03. März 2023

Statistikakrobaten und willkürliche Methodenveränderung Inflation ist nicht gleich Teuerung

Über die Veröffentlichung einer statistischen Illusion als Mittel der Täuschung, um eine lockere Geldpolitik zu argumentieren

von Benjamin Mudlack

Im Rahmen dieser Kolumne wurde es mehrfach thematisiert und mir ist sehr an einem grundlegenden Paradigmenwechsel in Bezug auf die Inflationsdefinition und -diskussion gelegen.

Die breite Masse der Bevölkerung lässt sich erheblich täuschen, wenn es um die Herabsetzung der Kaufkraft und das Ausmaß dieser durchweg finanzrepressiven Thematik geht. Es gibt universelle Naturgesetze, die sich nicht einfach ignorieren lassen. Dazu zählt das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens. Es besagt, dass der Nutzen eines jeden einzelnen Gutes umso mehr abnimmt, je mehr eine mengenmäßige Zunahme des Gutes stattfindet. Dieses Naturgesetz gilt auch für das Geld als das Tauschgut schlechthin. Vorweggeschickt nochmals die klare begriffliche Abgrenzung:

Erstens: Inflation (aus dem Lateinischen inflare gleich aufblähen) bezeichnet das Aufblähen der Geldmenge. Von 1999 bis Ende 2022 wurde die Geldmenge im Euro-Raum von 4.667 Milliarden Euro auf über 16.000 Milliarden (Faktor 3,4) durch Kreditausweitung (vornehmlich zusätzliche Staatsverschuldung) aufgebläht. Ausdruck dieser Geldverschlechterung: Ein Euro von 1999 hat heute nur noch den rein quantitativen Tauschwert von ungefähr 0,29 Euro.

Zweitens: Die gestiegene Geldmenge wird nachfragewirksam. In der Folge kommt es in den Gütermärkten, in denen das neu geschaffene Geld für zusätzliche Nachfrage sorgt, zu Verknappungen. Aus dieser Angebotsverknappung resultiert dann ein geringerer Tauschwert für das Geld. Die Preise, gerechnet in Euro, steigen. Sie benötigen also mehr Euro, um das entsprechende Gut zu kaufen. Zum Jahresstart 1999 musste man beispielsweise rund 345 Euro im Tausch gegen eine Unze Gold hinlegen. Heute sind über 1.700 Euro (fast Faktor fünf) notwendig, um eine Unze Gold zu erhalten. Gerechnet in Gold, wurde somit der Tauschwert um ungefähr 80 Prozent herabgesetzt. Steigende Quantität des Geldes vermindert dessen Qualität, und das manifestiert sich in Form des rückläufigen Tauschwertes.

Preise bestimmen übrigens entgegen der weitläufigen Annahme nicht den Wert eines Gutes. Ein Preis ist das höchst subjektive und individuell unterschiedliche Werturteil eines jeden einzelnen Menschen. Dem einen Menschen ist ein teures Auto einige Zehntausende Euro oder mehr wert und dem anderen Menschen eben nicht. Preise bilden sich auf Basis von Marktphänomenen und im Rahmen des freiwilligen Tausches. Es sind Tauschpreise, die sich immer auch lediglich auf die Vergangenheit beziehen und nichts über die Zukunft aussagen. Insofern sind Zukunftsprognosen mit Blick auf Preisentwicklungen höchst unseriös und wissensanmaßender Natur.

Gerade wenn wir die Tauschpreisentwicklung von Euro gegen Gold betrachten, sollten einige Punkte klar werden. Preise sind relativ und zeigen die sich permanent wandelnden Knappheitsverhältnisse an. Die Geldmenge im Euro-Raum hat sich von 1999 bis 2022 um den Faktor 3,43 gesteigert. Die Knappheit hat abgenommen, und die Tauschrelation zu einer Unze Gold stieg um fast um den Faktor fünf. An diesem Beispiel wird es deutlich: Das Werturteil und somit der am Markt zustande gekommene Austauschpreise stehen und fallen mit der Knappheit eines Gutes, und zwar in Relation (Tauschrelation) zu einem anderen Gut.

Die Differenzierung zwischen Geldmengenwachstum (Inflation) und Minderung der Kaufkraft (Teuerung) ist im öffentlichen Meinungsbild überhaupt nicht präsent. Gemeldet und diskutiert wird ausschließlich das, was vom Statistischen Bundesamt, der EZB oder von Eurostat veröffentlicht wird. Diese Zahlen basieren auf dem sogenannten harmonisierten Verbraucherpreisindex. Weder die Quantität der Geldmenge noch die Preise für Vermögensgüter (Immobilien, Aktien und so weiter) finden Berücksichtigung. Darüber hinaus ist die Zusammensetzung des Index höchst subjektiv, und der willkürlichen Veränderung sind Tür und Tor geöffnet. Jeder Mensch hat zudem andere Konsum- und Investitionspräferenzen und folglich eine andere individuelle Teuerungsrate.

Interessant wird es zudem, wenn man auf die Veränderung der Zusammensetzung blickt. Das war auch mein Impuls für diesen Beitrag. Denn per Ende Februar wartete das Statistische Bundesamt nun mit einer Sensationsmeldung in Form einer Art Beruhigungspille auf. Das Internetportal der „Deutschen Wirtschaftsnachrichten“ titelte am 22. Februar 2023 wie folgt: „Neuer Warenkorb: Inflation sinkt deutlich!“

Also hätten die Mahner einer lockeren Geldpolitik wieder einmal übertrieben und alles sei gar nicht so schlimm? Interessant wird es dann, wenn man sich einmal die Mühe macht und sich die Entwicklung der Berechnungsmethode des Statistischen Bundesamtes ansieht. Wohnung, Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe wurden 2020 mit 233,06 Promille gewichtet, 2021 mit 253 Promille und jetzt im Jahr 2023 nur noch mit 165 Promille. Es liegt auf der Hand, dass die Preistreiber niedriger gewichtet werden, damit die Teuerungsrate auf Basis des Index sinkt. Humoristisch betrachtet, gleicht die Produktion des Ergebnisses einer kontrollierten Würfelaktion. Übrigens bezeichneten die „Deutschen Wirtschaftsnachrichten“ die Zusammenstellung des Warenkorbes in einem Beitrag vom 24. April 2022 als eine einzige Täuschung. Sämtliche benannte Quellen können Sie unterhalb der Kolumne einsehen.

Die gesamte sorgsam orchestrierte Propagandaaktion rund um die Veränderung des Warenkorbes erfuhr am Montag, den 27. Februar 2023m eine Art Abrundung. Auf dem Webportal des Nachrichtensenders ntv wurde eine Meldung aus dem Kanzleramt zitiert. Die konzertierte Aktion sei ausgesetzt und die Inflationskrise nun überwunden. Begleitet wurde diese Meldung von Prognosen im Hinblick auf die weiteren Entwicklungen der Teuerungsrate. Man geht von einer sich abschwächenden Teuerungsdynamik aus. Gleichsam ist keine saubere begriffliche Abgrenzung zwischen Inflation (Geldmengenausdehnung) und Teuerung (Kaufkraftminderung) im Rahmen der Verlautbarung ersichtlich. Warum auch? Die staatlichen Akteure benötigen zusätzliche Kreditmittel, um beispielsweise Rüstungsgüter zu kaufen oder aber den Haushalt im Allgemeinen und andere staatliche „Wohltaten“ zu finanzieren.

Genau wie mein Hund der als gefräßig bekannten Rasse Labrador nicht imstande ist, einen Vorrat mit Hundeleckerlis anzulegen, so sind Politiker nachweislich und bestens dokumentiert total unfähig, kaufmännisch solide/seriös zu wirtschaften. Ohne die schier unendliche Kreditgeldschöpfung und die sogenannte monetäre mandatsferne Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank wäre das Spiel längst vorbei. Unter marktwirtschaftlichen Aspekten wären die Länder der Euro-Zone vor Jahren schon zahlungsunfähig geworden. Und jeder Euro zusätzliche Staatsschuld erweitert bekanntlich die Geldmenge und setzt die Qualität des Geldes in Form der Kaufkraftminderung (Tauschwert gegen andere Güter sinkt) herab.

Die als Inflationsregime zu bezeichnenden Abläufe sollen auf Basis einer „Whatever it takes“-Mentalität ohne Rücksicht auf Verluste Fortsetzung finden. Insofern liegt ein klarer Interessenskonflikt vor – sowohl in Bezug auf Politik und Notenbank als auch mit Blick auf die staatlichen Statistiker der entsprechenden Ämter. Die Kundschaft, also das Wahlpublikum, soll stimmungstechnisch bei Laune gehalten werden, und so braucht es Meldungen, die den Anschein erwecken lassen, als hätte man die Lage geldpolitisch im Griff. Auch staatsnahe Ökonomen bestätigen dieses Narrativ in den allseits bekannten TV-Formaten. Kritische Stimmen kommen kaum zu Wort.

Nicht nur in Europa, sondern ebenso in den Vereinigten Staaten von Amerika wurde die Berechnungsgrundlage für die Errechnung der Teuerungsraten immer wieder erheblich verändert. Auf Basis der Methodik der 1980er Jahre läge die Teuerungsrate in den USA um ungefähr fünf Prozent höher, als es die letzten Jahre veröffentlicht wurde. Es ist fraglich, ob mit der alten Berechnungsgrundlage die lockere Geldpolitik in der Bevölkerung Rückhalt gefunden hätte.

Ludwig von Mises sagt zur Messung von Preisen in seinem Werk „Human Action“: „Alle vorgeschlagenen Methoden zur Messung der Kaufkraftveränderungen einer Geldeinheit beruhen mehr oder weniger unwissentlich auf dem Scheinbild eines ewigen und unveränderlichen Wesens, das durch die Anwendung eines unveränderlichen Maßstabs bestimmt, wie viel Befriedigung eine Geldeinheit ihm vermittelt. Es ist eine dürftige Rechtfertigung für diese unkluge Idee, dass es nur darum geht, Veränderungen in der Kaufkraft des Geldes zu messen.“

Fazit und Vergleich des Zahlenmaterials:

Seit der Etablierung des Euro-Systems im Jahre 1999 bis 2022 wurde kumuliert eine Teuerungsrate (bezeichnet wird es offiziell als Inflationsrate) in Höhe von 41,2 Prozent veröffentlicht. Die Inflation, also die Aufblähung der Geldmenge, fiel mit etwas über 242 Prozent deutlich höher aus. Das Täuschungsdelta von etwa 200 Prozent ist schon erheblich, auch wenn es natürlich rein quantitativ anzusehen ist. Dennoch ist auf Basis des Gesetzes des abnehmenden Grenznutzens der rein quantitative Tauschwert in diesem Zeitraum um 71 Prozent gefallen; in Gold gerechnet, wie thematisiert, gar um circa 80 Prozent. Die Verneinung und Ignorierung der Naturgesetze implizieren nicht deren Abwesenheit! Das gilt ganz besonders für das Geld mit Verweis auf das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens.

Schon seit Jahren sind die Auswirkungen der Politik des hemmungslosen Gelddruckens für die Mittelschicht spürbar. Die Häuserpreise sind im Zuge der Geldschwemme deutlich dynamischer als die Einkommen gestiegen. Ergo kann sich der Durchschnittslohnbezieher kaum noch ein Eigenheim leisten. Einige Menschen und auch diejenigen, die ihren wohlverdienten Ruhestand genießen wollten, sind kaum mehr in der Lage, ihre Lebenshaltungskosten zu bestreiten. Staatliche Kostentreiber, wie zum Beispiel die Einführung der CO2-Besteuerung oder die Erhöhung der Grundsteuer, entfalten ebenfalls ihre negative Wirkung.

Spätestens seit 2021 sind die Steigerungsraten in den sogenannten Konsumgüterpreisen nicht mehr wegzudiskutieren. In dieser Zeit beschwichtigten Repräsentanten der EZB noch die Situation. Die Steigerungen seien vorübergehend. Der Leiter des staatlichen DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) glorifizierte gar die Geldentwertung. Sie sei (siehe Kolumne im „Handelsblatt“) wichtig und willkommen, um die „grüne Transformation“ der Wirtschaft zu beschleunigen.

Die komplette Kommunikationspolitik der staatsnahen Institutionen und Wissenschaftler ist ein einziges Theaterschauspiel: ein Schauspiel zur Täuschung und Beruhigung der Bevölkerung. Die mathematischen Modelle der Europäischen Zentralbank ergaben über Jahre hinweg, dass die Zielmarke von zwei Prozent erreicht wird, beziehungsweise warnte man panisch vor den Auswirkungen einer Deflation, wenn die Rate darunterliegen würde. Die Modelle sind nun nachweislich grandios gescheitert. Die Inputdaten wurden verändert, damit das gewünschte Ergebnis von zwei Prozent (auch das ist Enteignung) produziert wird. Zum Leidwesen der Menschen auf diesem Kontinent konnte so eine lockere Geldpolitik scheinlegitimiert werden. Es ist unerlässlich, dass die Menschen kritischer mit den veröffentlichten Zahlen umgehen. Vor allem sollte in erster Linie der Blick auf die Entwicklung des Geldmengenwachstums gelegt werden. Denken Sie an das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens.

Ludwig von Mises zu der Existenz eines Preisniveaus mit Blick auf die Quantitätstheorie: „‚Wenn man von einem „Preisniveau‘ spricht, hat man das Bild eines Flüssigkeitspegels im Sinn, der je nach Menge steigt oder sinkt, so wie eine Flüssigkeit in einem Tank gleichmäßig steigt. Aber bei Preisen gibt es kein ‚Niveau‘. Die einzelnen Preise ändern sich nicht in gleichem Maße. Es gibt immer Preise, die sich schneller ändern, schneller steigen oder fallen als andere Preise.“

Abschließende gedankliche Fragestellungen:

  • War Ihnen und Ihrem Umfeld die Bedeutung der klaren begrifflichen Abgrenzung zwischen Inflation und Teuerung bewusst?
  • Ist der breiten Maße der Bevölkerung das Naturgesetz des abnehmenden Grenznutzens mit Blick auf die Quantität und dann auch Qualität (sinkender Tauschwert durch geringeren Nutzen – siehe Gold versus Euro) der Geldmenge bekannt?
  • Sind Sie nach diesen Ausführungen auch der Auffassung, dass es sich bei der Messung und Veröffentlichung der Teuerungsraten mitnichten um eine wissenschaftlich einwandfreie Methodik handelt?

Benjamin Mudlack: „GeldZeitenwende – vom Enteignungsgeld zurück zum gedeckten Geld“

Statistisches Bundesamt: Methode zur Gewichtung des Verbraucherpreisindex

Antony P. Müller: Warum man „Inflation“ nicht messen kann

Teuerungsraten USA: Vergleich mit früheren Messmethoden

„Deutsche Wirtschaftsnachrichten“: Neuer Warenkorb: Inflation sinkt deutlich

„Deutsche Wirtschaftsnachrichten“ Inflation: Der Warenkorb ist eine einzige Täuschung

ntv: „Kanzleramt hält Inflationskrise für überwunden“

Statista: Inflationsrate in Deutschland von 1950 bis 2022

https://twitter.com/MFratzscher/status/1444588410715394051

„Handelsblatt“: Die höhere Inflation ist willkommen – und notwendig für die Transformation der deutschen Wirtschaft


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