17. Februar 2023 19:00

Schuldenturmbau zu Babel: Teil 2 Inflation als Geschäftsmodell

Über nicht direkt sichtbare „Zwangsgeschäfte“ auf Kosten der breiten Masse der Bevölkerung ...

von Benjamin Mudlack

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Franz Oppenheimer (1864–1943) war nicht nur der Doktorvater des bis heute von vielen marktwirtschaftlichen Vertretern sehr verehrten ersten Bundeswirtschaftsministers Ludwig Erhard, sondern setzte sich auch sehr kritisch mit dem Staat und möglichen Fehlentwicklungen auseinander.

Er sah Politik als Mittel zur Bewirtschaftung des Menschen mit den politischen Mitteln der Täuschung, der Propaganda, des Zwangs und unter Androhung von Gewalt an. Wenn es um die Abgrenzung ergänzender Begrifflichkeiten geht, landet man recht zügig bei der Differenzierung zwischen politischem und ökonomischem beziehungsweise wirtschaftlichem Unternehmertum.

Das wirtschaftliche Unternehmertum repräsentiert die marktwirtschaftlichen Elemente einer Volkswirtschaft. Das Generieren von wechselseitigen Win-win-Situationen steht im Fokus dieser Unternehmer. Freiwillige Tauschgeschäfte und friedvolle/freundliche Kooperation prägen das Agieren der wirtschaftlichen Unternehmer. Sie haben ihr Kapital in Produktionsmittel investiert. Mittels der Produktionsmittel produzieren sie Waren, Güter oder erbringen Dienstleistungen, um die Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen. Dabei befinden sie sich im Wettbewerb mit anderen Unternehmern, und die Kunden können frei aus einer Vielzahl von Anbietern eine Wahl treffen.

Der wirtschaftliche Unternehmer, der über einen längeren Zeitraum nicht imstande ist, die Bedürfnisse seiner Klienten zu marktgerechten Preisen zu befriedigen, kann unter Umständen vom Markt verschwinden. Er macht Verluste und sein Kapital wie auch seine Produktionsmittel wandern in andere „effizientere“ Hände, also hin zu anderen Unternehmern, die ihrem Auftrag eben besser gerecht werden und über mehr Innovationskraft verfügen. Zusammenfassend gilt festzuhalten, dass der ökonomische/wirtschaftliche Unternehmer sein Kapital auf Basis einer gesunden Wettbewerbssituation in den Dienst der Allgemeinheit stellt, um deren Versorgung sicherzustellen. Das gilt beispielsweise insbesondere auch für die Schaffung und Vermietung von Wohnraum.

Diametral demgegenüber steht der politische Unternehmer. Der politische Unternehmer stellt sich keinem Wettbewerb. Im Gegenteil, er nutzt die vorhandenen politischen Strukturen und versucht diese für sich und seine Interessen einzuspannen. Der Staatsanteil an der Jahreswirtschaftsleistung beträgt hierzulande mittlerweile deutlich über 50 Prozent. Diese hohe sogenannte Staatsquote ist mit einer marktwirtschaftlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung nicht in Einklang zu bringen. Und sie zeigt, dass mindestens jeder zweite Euro durch die staatlichen Hände geht – ein wunderbarer Nährboden für politisches Unternehmertum. Bestritten werden diese kollektiven Ausgaben durch Steuern und durch neue Staatsschulden. Die Abhängigkeit vieler Unternehmer von der staatlichen Gunst ist offensichtlich. Da der Staat jedoch nicht den Druck hat, gut zu wirtschaften, und sich nicht dem positiven Druck des Wettbewerbs ausgesetzt sieht, können die Menschen bestaunen, wie staatliche Institutionen der Reihe nach Projekte, wie den Berliner Flughafen oder den Stuttgarter Bahnhof, schlecht umsetzen. Eine Lernkurve bleibt deshalb aus, weil keiner der staatlichen Funktionsträger für seine wirtschaftlichen Fehlentscheidungen haftet – kein Schmerz, kein Lerneffekt. Das ist wie mit der Herdplatte und dem Kind ...

„Wer den Menschen nicht zu dienen in der Lage ist, der will sie beherrschen“, stellte der Ökonom Ludwig von Mises treffend in Bezug auf politisches Unternehmertum und den damit verbundenen Herrschaftsstrukturen fest. Wer also nicht in der Lage ist, Win-win-Situationen für sich und seine Kunden zu schaffen, der wartet mit Win-lose-Situationen auf. Win-win-Situationen stellen beide Seiten besser. Ein freiwilliger Tauschvorgang findet ohne Zwang statt. Win-lose-Konstellationen sind auf Sicht nur durch Gesetze, Propaganda, Verbote, Zwang und Gewalt durchführbar – kein besonders erstrebenswertes und zivilisatorisch weit entwickeltes Konstrukt.

Der Finanzierung der permanenten Ausweitung staatlicher Aktivitäten durch Steuererhöhungen sind enge Grenzen gesteckt. Höhere Steuern haben einen entscheidenden Effekt, denn sie wirken sich direkt und unmittelbar negativ auf das frei verfügbare Einkommen der Menschen aus. Das könnte Wählerstimmen kosten. Folglich erfolgt die Besteuerung zeitversetzt, und zwar, indem man die Geldmenge durch staatliche Kreditausweitung inflationiert. Nebenbei bemerkt, ist der Staat auch darüber hinaus ein großer Gewinner der Inflation und der sich aktuell auf breiter Front anschließenden Preissteigerungen. Der Staat ist durch verschiedene Steuern prozentual an den Umsätzen beteiligt. Höhere Preise implizieren höhere Umsätze und höhere Steuereinnahmen: eine Steuererhöhung durch die Hintertür. Die Kaufkraftminderung wird zumeist gar nicht mit den Folgen der Geldpolitik und Inflationierung der Geldmenge in Verbindung gebracht. Auf die Kommunikationspolitik und die Sprachverwirrung wurde letzte Woche bereits eingegangen.

Was sind nun die Geschäftsmodelle, die zentral auf der Ausweitung der Geldmenge (Inflation) beruhen?

Erstens: Das per Kreditvergabe neu geschaffene Geld lässt die Erstempfänger (Stichwort: Cantillon-Effekt) der neu geschöpften liquiden Mittel profitieren. Sie kaufen als Erstes und zu den dann noch tieferen Preisen, und zwar vornehmlich Vermögenswerte, wie zum Beispiel Aktien, Immobilien und so weiter. Internationale Finanzinstitutionen sind beispielsweise Erstempfänger. Das Geld wird durch ihre Kreditaufnahme neu geschaffen, und mit dem neu entstandenen Geld kaufen sie die besagten Vermögenswerte. Sie verschulden sich nominal, also in Euro, US-Dollar oder Co, und kaufen Substanzwerte. In der Gewissheit, dass die Geldmenge immer weiterwächst und das Geld dadurch verschlechtert wird, treiben sie dieses Spiel immer weiter. Die Geldverschlechterung ist gewissermaßen ihr Tilgungsersatz. Durch das permanent neu geschaffene Geld verknappt sich das Angebot an Aktien, Immobilien und so weiter. Die Preise steigen, weil das Angebot begrenzt ist und der Tauschwert des Geldes sinkt. Es findet eine Umverteilung von denjenigen, die Geldwerte im Bestand haben, hin zu denen, die Sachwerte auf kreditfinanzierter Basis erworben haben, statt.

Zweitens: Gängige Praxis ist es zudem, dass die Finanzinstitutionen ihre gekauften Sachwerte nach den Preisanstiegen verkaufen, um ihre Gewinne zu realisieren. Mit dem Verkauf der Substanzwerte wird ein Ertrag generiert, während der quantitative Tauschwert der nominalen Schulden (gerechnet in Geldwerten wie US-Dollar, Euro und Co) durch die Geldmengenausweitung (Inflation) immer weiter absinkt. Ein lohnendes Geschäft.

Drittens: Unternehmenskäufe fallen auch in die schon benannten Bereiche hinein. Je niedriger die Zinsen sind, desto verlockender ist es für sogenannte Heuschrecken, mittelständische Unternehmen aufzukaufen und sie später wieder mit Gewinn zu veräußern. Die Wirtschaft verliert an Kontinuität, und auf Sicht weichen die dezentralen mittelständischen Strukturen einer konzernzentralisierten Wirtschaftsstruktur.

Viertens: Ein wenig beachteter Zweig der Inflationsgeschäfte ist der Bereich der staatlichen Subventionen. Dieser Bereich ist mitunter die Königsdisziplin des politischen Unternehmertums. Die Lobbyarbeit spielt an der Stelle eine große Rolle. Die Vertreter der Sonderinteressengruppen hofieren in Berlin und Brüssel die hochrangigen politischen Akteure, um mit neuen Gesetzen an die Subventionstöpfe zu kommen, wofür sich die staatliche Bezuschussung von Elektroantrieben und auch andere Beispiele anführen ließen. Dabei lassen die Subventionsbefürworter vollkommen außer Acht, dass Subventionen die Wirtschaftsrechnung verunmöglichen und bei staatlicher Dauerbezuschussung dazu führen können, dass gesamte Produktreihen unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten nie profitabel/wirtschaftlich werden. Diese Aspekte führen auf Sicht zu Produktivitätseinbußen und Wohlstandsverlusten für gesamte Volkswirtschaften.

In einem Geldsystem ohne Geldschöpfung aus dem Nichts müsste erst ein anderer Marktteilnehmer etwas sparen oder erwirtschaften. Die Subventionen wären schlichtweg nicht finanzierbar. Die vorhandene knappe und idealerweise konstante Geldmenge würde zu einer effizienteren, umwelt- und ressourcenschonenderen Allokation führen.

Fünftens: 2007/2008 ereignete sich die Finanzkrise. Durch künstlich abgesenkte Zinsen wurden vornehmlich in den USA, aber auch in Europa Immobilienblasen erzeugt. Diese Blasen platzten, und es folgten staatliche Bankenrettungsprogramme, teilweise über staatliche Garantien, aber zum großen Teil handelte es sich um staatliche Finanzspritzen – in einem System des knappen Geldes und der Unmöglichkeit der unbegrenzten Geldschöpfung schier unmöglich. Auch die sich anschließende Euro-Krise lief nach einem ähnlichen Muster ab.

Die Banken wurden, wie auch schon 2007/2008, als systemrelevant und „too big to fail“ etikettiert. Also kaufte die EZB Schuldpapiere der Euro-Länder aus den Bilanzen der Banken und Kapitalsammelstellen. In beiden Fällen gilt der Satz: Gewinne wurden privatisiert, und die Verluste wurden über den Staat sozialisiert beziehungsweise der Allgemeinheit aufgelastet. Flankiert wurden diese Aktionen durch intensive Medienarbeit der verschiedenen politischen Unternehmer, namentlich Regierungschefs, Finanzminister, Vorstandsvorsitzende der großen Banken, staatsnahe/interventionsbefürwortende Ökonomen und so weiter.

Die Finanzhäuser hatten über Jahre des vorausgegangenen Booms sehr hohe Erträge generiert. Nun kam der sogenannte Bust, und der wurde umverteilt. Die Zeche zahlen wieder diejenigen, die Geldwerte halten oder Nominalwertansprüche haben, wie zum Beispiel die Bezieher von Renten und Pensionen, oder auch jene, die klassische Arbeitseinkommen beziehen. Die Preise für Immobilien und Aktien stiegen schneller als die durchschnittlichen Einkommen. Die Umverteilung ist offensichtlich. Die enge Verbindung zwischen Finanzlobby und Politik machte es möglich. Die Folgen waren erst Jahre später für die meisten Menschen sichtbar, und die staatlichen Schuldentürme werden durch Garantiekonstruktionen und verfälschtes Zahlenmaterial kleingerechnet.

Fazit und Folgen für die breite Masse der Bevölkerung:

Die deckungslose, nahezu unbegrenzte Geldschöpfung und die damit verbundenen Geschäftsmodelle führen zu einer nicht leistungsgerechten Verteilung von Vermögen und Einkommen. Messbar ist dieser Umstand beispielsweise im sogenannten Gini-Index. Bis zur Aufkündigung der formalen Golddeckung im Jahre 1971 war ein Trend hin zu einer höheren und sozial gerechteren Verteilung von Vermögen und Einkommen zu verzeichnen. Nach 1971 nahm das hemmungslose Gelddrucken seinen Lauf, und die Ungleichverteilung nahm heftig zu.

Während ein durchschnittlicher Einkommensbezieher in den USA 1970 ungefähr 25 Stunden zu arbeiten hatte, um sich einen Anteil am Aktienindex Dow Jones zu kaufen, so ist heute das Sechsfache erforderlich. Mit satten 150 Arbeitsstunden, also mit fast einer Woche Arbeitsleistung, ist der Kauf eines Anteils darstellbar.

Dieser Punkt verdeutlicht, wie die Wirkungsgrade beziehungsweise die Kaufkraft der Arbeitseinkommen herabgesetzt wurden. Das neu geschaffene Geld treibt die Aktienkurse in die Höhe, und diese steigen eben deutlich dynamischer als die Einkommen.

Ein weiteres Beispiel: Die Bilanz der amerikanischen Notenbank FED wuchs zwischen 1987 und 2020 im Zuge der Geldschöpfung um den Faktor 40. Das Vermögen des genialen Investors Warren Buffett ist exakt um den identischen Faktor gestiegen. Die Wirtschaftsleistung in den USA hat sich im besagten Zeitraum vervierfacht. Die Haushaltseinkommen der US-Amerikaner sind inflationsbereinigt nahezu ebenso konstant geblieben wie der durchschnittliche wiederum inflationsadjustierte Wochenarbeitslohn. Das neu geschaffene Geld kommt nicht bei der durchschnittlich arbeitenden Bevölkerung an. Auch die wachsende Wirtschaftsleistung führt bei der breiten Masse der Bevölkerung nicht zu Wohlstandszuwächsen.

Wer Geld gespart hat und davon im Alter leben wollte, der stellt jetzt fest, dass die Kaufkraft heftig erodiert ist. Für einen kleinen elitären Teil der Menschheit ist die Inflation ein Geschäft, und für die anderen ist die Inflation enteignender Natur. Im Grunde ist sie eine Steuer, die nicht als solche deklariert wird.

Gesellschaftlich und volkwirtschaftlich betrachtet führen die Zentralisierung des Geldes und die Politik der permanenten Inflation (Ausdehnung der Geldmenge) auch zu einer Zentralisierung der Wirtschaft. Der Mittelstand leidet, und es ist eine zunehmende Oligarchisierung zu beobachten. Die Verbindung zwischen großen Unternehmen, Finanzinstitutionen und der Politik ist eine unheilvolle Allianz und manifestiert sich beispielsweise beim Treffen der Lobby-Organisation des Weltwirtschaftsforums in Davos. Eintrittshürde, um die große Bühne des politischen Unternehmertums betreten zu dürfen, ist ein Jahresumsatz von fünf Milliarden US-Dollar. Damit bleibt die Tür für die mittelständischen Betriebe verschlossen. Sie haben weder dort noch in Brüssel oder Berlin eine nennenswerte Lobby – eine fatale Entwicklung ...

Mit den nachfolgenden Fragen möchte ich mich verabschieden und Ihnen ein schönes Wochenende wünschen:

  • Halten Sie politisches oder ökonomisches Unternehmertum für gesellschaftlich wertvoll und redlich?
  • Die Ausweitung der Geldmenge (Inflation) geschieht ohne Einflussmöglichkeit, aber dennoch zulasten der breiten Masse der Bevölkerung. Lässt sich dieser Umstand mit einer hochentwickelten, aufgeklärten und freiheitlich organsierten Gesellschaftsordnung vereinbaren?
  • Waren Ihnen die Zahlen und Vergleiche in Bezug auf die zunehmende Ungleichverteilung bewusst?
  • Beobachten auch Sie eine zunehmende Verschmelzung von Großkapital und Politik?
  • Wie hoch, glauben Sie, ist der Prozentsatz derer in der Bevölkerung, die von diesen „Geschäften“ mit der Inflation klar Notiz nehmen?

BenjaminMudlack: Geldzeitenwende: Vom Enteignungsgeld zurück zum gedeckten Geld

Andreas Tiedtke: Politik, wie wir sie heute kennen, ist keine wohlmeinende Veranstaltung

Franz Oppenheimer: Die Entstehung des Staates

Gini-Index USA

Wikipedia-Artikel zum Weltwirtschaftsforum


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