Nachwuchs: Kinder bekommen im Zeitalter des politischen Irrsinns?
Über die Fortführung des Wunders
von M 2.0 (Pausiert)
Am vergangenen Wochenende war es wieder geschehen. Während eines netten Gesprächs mit einem kinderlosen Bekannten fiel ein Satz, der mich mittlerweile sowohl amüsiert als auch innerlich mit dem Kopf schütteln lässt. In der heutigen Kolumne möchte ich erklären, warum.
Die Unterhaltung handelte ab einem bestimmten Zeitpunkt von Kindern und Jugendlichen. Ich möchte Sie nicht damit langweilen, welche Punkte diesbezüglich alles besprochen wurden, sondern spule gleich zu dem besagten Satz meines Bekannten vor. In einem Tonfall, der mit einer Mischung aus Verzweiflung und „Sollte-doch-wohl-klar-sein“-Selbstverständlichkeit daherkam, meinte er, dass er in der heutigen Zeit keine Kinder haben möchte. Es folgte eine lange Rechtfertigung, welcher es von meiner Seite aus zwar nicht bedurfte, ihm aber ganz offensichtlich am Herzen gelegen hatte. Nichts davon war neu für mich und nichts von dem, was er sagte, konnte ich widersprechen: Die prekäre Situation, in die sich Deutschland grundlos über Dekaden hineinmanövrierte, die mutwillig an die Wand gefahrene Ökonomie, die der (politisch erzwungenen) ungebremsten und planlosen Massenmigration überwiegend kulturinkompatibler Personen geschuldete, schwindende Sicherheit auf unseren Straßen, die politisch gewollte, sukzessive Abschaffung von Planungssicherheit, die erschwerte Bewegungsfreiheit im Vergleich zum Junggesellendasein und so weiter und so fort.
Nun ist es in meiner engen Familie seit jeher Brauch, im Austausch mit Außenstehenden, Freunden oder Bekannten nach dem Grundsatz „Live and let live“ zu verfahren. Soll heißen, es ist uns relativ egal, wie andere ihr Leben gestalten, ihr individuelles Glück zu finden gedenken oder ihre Kinder erziehen, solange sie uns nicht mit erhobenem Zeigefinger oder in unangebrachter Besserwisser-Manier in die eigenen Konzepte hineinreden – erst recht dann nicht, wenn für eine „Besserwisserei“ in der Praxis überhaupt keine Grundlage besteht. Ich persönlich gehe grundsätzlich davon aus, dass es andere Leute umgekehrt in der Regel genauso halten, bin dann aber immer wieder – je nach Situation – erstaunt, erheitert oder verärgert, sofern ich zwischen den Zeilen eine moralische Selbstüberhöhung herauszuhören glaube, für die es entweder aus Gründen der Ignoranz oder – wie im Falle meines Bekannten – aus Gründen des Ausblendens einer „ganzheitlicheren“ Betrachtungsweise keinen Anlass gibt beziehungsweise gäbe.
Natürlich brauchen wir uns nichts vormachen: Im Falle eines (K-strategischen) Ansatzes ist Kindererziehung fraglos enorm anstrengend und herausfordernd und erfordert viele Ressourcen: Angefangen von den körperlichen Anstrengungen, über emotionale Herausforderungen, große Zeitinvestitionen und Engagement, bis hin zur kontinuierlichen Verantwortung sowie den Herausforderungen in allen verschiedenen Lebensphasen des Kindes, um es so kurz wie möglich zusammenzufassen.
Meines Erachtens sind genau dies die Punkte oder der eigentliche (in der Regel nicht ausgesprochene) Grund, warum sich die meisten Menschen gegen Kinder entscheiden. Ganz persönlich habe ich mit jener Argumentation zwar immer noch meine Probleme, aber zumindest würde ich sie als ehrlicher empfinden und kann sie auch (leichter) akzeptieren. Ausgesprochen oder vorgeschoben werden jedoch eher die oben genannten Gründe, die mein Bekannter inbrünstig ausführte, obwohl er wusste, dass er an sich offene Türen bei mir einrennt, da ich um besagte Missstände Bescheid weiß. Weshalb ich in seinem Falle dennoch etwas entgegnete, lag in dem mitschwingenden, moralinsauren „Sollte-doch-wohl-klar-sein-heute-keine-Kinder-zu-haben“. Schon Nietzsche (1844–1900) stellte fest, dass man „oft einer Meinung“ widerspreche, „während uns eigentlich nur der Ton, mit dem sie vorgetragen wurde, unsympathisch“ sei.
Freilich gibt es eine ganze Reihe an Argumenten, die man pro Kinder ins Feld führen kann – und freilich gibt es auch einfach biologische oder gesundheitliche Gründe, warum der Kinderwunsch für viele Personen leider nicht in Erfüllung gehen kann. Damit diese Kolumne nicht ausartet, möchte ich mich hier nur auf zwei meines Erachtens eher seltener bedachte Punkte beschränken, die im besten Falle ein wenig zum Nachdenken anregen.
Zunächst einmal finde ich es gewagt, wenn kinderlose Personen davon sprechen, Leute bekämen Kinder aus egoistischen Motiven heraus, weil Nachwuchs beispielsweise „Prestige“ bedeute, das eigene Wohlbefinden und das eigene Glück steigere oder steigern solle oder Ähnliches. Auch wenn alle Punkte natürlich an und für sich nicht abzustreiten sind – freilich machen Kinder innerhalb eines harmonischen Familienverbandes glücklich –, ist bei solchen Aussagen normalerweise natürlich nicht der rationale Egoismus nach Ayn Rand (1905–1982) gemeint, sondern Egoismus im Sinne des „allgemeinen“ (falschen) Verständnisses, wonach er mit Selbstsucht und Rücksichtslosigkeit einhergeht. Rand betonte stets die Bedeutung der Selbstverantwortung und der individuellen Rechte. Ihrer Ansicht nach ist es im besten Interesse jedes Einzelnen, für sein eigenes Glück und Wohlbefinden zu sorgen und der rationale Egoismus bedeutet für sie gerade nicht, rücksichtslos oder unmoralisch zu handeln, sondern die eigenen Interessen im Rahmen von Prinzipien wie Individualrechten und Vernunft zu verfolgen.
Nun kann man als erstes Argument einwenden, dass es genau umgekehrt ist. Keine Kinder zu bekommen ist rücksichtslos, und zwar in erster Linie der enormen Ahnenkette gegenüber, der jeder Einzelne von uns seine Existenz verdankt. Ich frage von daher gerne: „Hast du eine Ahnung, was notwendig war, damit du heute existierst?“
In „Widerstand“ wird während einer stichhaltigen Widerlegung des postmodernistischen Aberglaubens, etwas wie Völker gebe es nicht (woran unter anderem auch „unser“ gegenwärtiger „Bundespräsident“ glaubt), auf den Historiker und Anthropologen Andreas Vonderach verwiesen. Dieser Verweis passt auch im aktuellen Zusammenhang. Vonderach legt in seinem Werk „Völkerpsychologie“ nämlich schlüssig dar, dass die große Verwandtschaft im Volk im Phänomen des Ahnenschwundes zum Ausdruck komme. Jeder von uns habe zwei Eltern, vier Großeltern, acht Urgroßeltern und so weiter. In der zehnten Ahnengeneration, also etwa um 1700, sind es demnach bereits 1024 Vorfahren. In der 20. um 1400 schon mehr als eine Million, und zur Zeit Karls des Großen (747/748–814) betrage die Zahl der theoretischen Ahnen sogar schon mehr als eine Billion, also 1000 Milliarden. Da aber in dieser Zeit in Deutschland (freilich gab es zu jener Zeit den Begriff als solchen noch nicht) kaum mehr als zwei Millionen Menschen lebten, sei klar, dass wir alle sehr viele gemeinsame Vorfahren haben. Die meisten unserer Ahnen seien dies gleich mehrfach, über verschiedene genealogische Linien zugleich. So komme im Jahr 1500 jeder Vorfahr durchschnittlich etwa viermal unter den Ahnen einer heute lebenden Person vor, im Jahr 1300 bereits etwa fünfzigmal und im Jahr 1000 schon mehrere tausendmal. Daraus ergebe sich, dass zum Beispiel alle Deutschen fast sämtliche vor dem Jahr 1200 lebenden Ahnen gemeinsam haben.
Dies alles eingedenk, wirkt es beinahe amüsant, zumindest aber fragwürdig, sich heute hinzustellen und die Unterbrechung dieser exorbitanten Kette nicht als rücksichts- oder verantwortungslos zu betrachten. Gleichzeitig vermischt sich dieses Argument mit einem weiteren.
Wenn sich mein Bekannter nämlich hinstellt und darüber lamentiert, wie unmöglich es gegenwärtig doch angeblich sei, angesichts der völlig außer Rand und Band geratenen Ineptokratien des Westens Kinder in die Welt zu setzen, entgegne ich: „Im Vergleich zu welcher Zeit?“
Soll heißen: Ist es heute wirklich „schwerer“ oder „wagemutiger“, Kinder zu bekommen als zu Zeiten unserer Vorfahren (von den „Babyboomern“ vielleicht einmal abgesehen), welche die oben angesprochene Kette fortgeführt hatten
- trotz eines sich wie ein „roter Faden“ durch die Geschichte ziehenden, staatlichen Psychopathentums, staatlicher Unterdrückung sowie (stets staatlich initiierter) Kriege und Konflikte, in denen sie Zeugen waren, wie ganze Gemeinschaften verfolgt, verstümmelt, ermordet sowie ganze Existenzen vernichtet wurden;
- trotz (echter) Seuchen und Krankheiten: Epidemien wie die Pest und Cholera hatten verheerende Auswirkungen und führten oft zu großen Verlusten in der Bevölkerung;
- trotz Naturkatastrophen: Erdbeben, Überschwemmungen, Dürren et cetera bedrohten das Überleben ganzer Gemeinschaften;
- trotz Mangels an Ressourcen und höchster finanzieller Not: In vielen historischen Zeiten gab es Phasen von Hungersnöten, Nahrungsmittel- und Geldknappheit, was zu großem Leid führte;
- trotz religiöser Verfolgung: In beinahe jeder Epoche gab es verheerende, religiöse Konflikte und Verfolgungen, die Tod und Verderben mit sich brachten;
- trotz Mangels an medizinischer Versorgung: Fehlende medizinische Kenntnisse und begrenzter Zugang zu Gesundheitsversorgungseinrichtungen führten dazu, dass viele Menschen an vermeidbaren Krankheiten litten und starben.
Diese Liste, welche noch sehr vorsichtig formuliert ist, ließe sich noch erweitern. Die genannten Herausforderungen waren oft miteinander verflochten und beeinflussten das tägliche Leben und das Überleben unserer Vorfahren. Dennoch ist ihre spannende Geschichte gleichsam von Widerstand, Überlebenskraft und Innovation geprägt. Unsere Vorfahren entwickelten Strategien und Technologien, um mit diesen Herausforderungen umzugehen und ihre Gesellschaften weiterzuentwickeln – der Beweis dafür ist unsere heutige Existenz.
Und: Ihnen wäre im Traum nicht eingefallen, das – um es bewusst episch auszudrücken – Wunder des Lebens aufgrund des Gebarens irgendwelcher Staatssekten und deren Vorturner abzuwürgen, wie sehr sie das Leben unschuldiger Individuen, die einfach nur ihre Ruhe haben wollen, auch seit jeher zur Hölle machen wollten und wollen. Sich anno 2023 hinzustellen und zu glauben, es sei im Vergleich zu dem Horror vergangener Jahrhunderte heute tatsächlich schwerer, Kinder in die Welt zu setzen und großzuziehen, wäre meines Erachtens entweder arrogant oder ignorant. Ob man sich einst, vereinsamt auf dem Totenbett, eingestehen wird, dass eine Aussage à la „Naja, aufgrund von politischem Umstand X oder Y war ein Nachkomme eben nicht möglich“ im Endeffekt womöglich nichts anderes als bequemer Selbstbetrug gewesen war, soll jeder für sich selbst beurteilen.
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