12. Dezember 2022

Als Lehrer in der Verwahranstalt Vom Verfall der deutschen Bildung (Teil 2)

Bildungsmisere und Evolutionspsychologie

von Philipp A. Mende (Pausiert)

Kürzlich las ich irgendwo, dass die deutsche Nationalmannschaft, Verzeihung – dass „die Mannschaft“ symptomatisch für den Zustand des gesamten Landes stehe, nachdem sich einmal mehr nicht etwa auf die für Erfolge unumgängliche und notwendige Wettbewerbsfähigkeit konzentriert wurde, sondern auf einen polit-ideologischen Zinnober, welcher längst pathologische Züge angenommen hat. Dem kann ich zustimmen. Und tatsächlich – die Wahnschaft, Verzeihung – „die Mannschaft“ kann anno 2022 durch beliebige Beispiele aus anderen gesellschaftsrelevanten Bereichen ersetzt werden, in denen es genauso aussieht.

Wenn nämlich eine einstige Industrie-, Bildungs- und nicht zuletzt Sport- beziehungsweise Fußballnation schrittweise in die tatsächliche und metaphorische Insolvenz rutscht, dies jedoch nicht erkennt, geschweige denn anerkennt, prasseln die Beispiele von allen Seiten auf jeden ein, der zu sehen gewillt ist. Nur aufgrund meines eigenen beruflichen und familiären Backgrounds wähle ich oben die Bereiche Industrie, Sport und insbesondere Bildung, auch wenn die Liste schier endlos ist: Ökonomie, Kunst, Medien, Journalismus, you name it.

Am Anfang eines Niedergangs einer ursprünglich geschätzten und funktionstüchtigen Rubrik – auch eines auf Samtpfoten daherkommenden – steht zunächst immer das sukzessive Auflösen von sich mit Abstrichen stets bewährt habenden Tugenden, Traditionen und Mentalitäten: Fleiß, Kompetenz, Beharrlichkeit, Pünktlichkeit, Entschlussfähigkeit, Ernsthaftigkeit, Disziplin et cetera. Diese Tugenden können oder konnten durchaus „landesspezifisch“ sein. Der Begriff „konservativ“ rührt daher, dass man derlei Bewährtes beibehalten oder eben „konservieren“ möchte.

Begründet wird die Abkehr davon in der Regel damit, derlei Dinge seien nicht mehr zeitgemäß, „reaktionär“, „im Kern oppressiv“ oder weiß der Geier was noch. Wohlgemerkt Tugenden, denen (auch) die „Erneuerer“ ihren als selbstverständlich betrachteten Wohlstand zu verdanken haben. 

Die Resultate zeigen sich dann nicht über Nacht, sondern nachdem eine kritische Anzahl von Salamischeiben im Zuge der sogenannten Salamitaktik über den Jordan gejagt wurde. Am Ende steht man vor einem dysfunktionalen Scherbenhaufen und es werden sodann wiederum Stimmen laut, die verzweifelt nach Individuen rufen, die den eingebrockten Schlamassel irgendwie beheben. Hier wird dann deutlich, dass Personen gesucht werden, die genau diejenigen Tugenden verkörpern, welche zuvor als obsolet verteufelt wurden. Aus diesem Grund wendet sich beispielsweise ein einst vorbildlicher Weltkonzern wie Siemens an über 70-jährige, selbstständige Ingenieure außerhalb ihrer eigenen Reihen, um Projekte überhaupt noch zum Abschluss bringen zu können. Da dem jüngeren Ingenieursmaterial eher Punkte wichtig sind wie „ausgewogene Work-Life-Balances“ (Übersetzung: Nichtstun hat Vorrang, muss aber irgendwie hochtrabend klingen), im Zuge derer projektrelevante Entscheidungen immer wieder und wieder vertagt und hinausgezögert werden, geht es immer häufiger nicht anders.

Aus demselben Grund wenden sich desillusionierte Sportjournalisten beispielsweise an Personen wie Lothar Matthäus (61 Jahre und bis dato der einzige, deutsche Weltfußballer), sie mögen den verideologisierten Fußball-Sauhaufen doch bitte, bitte wieder auf Vordermann bringen. Sportler wie Matthäus mögen sich zwar nicht durch übermäßiges Sprachtalent hervortun, aber auch hier gilt: In ihrem Bereich verkörpern sie genau diejenigen Tugenden, die „wir“ in einer heilen Ringel-Ringel-Reihe-Regenbogenwelt angeblich nicht mehr benötigen.

Aus demselben Grund wenden sich desillusionierte Sportjournalisten beispielsweise an Personen wie Lothar Matthäus (61 Jahre und bis dato der einzige, deutscher Weltfußballer), sie mögen den verideologisierten Fußball-Sauhaufen doch bitte, bitte wieder auf Vordermann bringen. Sportler wie Matthäus mögen sich zwar nicht durch übermäßiges Sprachtalent hervortun, aber auch hier gilt: In ihrem Bereich verkörpern sie genau diejenigen Tugenden, die »wir« in einer heilen Ringel-Ringel-Reihe-Regenbogenwelt angeblich nicht mehr benötigen. Aus demselben Grund wenden sich hier und da um ihren Nachwuchs noch bemühten Elternteile an Elternabenden mit großer Dankbarkeit an mich, dass ich auf grundlegende Basics – sowohl fachlich als auch im zwischenmenschlichen Bereich –, Wert lege, die zu meiner eigenen Schulzeit selbstverständlich waren.

In Zeiten jedoch, da sich der einzige Schüler im Klassenverband ohne „LRS“-Attest diskriminiert fühlt, da bei ihm doch tatsächlich noch die Rechtschreibung bewertet wird, alles andere als selbstverständlich. „LRS“ steht für „Lese-Rechtschreib-Schwäche“ und ist nach meiner Erfahrung nicht immer, aber doch recht häufig nichts anderes als ein bildungspolitisches Hintertürchen, um Faulheit, Motivations- und Antriebslosigkeit „wissenschaftlich“ zu „rechtfertigen“ und sich ohne Anstrengung und entsprechender Leistung (oder zumindest den Versuch) einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen zu verschaffen. (Hinter vorgehaltener Hand hörte ich diese Einschätzung übrigens zum ersten Mal von Eltern selbst.) Natürlich wird dieser Anreiz wahrgenommen und die Letzten, die diesbezüglich Schuld auf sich laden, sind die Kinder selbst. Letztere sind die Opfer. Es wird sich auch gerne um eine ehrliche Antwort auf die Frage gedrückt, warum es beispielsweise zu meiner Schulzeit von Klasse 1 bis Klasse 13 keinen einzigen (!) Schüler mit „LRS“ gab (oder in der Realschule meiner Verwandten, oder in irgendeiner anderen Schule meiner Freunde, sei es Hauptschule, Realschule oder Gymnasium), doch heute angeblich gefühlt jeder Dritte davon betroffen sein soll. Rein logisch ist das bereits schlichtweg unmöglich. Und nein, es ist nicht so, dass es damals ja noch kein „LRS“ gegeben hätte beziehungsweise sie nicht diagnostiziert werden konnte. Bereits 1877 beschrieb ein Neurologe das Phänomen der „Wortblindheit“. Der Mediziner und Pädagoge Ranschburg prägte 1916 den Begriff „Legasthenie“ (lateinisch legere = lesen, griechisch astheniea = Schwäche). Er untersuchte als einer der ersten Wissenschaftler Kinder mit Leseschwierigkeiten.

Doch zurück zum eigentlichen Thema. In dem Moment, wo Politik beziehungsweise deren Ideologie und (Dauer-)Propaganda wichtiger werden als diejenigen „veralteten“ Tugenden, die Industrie, Bildung und Sport zur Blüte verhalfen, ist der Untergang derselbigen vorprogrammiert. Wenn „Zeichensetzen“ wichtiger wird als „Leistung bringen“, wenn gleichgeschaltetes Einheits- und Endlosgelaber wichtiger wird als „Anpacken und Machen“, wenn Bequemlichkeit wichtiger wird als kontinuierliches Lernen, sind Wettbewerbsunfähigkeit, Schande, Demütigung, Spott und nicht zuletzt eine „Regierung“, wie sie aktuell besteht, nur eine Frage der Zeit.

Dass Politiken und damit verbunden die angesprochenen Miseren in allen Bereichen der Gesellschaft selbst jedoch nur das Resultat eines genetischen Selektionsprozesses und damit nicht nur natürlich, sondern auch unvermeidbar sind, werden viele Leute und nicht zuletzt auch viele Libertäre womöglich nie verstehen. Doch dazu mehr im nächsten Teil.

Fortsetzung folgt.


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