02. Februar 2023 13:00

Buchstabensuppe Sprachpolizei setzt sich gegen Staatspolizei durch

Die Zukunft der Vermisstensuche

von Sascha Koll

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Am 28. Januar 2023 veröffentlichte die Polizeidirektion Neumünster eine Pressemitteilung zu einer vermissten Person in Osdorf. Diese Pressemitteilung sorgte in gewissen Kreisen für einen Sturm der Entrüstung, denn es handelt sich bei der vermissten Person um eine sogenannte „Transperson“. Die vermisste 16-jährige Maike-Madlene M. hört laut der Pressestelle auf den Namen Jonas, ist 165 Zentimeter groß, hat eine korpulente Figur und braune kinnlange Haare mit einem leichten Rotstich. Auch die mutmaßlich getragene Kleidung und mögliche Aufenthaltsorte werden benannt. An einer solch akkuraten Personenbeschreibung sollte es doch eigentlich nichts auszusetzen geben, doch die LGBTQIAP+-Gemeinschaft sieht das anders. Nach ihrer Auffassung ist die Nennung des korrekten Namens, so wie der Hinweis auf eine Transidentität, ein Ausdruck von Transphobie bei der Polizei. Zu meiner Verwunderung hat es keinen Aufschrei aus der Body-Positivity-Szene gegeben, die auch die Beschreibung der Statur der gesuchten Person als Fettfeindlichkeit einstufen könnte.

Ich denke, Sie müssten durch die Pressemitteilung, die ich unter diesem Artikel aus dem Archiv verlinken werde, ein Bild von einer Person haben, die Sie auch auf der Straße erkennen würden. Doch wie sähe eine politisch korrekte Personensuche aus? Das möchte ich hier gerne mal ausprobieren und fragen, ob Sie die Person erkennen würden:

„Seit dem 26. Januar 2023 um 16.00 Uhr wird eine Person aus einer Wohneinrichtung in Osdorf vermisst. Ihr Alter und Geschlecht sind unbekannt, da wir sie nicht nach ihrer aktuellen Alters- wie auch Geschlechts-Identität befragen konnten. Die Person hört laut Angaben der Wohneinrichtung aktuell auf den Namen Jonas. Jonas ist ein Mensch und trägt Kleidung, zu der wir keine Aussage machen können, da sie auf den sozioökonomischen Status der Person hinweisen und damit diskriminierend sein könnte. Die vermisste Person könnte sich in Kiel in der Nähe des Hauptbahnhofs oder auch in Neumünster oder Neustadt aufhalten. Wer Jonas sieht oder weiß, wo sich die vermisste Person aufhält, meldet dies bitte bei der Polizei über den Polizeiruf 110 oder an jede andere Polizeidienststelle.“

Halten Sie nun Ausschau nach einem 16-jährigen Mädchen, das sich wie ein Junge fühlt, oder eher nach einem 16-jährigen Jungen, da „Jonas“ doch stark nach einem Jungen klingt? Ich denke, es ist wichtig zu betonen, dass es nicht darauf ankommt, wie sich eine gesuchte Person fühlt, sondern wie sie „gelesen wird“. Nicht ganz von Twitter Verblödete werden die meisten Transmänner als Frauen und Transfrauen als Männer lesen. Das liegt aber nicht immer daran, dass diese Leute transphob sind, sondern einfach nur daran, dass sie äußerliche Merkmale wahrnehmen können. Und genau um diese äußerlichen Merkmale geht es bei einer Personenbeschreibung. Man könnte das Ganze sogar noch mit folgendem ausgedachten Beispiel auf die Spitze treiben:

„Am 2. Februar 2023 um 12:00 Uhr attackierte in Grevenbroich eine Person, die auf den Namen Larissa hört, eine weitere Person mit einem Gegenstand und befindet sich derzeit auf der Flucht. Zu Alter, Geschlecht, Frisur, Haut- und Haarfarbe sowie der Kleidung können keine Angaben gemacht werden, da ansonsten auf Alter, Herkunft, Geschlecht und Aussehen der tätigen Person [ist das der korrekte Neusprech für „Täter“?] geschlossen werden kann. Ebenso machen wir keine Angaben zu dem Gegenstand, damit Shlomo und Kasper kein Material für ihre ‚Honigwabe‘ bekommen. Wenn Ihnen eine Person auffällt, auf die diese Beschreibung zutrifft, oder Sie den Vorfall als Zeuge erlebt haben, melden Sie sich umgehend bei der Polizeidienstelle Grevenbroich.“

Erfahrene Leser von Pressemitteilungen wissen sicher genau, um wen es hier geht. Einen „traumatisierten“ Flüchtling, zwischen 21 und 29 Jahre alt, männlich, Transfrau – weil es gerade hip ist –, der aus heiterem Himmel ein Messer zückt und andere Menschen angreift. Wir kennen zur Genüge, dass Täterbeschreibungen oft löchrig geschrieben werden, damit man sich ja keinen Rassismus vorwerfen lassen muss. Deswegen sollte die Polizei ab sofort auf die Nennung des Geschlechts oder Namens verzichten, allein um nicht transphob zu erscheinen. Die ermittelnden Polizisten können gar nicht wissen, welches Geschlecht eine Person hat, wenn man sie nicht vorher zu ihrer aktuellen Geschlechtsidentität befragt hat. Es wäre doch naiv zu glauben, dass man jemanden ansehen könnte, ob es sich um einen Mann oder eine Frau oder einen Jungen oder ein Mädchen handelt. Und genau deshalb hat die Polizeidirektion Neumünster nun eine weitere Pressemitteilung veröffentlicht, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:

„Am vergangenen Samstag, den 28. Januar 2023 haben wir eine polizeiliche Vermisstenmeldung veröffentlicht. Gesucht wurde ein 16-jähriger Jugendlicher, der inzwischen wohlbehalten gefunden wurde. Wir haben wahrgenommen, dass unsere Formulierungen als diskriminierend empfunden wurden und zu Diskussionen in den sozialen Medien geführt haben. Wir möchten uns aufrichtig für unsere Wortwahl entschuldigen. Wir nehmen es sehr ernst, wenn Kinder oder Jugendliche vermisst werden, und das höchste Ziel ist, dass sie unversehrt gefunden werden. Hierzu haben wir alle Informationen zur Personenbeschreibung genutzt, die uns für das Auffinden und zweifelsfreie Erkennen der vermissten Person wichtig erschienen. Es war zu keinem Zeitpunkt unsere Absicht, die gesuchte Person herabzuwürdigen oder ihre geschlechtliche Identität zu verleugnen. Auch wir wollen unsere Arbeit stetig verbessern und so werden wir den Vorfall zusammen mit der Zentralen Ansprechstelle LSBTIQ* nachbereiten und dafür Sorge tragen, dass innerhalb der Polizei weiterhin für das Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sensibilisiert wird.“

Es ist erstaunlich, wie schnell sich die bahnbrechende Innovation des Weglassens von Informationen etablieren konnte, die der Polizei vorher unerlässlich erschienen, um eine Person zu finden. Auch wenn diese Informationen wichtig sind, wird man wohl in Zukunft trotzdem darauf verzichten und die Person wird im Zweifel lieber verschollen bleiben. Was tut man nicht alles für die Schneeflöckchen auf Twitter? Ich vermute, dass zukünftige Pressemeldungen aus Neumünster auf alles verzichten, was bei der Suche hilfreich sein kann. Die Vermisstensuche der Zukunft wurde somit eingeleitet. So begeben wir uns demnächst auf die Suche nach Malte, wenn wir eigentlich Svenja suchen, und verdächtigen alte Omas mit Krückstock, wenn mal wieder ein neuer „Einzelfall“ passiert ist. Ist das schon die Einstellung einer Tätigkeit der Polizei? Vermisstensuche? Ich meine, wenn Personenbeschreibungen nicht mehr ausdrücken dürfen, wie eine Person aussieht, kann man es auch gleich sein lassen. So kann man sich auch die Arbeit beim Publizieren sparen. Man nimmt einfach die Standard-Mitteilung „Die Polizei sucht nach einer Person“. Und sollte mal ein Pferd entlaufen, fragen wir es vorher, ob es sich gerade vielleicht wie ein Meerschweinchen fühlt, und suchen dann nach einem Meerschweinchen. Schöne neue Welt.

Pressemitteilung vom 28.01.2023:

Pressemitteilung vom 31.01.2023:


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