27. Februar 2023

r/K-Selektionstheorie Linke und rechte Gehirne (Teil 2)

Es gibt sie tatsächlich!

von Philipp A. Mende (Pausiert)

In der letzten Kolumne ging es darum, auf Basis unterschiedlicher Amygdala-Funktionen, die in „linken“ und „rechten“ Gehirnen nachgewiesen wurden, eine womöglich plausible(re) Erklärung für die Unvereinbarkeit beider Seiten ausfindig zu machen. Wir erinnern uns: Personen mit Amygdala-Fehlfunktionen aufgrund von Läsionen beurteilen (evidente) Bedrohungen eher als „zugänglich“ oder vernachlässigbar. In Kriegsangelegenheiten versuchen Linke tendenziell, eine Strategie der Konfliktvermeidung umzusetzen, indem man sich Bedrohungen unvoreingenommen nähert, um Verhandlungen und Beschwichtigungen alias „Appeasement“ zu führen. Diese Prämisse wird durch eine andere klassische Studie über Rhesusaffen gestützt. In dieser Studie beschrieben Forscher Affen mit Läsionen in der Amygdala als „verzögert in ihrer Fähigkeit, gefährliche Konfrontationen vorherzusehen und zu vermeiden“.

Und in der Tat wurde in einer anderen Studie an Affen der Schläfenlappen des Gehirns (der die Amygdala enthielt) entfernt, woraufhin krasse Verhaltensänderungen beobachtet werden konnten. Vor der Operation wurde berichtet, dass ein Affe sehr wild und sogar wütend gewesen sei und jede Person angegriffen habe, die ihn ärgerte oder versuchte, ihn zu berühren. Nach der Operation berichteten die Forscher hingegen, dass er sich freiwillig und gleichgültig allen Personen nähere, sich anfassen oder sogar hänseln oder ohrfeigen lasse, ohne irgendeinen Versuch der Vergeltung zu unternehmen oder zu versuchen, zu entkommen. Bei einem anderen Affen in diesem Experiment wurde dieselbe Veränderung dieses Verhaltens festgestellt. Der Affe sei zahm und zeige keine Angst vor Menschen, aber unkontrollierbare Leidenschaft bei der Annäherung anderer Affen, so dass es jetzt notwendig sei, ihn allein in einen Käfig zu sperren.

Interessanterweise ist eine Schädigung der Amygdala mit dem Klüver-Bucy-Syndrom verbunden, einer psychologischen Störung, die mit Fügsamkeit (Abwesenheit von Aggression oder Angst) und einer promiskuitiven Hypersexualität einhergeht, die auch zwanghafte Paarungsversuche mit ungeeigneten Partnern oder Objekten beinhalten kann. Läsionen der Amygdala werden mit vermindertem Aufwand bei der Kindererziehung in Verbindung gebracht, was wiederum ein allgemein anerkanntes Verhaltensmerkmal des r-selektierten Organismus darstellt.

Da die Entwicklung der Amygdala mit dem Konservatismus zusammenhängt, deuten diese Daten auch darauf hin, dass jüngere Personen mit weniger entwickelten Amygdalas eher zu Strategien des r-Typs wie dem „Linkstum“ neigen, zumindest bis sie reifer werden. Das durchschnittliche menschliche Gehirn ist erst mit dem 25. Lebensjahr vollständig „entwickelt“, was im Übrigen auch erklärt, warum staatliche Schulen und Universitäten seit jeher die perfekten Kaderschmieden für das Indoktrinieren oder Verfestigen (um nicht zu sagen Heranzüchten) von r- oder K-Strategien bei Kindern, Jugendlichen und Adoleszenten darstellen beziehungsweise würde dies zumindest teilweise erklären, warum seit geraumer Zeit vor allem junge Menschen anfälliger für linkes Gebaren sind (sich dabei aber durchaus als „Ausnahme“ oder „Rebell“ betrachten).

Dies wäre insofern von Vorteil, da die r-Strategie der Konfliktvermeidung eine geeignetere Strategie für einen unfitteren, unreiferen und unfähigeren Organismus in einer wettbewerbsorientierten, aggressiven Spezies darstellt. Dies würde bedeuten, dass ideologische Konversionen vom „Linkstum“ zum Konservatismus („Rechtstum“) mit zunehmender Reife der Individuen häufiger vorkommen würden als umgekehrt. Dies könnte auch die Ergebnisse von Professor Doktor John Jost (siehe letzte Kolumne) erklären, wonach ängstliche Stimuli (welche die Amygdala erregen und dadurch entwickeln würden) ideologische Konversionen von Linken zu Konservativen auslösen können; allerdings scheinen keine entsprechenden Stimuli Konversionen vom Konservatismus zum Linkstum auszulösen. Das deckt sich wahrscheinlich nicht nur mit meiner empirischen Erfahrung, wonach es heute wesentlich mehr Konservative, klassisch Liberale und auch Libertäre gibt, die einst links waren, aber nicht umgekehrt. Auch das berühmte Zitat „Wer als 20-Jähriger kein Linker ist, hat kein Herz – wer mit 40 immer noch ein Linker ist, hat keinen Verstand“, welches von Winston Churchill bis Theodor Fontane und von Bertrand Russell über Benedetto Croce bis hin zu George Bernhard Shaw und Björn Engholm allen möglichen Berühmtheiten zugeschrieben wird, macht vor diesem Hintergrund (mehr) Sinn. Einmal entwickelt, würde es nämlich eines Reizes bedürfen, der die Amygdala verkümmern lässt, um einen solchen Wechsel von der politischen Rechten zur Linken auszulösen.

Die Amygdala bietet einen eindeutigen neurostrukturellen Mechanismus, der die Modulation von Aggression/Konflikt, Sexualverhalten und Investitionen in beziehungsweise Aufwand bei der Kindererziehung vereint, drei Verhaltensfacetten also, die „zufälligerweise“ mit einem r-selektierten Organismus verbunden sind. Die Tatsache, dass die Amygdala auch mit politischer Neigung in Verbindung steht, unterstützt die Theorie der politischen Ideologie als intellektuelle Manifestation einer r-selektierten oder K-selektierten darwinistischen Strategie. Andernfalls lägen mittlerweile für meinen Geschmack etwas zu viele „Zufälle“ vor.

Zukünftige Studien (sofern es sie nicht schon gibt) sollten weiter untersuchen, ob verringerte Amygdala-Volumen bei Linken eine Folge der Vermeidung von Wettbewerbsrisiken oder eine eher genetisch-biologisch bedingte, strukturelle Anomalie verkörpert. Funktionelle Neuroimaging-Techniken bieten auch eine ausgezeichnete Möglichkeit zu untersuchen, ob diese verminderte Amygdala-Entwicklung eine durch eine Läsion vermittelte Dysfunktion der Struktur imitiert. Neuroimaging bezeichnet laut Wikipedia „die medizinische Abbildung des Nervensystems beim einzelnen Menschen und ist ein bildgebendes Verfahren.“ Dies würde einen möglichen neurologischen Mechanismus erklären, durch den ein Individuum, das innerhalb einer kriegerischen, konkurrenzbetonten Spezies lebt, dazu veranlasst werden könnte, sich Bedrohungen ohne jede Vorsicht zu nähern („Wir schaffen das!“), um sich entweder auf „Verhandlungen“ einzulassen oder die damit verbundenen Folgeschäden quasi achselzuckend in Kauf zu nehmen.

Die Universität Stuttgart beschreibt den anterioren, cingulären Cortex (ACC) als Teil des Präfrontalcortex, „das heißt einem Teil der vorderen Hirnrinde, welcher zahlreiche höhere Hirnfunktionen steuert, wie zum Beispiel die Entscheidungsfindung, komplexe Lernvorgänge, Sozialverhalten und so weiter“. Und obwohl er in seiner Funktion vielleicht zu komplex ist, um aus bisherigen Studien irgendwelche Schlussfolgerungen zu ziehen, ist es erwähnenswert, dass eine starke Korrelation zwischen der Aktivierung des ACC und der Erzeugung von Neid gezeigt wurde, wenn andere Personen mit einem höheren Maß an Besitztümern betrachtet werden. Ein erhöhter Neid auf den Erfolg anderer in einem von Regeln geprägten Wettbewerb könnte theoretisch eine psychologische Motivation zum Regelbruch darstellen. Eine solche Strategie würde das Spielfeld mit geschickteren und erfolgreicheren Konkurrenten ausgleichen, welche wiederum als K-selektierte Exemplare eine erhöhte Anpassung und Fähigkeiten als K-selektierte Exemplare genössen.

Fortsetzung folgt.

Philipp A. Mende: Widerstand. Warum zwischen linker und rechter Politik eine Schlacht der Gene wütet.

Neuroimaging (Wikipedia)

Anteriorer, cingulärer Cortex (Uni Stuttgart)


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