27. Januar 2023

Konsensverfahren versus Mehrheitsbeschluss Quantensprung für mehr Menschlichkeit und Frieden?

Eine Welt mit Verträgen zulasten Dritter mündet ganz offensichtlich automatisch in Zwang und Gewalt

von Benjamin Mudlack

Heute möchte ich Ihnen einen Denkanstoß geben und Sie bitten, den vorgetragenen Ansatz zur Entscheidungsfindung selbst zu durchdenken und zu diskutieren.

Bis zur Finanzkrise 2007 und der sich unmittelbar anschließenden Euro-Krise war auch ich der Meinung, dass das heutige Staatsmodell hoch entwickelt sei und keiner Modernisierung bedürfe. Gut, ich war zu jener Zeit noch recht jungen Alters, und in der Schul- und Hochschulbildung setzte man sich nur bedingt bis gar nicht kritisch mit dem sogenannten Status quo auseinander. Insofern bin ich der Finanz- und Euro-Krise nach 2007 in Bezug auf meinen eigenen Erkenntnisgewinn sehr dankbar. Die politischen Entscheider (politischen Unternehmer) statuierten damals, dass ausgewählte Finanzinstitute bedeutende Hilfen zuteilwurden. Es handelte sich um Hilfsgelder, finanziert durch neue Staatsschulden, oder um großzügige staatliche Garantien. Die Maßnahmen wurden als alternativlos hingestellt, weil ansonsten der Euro scheitern würde. Das öffentliche (veröffentlichte) Meinungsbild in dieser Frage schien „scheinbar“ eindeutig.

Seinerzeit fragte ich mich, ob sämtliche Implikationen, Wechselwirkungen und Einwände abgewägt wurden. Das Mantra der „Alternativlosigkeit“ empfand ich sachlich unausgewogen politisch-populistisch. Es gibt doch immer eine Alternative, dachte ich mit. Der Satz „Scheitert der Euro, scheitert Europa“ klang für mich wie eine Erpressung. Dank intensiver medialer Orchestrierung wurde die Formel zu einem starken Narrativ. Man lenkte die Menschen, wie auch bei anderen harten Narrativen, in die gewünschte Richtung und versuchte, sich mit gezielter Kommunikationspolitik Mehrheiten zu beschaffen. Die Mehrheit war augenscheinlich für die Maßnahmen, den Euro ohne tatsächliche Reformen aufrechtzuerhalten. Ob die Mehrheit tatsächlich über eine beidseitige Informationslage und fachliche Expertise verfügte, um dafür oder dagegen zu sein, sei einmal dahingestellt. Ich jedenfalls vermisste den Prozess des kritischen Abwägens und den Prozess, sämtliche Einwände offen zu diskutieren.

Was aber geschieht mit einer Minderheit? Die Minderheit ist entweder dagegen oder sie hat Vorbehalte, die nicht ausgeräumt wurden. In jedem Fall ist die Minderheit gezwungen, die Konsequenzen der Entscheidungen mitzutragen. Aus dem Zwang resultiert die Unfreiwilligkeit, ein Vertrag zulasten Dritter. Hätte ich seinerzeit ein Vetorecht gehabt, dann hätte ich nicht ein einziges Finanzinstitut von der Haftung ausgeschlossen. Ich hätte sie dem marktwirtschaftlichen Prozess des Scheiterns überlassen. Auch beim Thema Euro hätten meine Vorbehalte nicht ausgeräumt werden können. Zu groß sind die Risiken für das Land, zu groß die Auswirkungen in Bezug auf Kaufkraftentwertung und so weiter.

Konsensverfahren wären aus meiner Sicht die Lösung für viele Probleme der heutigen Zeit. Eine Entscheidung gilt erst dann als getroffen, wenn sämtliche Einwände ausgeräumt wurden. Sind die Auswirkungen für einen Bedenkenträger zu groß, muss man sich eben andere Lösungsmodelle überlegen. Konsensverfahren können in großen Strukturen schwer umgesetzt werden. Wenn 20 Vertreter verschiedener Länder an einem Tisch sitzen und eine Entscheidung für ganz Europa treffen wollen, dann wird das Konsensverfahren nur selten zum Erfolg führen. Ganz anders verhält es sich in kleinen non-zentralen Strukturen. Folglich würde diese Methode der Entscheidungsfindung automatisch dazu führen, dass unsere Welt endlich wieder kleinteiliger würde. Damit einhergehend sollte auch die von Carlos A. Gebauer geforderte Haftung für Entscheidungsträger eingeführt werden. Auch die Haftung würde Entscheidungen non-zentraler werden lassen.

In der Natur (oder Tierwelt) gibt es keine Welt ohne Haftung. Ein Tier, das unbedacht handelt, haftet. Und zwar, so hart es klingen mag, mit Leib und Leben. Die Nicht-Haftungsgesellschaft ist unnatürlich und führt zu Fehlentwicklungen. Die Nicht-Haftung führt zu leichtfertigen Entscheidungen. Niemand der politischen Entscheider kann, wie beim Euro, für einige 1.000 Milliarden Euro haften. Man wird auch keine Versicherung finden, die im Schadensfall eine derart teure Entscheidung absichert. Heute haftet das sogenannte Kollektiv, also wir alle. Wobei ein Kollektiv eigentlich gar nicht haften und auch nicht handeln kann. Aber das nur nebenbei bemerkt. Die meisten Menschen sind sich der Konsequenzen vieler Entscheidungen auch gar nicht bewusst – wie auch, wenn das Meinungsbild zunehmend von Alternativlosigkeit und starken Narrativen geprägt wird. Wer abweicht, steht in einer Ecke, in die er nicht möchte. Also folgt der Massenmensch lieber dem Narrativ und der vorherrschenden Meinung. Die Mehrheit kann bei entsprechender Einflussnahme durch gezielte/tendenziöse Propaganda aber auch, wie uns die Geschichte lehren sollte, brachial danebenliegen. Die Verträge zulasten Dritter nach 1933 waren für viele Menschen fatal und endeten in Zwang, Unterdrückung und Krieg. Im Konsensverfahren und unter Einbeziehung sämtlicher Bevölkerungsgruppen gäbe es ausnahmslos immer Einwände gegen Krieg, Zwang und Unterdrückung. Die Masse der Menschen befürwortet den freiwilligen Tausch, das friedliche Handeln und lehnt Krieg/Gewalt ab. Niemand lässt sich gern unterdrücken oder vorschreiben, was er zu tun und zu lassen hat.

Wie sagte Erich Maria Remarque (1898–1970) im Jahre 1928? „Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hingehen müssen.“

Kriegerische Handlungen und all das, was Länder zu einer Kriegspartei werden lässt, ist der ultimative Vertrag zulasten Dritter. Warum ultimativ? Weil dieser Vertrag Leib und Leben der Menschen in den betreffenden Ländern bedroht. Niemand, auch kein Regierungsvertreter, darf die Macht besitzen, derartige Verträge eingehen oder derartige feindliche Handlungen tätigen zu dürfen. Auch dieser Punkt lässt das Konsensverfahren in einem sehr humanen und handlungslogisch überzeugenden Licht erscheinen. Die Macht einiger weniger Menschen, Verträge zulasten Dritter eingehen zu können, ist aus meiner Sicht sehr schädlich. Das gilt auch für die Macht, sich Mehrheiten über Medienpropaganda zu organisieren. Ebenso wie der positive Druck des Wettbewerbs ein Entmachtungsinstrument darstellt, so wirkt nach meiner Einschätzung auch das Konsensverfahren als Instrument zur Entmachtung. Gerade wir in Deutschland sollten die passenden Lehren aus unserer Geschichte gezogen haben.

In kleinen Unternehmen wird durchaus das Konsensverfahren praktiziert. Im Großen und gerade in großen politischen Einheiten sucht man jedoch vergeblich danach. Vielleicht, weil es zu wenige Menschen kennen oder weil es zu wenige Menschen wirklich tiefgehend durchdacht haben. Nach meiner Interpretation wäre das Konsensverfahren die logische konsequente Revolution und Lehre aus all dem Leid des vergangenen Jahrhunderts. Es ist sehr tragisch, dass die Lehren offenbar nicht gezogen wurden. Konsensverfahren ermöglichen ein Prozess des Abwägens und erschweren die Bildung fester Narrative und gewollter/beeinflusster Mehrheiten. Kleine konkurrierende Einheiten mit Haftungsstrukturen würden automatisch weise und fachlich gebildete Menschen in die Entscheidungsprozesse einbinden.

Wir sind umgeben von Verträgen zulasten Dritter und können diese Abhängigkeiten nur bedingt durch freiwilliges Handeln abbauen. Gerade die aktuellen Ereignisse geben Anlass, die Entscheidungsfindungsprozesse zu überdenken. Ich persönlich mag es nicht, wenn andere über das sogenannte Kollektiv für mich Verträge abschließen und dadurch gewisse Haftungsrisiken eingehen.

Abschließend, wie gewohnt, die gedanklichen Fragestellungen. Heute in Bezug auf Ihre möglichen Einwände:

- Sind Sie einverstanden, dass die Geldmenge durch neue Staatsschulden ausgedehnt und dadurch der Tauschwert der Geldwerte herabgesetzt wird?

- Finden Sie es gerecht, dass man große Unternehmen mit dem Argument der Systemrelevanz vor der Haftung bewahrt und so den Mittelstand benachteiligt?

- Hätten Sie Einwände gegen die Panzerlieferungen in die Ukraine?

- Fühlen Sie sich nun wohl mit dem Vertrag zulasten Dritter, Panzer zu liefern?

- Erinnern Sie sich noch an die 53 Todesopfer unter den Bundeswehrsoldaten im Zuge des Einsatzes in Afghanistan? Auch dieser Einsatz war ein Vertrag zulasten Dritter ...

- Mögen Sie Zwang und Gewalt durch eine Obrigkeit oder bevorzugen Sie die freiwillige Kooperation mit der Möglichkeit abzulehnen?

Bürgergenossenschaft Mittelsachsen

Link zur Free Cities Foundation

Freiheitliche Siedlungsprojekte

Free State Project New Hampshire

Boston.com: What to know about New Hampshire’s Free State Project

Titus Gebel: Freie Privatstädte: Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt


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