonzernen.
In der weiteren Folge wurden die Zinsen durch die Zentralbanken noch weiter abgesenkt. Die politischen Entscheider haben kein Interesse an einem großen Bereinigungseffekt. Ihr zentraler Anreiz ist der Machterhalt. Und dieser beruht auf der Maximierung der Wahlstimmen. Eine größere Krise würde viele Menschen in die Arbeitslosigkeit führen, und folglich würden die Regierungsparteien dafür verantwortlich gemacht und nicht wiedergewählt werden. Der Anreiz, die Krise durch staatliche Eingriffe abzumildern, ist insofern nur allzu logisch und auf Basis der Anreizstruktur auch menschlich nachvollziehbar.
Durch noch mehr und noch billigeres Geld milderte man die Krise ab und erzeugte den nächsten Boom, was im Grunde der perfekte Nährboden für weitere Spekulationsblasen war. Intelligenz ist, einen Fehler nicht mehrfach zu wiederholen. Einer Krise mit den Mitteln zu begegnen, durch die sie entstanden ist, kann an Irrsinnigkeit kaum überboten werden.
In Bildern gesprochen, ist die Abfolge mit einer riesigen nicht enden wollenden Party vergleichbar. Sie beginnt launig mit ein wenig Alkohol, und sobald die Nüchternheit und der Kater zu folgen drohen, begegnet man dem Kater am nächsten Tag wieder mit Alkohol. Unter dem Strich wird der permanent alkoholkonsumierende Mensch dann fortwährend unproduktiver. Sein Output sinkt im Laufe der Zeit. Man kann das ein paar Tage, Wochen, Monate und vielleicht auch Jahre machen, aber irgendwann wird der Organismus extrem hinfällig. Der körperliche und geistige Kollaps ist unvermeidlich!
So verhält es sich auch mit Volkswirtschaften, die zu großen Teilen nur noch auf Basis des billigen Geldes und hoher staatlicher Aktivität existieren. Staatliche Eingriffe verfehlen ihre Wirkung, und man begegnet dieser Intervention mit noch mehr Intervention. Der Anteil des Staates an der Wirtschaftsleistung (Staatsquote) nimmt stetig zu. Steigende Staatsquote und ausufernde Interventionen schränken die persönliche und ökonomische wie auch unternehmerische Freiheit immer weiter ein. Trotzdem und aufgrund der Prägung der Menschen (Erziehung, Schulbildung, Hochschulbildung) wird der Ruf nach der ordnenden Kraft des Staates immer größer.
Gerade Europa steht an einem Scheideweg, und es braucht einen Paradigmenwechsel. Es ist logisch, dass die staats- und interventionskritische Lehre der sogenannten Austrians diametral dem entgegensteht, was man in die Hirne der Menschen pflanzen möchte. In der aktuellen Zeit scheint es nur noch Krisensituationen zu geben. Die Menschen verkennen, dass der staatliche Interventionismus diese Krisen verursacht hat. Die Volkswirtschaften dieser Welt sind eben kein regulierbarer Fön, und die Kollateralschäden zulasten der Bevölkerung sind immens!
Staatliche Institutionen haben das Geld durch die Ausweitung der Geldmenge massiv verschlechtert und den Tauschwert herabgesetzt. Politische Entscheidungen und das Abschalten zahlreicher Kraftwerke haben zu einer Verknappung der Energie und damit zu steigenden Preisen in diesen Märkten geführt. Sogar die Energieversorgungssicherheit ist nicht mehr gegeben – „eigentlich“ ein Schwellenlandproblem!
Das Versagen auf Basis dieser beiden zentralen Punkte sollte reichen, um den erforderlichen Paradigmenwechsel herbeizuführen. Die Menschheitsgeschichte ist von einem permanenten Schlagabtausch zwischen Freiheit und Unfreiheit geprägt. Wenn es nun schon so weit ist, dass Staats- oder Institutionenkritik zum verfassungsrechtlichen Beobachtungsfall wird, dann sollte den Menschen klar werden, wie ungelegen der Obrigkeit eine offene Diskussion und eine kritische Bevölkerung sind. Mehr „Austrian School“ und Staatskritik wagen. Die Krise ist eine historische Chance für eine wirkliche Marktwirtschaft, für mehr persönliche und wirtschaftliche Freiheit.
Mit dieser ersten Kolumne haben wir die erste Wegstrecke gebohrt. Nächste Woche bohre ich gemeinsam mit Ihnen und meinen geschätzten Mit-Kolumnisten weiter. Und wir bohren Woche für Woche immer tiefer. Versprochen!
Kommentare
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