Vom Incel zur Transfrau: Trans-Maxxing als Korrektiv?
Wenn Männer, die nicht an einer Geschlechtsdysphorie leiden, zu Frauen werden wollen
von Sascha Koll
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Diese Woche habe ich Lust, die Kommentarsektion brennen zu sehen. Ich bin vergangenen Samstag über ein mir neues Phänomen gestolpert: Trans-Maxxing. Auf dem Youtube-Kanal „Clownswelt“ unterhielten sich zwei rechte Hetzer mit Tina, einer Transfrau, die einen ungewöhnlichen Grund für ihre Transition nannte. Denn Tina leidet nicht an einer Geschlechtsdysphorie, fühlt sich also nicht im falschen Körper geboren, sondern sieht in der Transition eine Lösung für ihr eigenes Incel-Problem. Incel ist ein englisches Kofferwort, das sich aus den Anfangsbuchstaben der Wörter „involuntary“ und „celibate“ zusammensetzt. Bei Incels handelt es sich also um Personen, die unfreiwillig sexuell enthaltsam leben. Das sind zumeist Männer, die aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage sind, eine sexuelle oder romantische Beziehung zu einer Frau aufzubauen.
Tina, die sich bereits ein Jahr in der Transition befindet, sieht für das Incel-Problem nur zwei Auswege: nicht mehr zölibatär zu leben oder vom Incel zum Volcel zu werden, also bewusst und freiwillig (voluntary) im Zölibat zu leben. Den ersten Weg werden viele von Frauen verschmähte Männer vermutlich bereits versucht haben. Die sogenannte „Redpill-Szene“, die sich der Aufklärung der Männer verschrieben fühlt, beschäftigt sich genau mit diesem Weg: die Attraktivität steigern und betroffenen Männern so zum Erfolg bei Frauen zu verhelfen. Dabei geht es nicht nur darum, aus seinem Körper das Beste herauszuholen, sondern auch um die Überwindung destruktiver Denkmuster und das Erlernen von Männlichkeit. Der Aufbau eines echten Selbstbewusstseins und eines sozialen Status wie auch die Optimierung des Körpers gehören laut „Redpill“ dazu, um die Attraktivität auf Frauen zu steigern. Es bedeutet viel Arbeit an und mit sich selbst, wenn man vom schmächtigen, verschüchterten Männchen zum Alphamann aufsteigen will. Eine Garantie auf Erfolg bei Frauen gibt es nicht, doch sollte man sich meiner Meinung nach ohnehin nicht für andere verändern, sondern für sich selbst. Der Erfolg bei Frauen sollte als Bonus verstanden werden und nicht das Ziel der ganzen Strapazen – sich mal ein wenig selbst zu reflektieren – sein. Manche lernen dies erst auf dem Weg zum „Superstecher“, manche aber auch gar nicht. Sie machen sich dann selbst etwas vor und, ja, das bemerken die Frauen rasch. Die geübte Frau erkennt eine Mogelpackung schon im Supermarktregal, deshalb halte ich auch nicht viel von „Pickup-Techniken“, die nur mit dem Ziel einstudiert werden, vielleicht doch mal bei einer von hundert Frauen zu landen, die sich von einem vorgespielten Selbstbewusstsein täuschen lässt und dann feststellen muss, dass es sich bei dem Fang doch nur um einen Lappen handelt.
Das freiwillige Zölibat, das aus Überzeugung gelebt wird, kennen die meisten wahrscheinlich nur aus der Kirche, doch es gibt auch Männer, die ganz ohne religiösen Glauben auf eine sexuelle oder romantische Beziehung verzichten, weil sie davon überzeugt sind, keine Frau für ihr Seelenheil zu brauchen. Ich stelle immer wieder fest, dass Männer sich durch Frauen validieren lassen. Sie gehen davon aus, dass man nur ein echter Mann sei, wenn man auch eine Frau an seiner Seite hat. Das sind dann auch die, die einem ständig auf den Geist gehen, man solle sich doch mal wieder eine suchen. So, als könne man ohne nicht glücklich sein.
Tina war Incel und ist nicht durch eine Persönlichkeitsentwicklung und das Ablegen des Glaubens, man könne nur mit einer Frau glücklich werden, zum Volcel geworden, sondern durch die medikamentöse Reduktion ihres Sexualtriebs. Sie nimmt ein Medikament ein, das sonst nur Transsexuelle und Sexualstraftäter bekommen und musste zum Beschaffen des Medikaments eine Geschlechtsdysphorie vortäuschen. Die Alternative, so sagt sie, sei, ein Sexualverbrechen zu begehen, um an die Medikamente zu gelangen. Sie ist also den gleichen Weg gegangen wie jeder gewöhnliche Transsexuelle: über den Psychologen. Sie wollte das Gesundheitswesen nach eigenen Angaben nicht ausnutzen, sah aber keinen anderen Weg, da die von ihr gewünschten Medikamente nicht frei handelbar sind. Da rennt Tina bei mir als Libertären offene Türen ein. Ich bin der Meinung, dass jeder konsumieren dürfen sollte, was er für richtig erachtet, auch wenn es etwa ein Entwurmungsmittel für Pferde ist, um sich von Corona zu heilen oder sich wie Tina selbst chemisch zu kastrieren. Ein Problem für mich als Libertärer ist es dann, wenn ich das indirekt durch meine Steuern und Abgaben bezahlen muss. So wurde auch Tinas Selbstbehandlung durch den im aktuellen System notwendigen Besuch beim Psychologen zum erhöhten Kostenfaktor für mich, der dadurch vermieden werden könnte, dass Medikamente auf eigene Kosten frei handelbar wären. Tina möchte ich hier keinen Vorwurf machen, da ich ihr glaube, dass sie gerne den leichteren und ehrlichen Weg gegangen wäre und sich die Medikamente einfach in der Apotheke beschafft hätte, wenn dies möglich gewesen wäre.
Was ich an der Geschichte so spannend finde, ist nicht, dass Tina eine Transfrau ist, denn diese sind für mich nichts Besonderes – das tut jetzt sicher einigen weh, wenn ich sie nicht für ihre Krankheit abfeiere und auf ein Podest hebe, denn Transfrauen gehören dadurch, dass sie im politischen Alltag etabliert sind, auch zu meinem Alltag. Mich faszinieren Tinas Beweggründe, denn diese unterscheiden sich stark von denen gewöhnlicher Transsexueller und widersprechen sogar dem feministischen Narrativ, wonach man als Frau von der Gesellschaft unterdrückt werde. Zudem argumentiert sie, dass, sollte sie den Weg der Optimierung ihrer Männlichkeit gehen, bei Erfolg jemand anderen zum Incel machen würde. Diese Qual wolle sie niemanden zumuten. Man könne das Incel-Problem auch nicht gesamtgesellschaftlich lösen, da auf 100 geborene Frauen 107 Männer geboren würden, wodurch es statistisch immer sieben Männer auf 107 gäbe, die zum Inceltum verdammt seien.
Tina sah zwar eine Lösung für ihre unerfüllten Wünsche nach Sexualität und Beziehung in den Medikamenten, die ihren Sexualtrieb zügeln, aber das macht sie noch nicht zur Trans-Maxxerin, worum es hier eigentlich gehen soll. Sie dachte sich, dass, wenn sie schon diese Medikamente nimmt, um ihr Incel-Problem zu lösen, sie auch die Vorteile mitnehmen könne, die man als Frau von der Gesellschaft auf dem Silbertablett serviert bekommt. Das Trans-Maxxing-Manifest, das ich nicht selbst gelesen habe, soll 13 Vorteile des Trans-Maxxing auflisten. Sie selbst besucht Frauen vorbehaltene Vorlesungen an ihrer Universität, hat Zugang zum Trans-Dating-Markt bekommen und war dort sogar erfolgreich. Wobei ich persönlich keinen Erfolg darin sehen würde, eine Transfrau zu daten, aber für Tina sind Transfrauen eben Frauen, und was geht es mich an, mit wem sie schläft? Des Weiteren erwähnt sie den Zugang zu Quotenplätzen, da sie sich so einen Vorteil gegenüber anderen Männern verschaffen kann. Eine weitere positive Wirkung soll sein, dass sie sich nicht mehr durch Frauen sexuell manipulieren lässt. Das erklärt sich dadurch, dass sie von Frauen keine schönen Augen gemacht bekommt, um Dienstleistungen oder Ressourcen auf diese zu übertragen. Mutmaßlich war sie damals jemand, der Frauen jeden Wunsch erfüllte, schön die Stempelkarte mit Gefälligkeiten vollgemacht hatte, um am Ende die Belohnung, den Sex, zu bekommen, diesen jedoch nie bekam. Und um es nur schnell für die Nicht-alle-Fraktion klarzustellen: Nein, nicht jede Frau manipuliert Männer, um an deren Ressourcen zu kommen. Ob Tina das auch so sieht, weiß ich nicht, doch sie selbst manipuliert, um dadurch Vorteile für sich zu erschleichen.
Trans-Maxxing hat zum Ziel, als Frau wahrgenommen zu werden und damit die größtmögliche Zahl von Privilegien zu erhalten, die es eigentlich in einer gleichberechtigten Welt gar nicht geben sollte. Es erscheint widersprüchlich, wenn Feministen davon erzählen, wie unterdrückt die Frauen in unserer Gesellschaft sind und es gleichzeitig Männer gibt, die das Frausein als Maximierung ihrer Vorteile ansehen und den Weg der Transition gehen. Wer liegt hier nun falsch? Die Feministen oder die Trans-Maxxer? Irgendetwas muss ja an den Privilegien der Frau dran sein, und wer sich gelegentlich im „Redpill“-Universum umtreibt, kennt diese auch. Allerdings wird Tina nicht auf alle zugreifen können, da sie nicht gebärfähig ist und demnach zum Beispiel nie einen Sorgerechtsstreit haushoch gewinnen wird. Zu diesem Thema empfehle ich den englischen Dokumentarfilm „The Redpill“ der Feministin Cassie Jaye, der eigentlich zum Ziel hatte, die Männerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten als Frauenhasser bloßzustellen und zu einem für Jaye überraschenden Ergebnis führte. Männer und Frauen sind vor dem Recht nicht gleich, und das belegt „The Redpill“ auf eindrucksvolle und erschreckende Weise.
Als jemand, der immer zuerst darüber nachdenkt, wie man Hürden umgehen beziehungsweise hacken kann, finde ich das Hacking des Systems, das Frauen zunehmend Vorteile verschafft und Männer am langen Arm verhungern lässt (man betrachte die Förderung von Mädchen in der Schule, die es für Jungen seltener bis gar nicht gibt), irgendwie ansprechend, auch wenn für mich persönlich nichts wäre. Ich hoffe, dass Tina die richtige Entscheidung getroffen hat, um ihr Problem für sich zu lösen, und dass sie mit ihrem Hack Erfolg hat. Und das auch, um Feministen kotzen zu sehen, die behaupten, Frau ist, wer sich als Frau fühlt, und dann nicht mehr definieren können, als was man sich jetzt genau fühlt (Was ist eine Frau?), da es sich hier um ein zirkuläres Argument handelt. Wenn Männer nun die geschaffenen Privilegien ergaunern, die Feministen eigentlich nur für Frauen vorgesehen hatten, und diese nicht mal etwas dagegen sagen können, da sie sonst die J. K. Rowling machen müssten, belustigt mich sehr. Sie können Tina ihre Privilegien nicht madig machen, ohne sich als TERFs (Trans-Exclusionary Radical Feminism, zu Deutsch: Trans-ausschließender radikaler Feminismus) zu outen. Tina fühlt sich laut eigenen Angaben zwar nicht als Frau, hat aber das Ziel, als solche gelesen zu werden, und das Transsein kann man ihr nicht absprechen, sie ist es zweifelsohne.
Sollte sich Trans-Maxxing zum Trend entwickeln, bin ich gespannt, wie die LGHDTV+-Bewegung und Feministen darauf reagieren werden. Tina selbst musste schon mit Ablehnung aus diesen Kreisen leben lernen, als sie offenbarte, dass sie nicht unter einer Geschlechtsdysphorie leidet, sondern aus dem Inceltum transitiert. So inklusiv ist die Bewegung dann doch nicht. Ob Trans-Maxxing vielleicht auch als Korrektiv gegen die neue, ins Gegenteil umgeschlagene Ungleichbehandlung der Geschlechter wirken kann, ist eine spannende Frage, die möglicherweise bald beantwortet wird. Immerhin wurde vor Kurzem einem Grünen das Frausein abgesprochen, als er versuchte, sich dadurch einen Quotenplatz bei einer Wahl zu ergattern.
Jedenfalls wünsche ich Tina viel Erfolg mit dem, was sie tut und hoffe, dass sie sich nach der Transition nicht im falschen Körper fühlt. Das wäre vermutlich das Höchstmaß an Ironie.
Für alle, die sich ein Bild machen wollen: Interview mit Tina bei Clownswelt
Grüner kandidiert als Frau und wird abgewiesen
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