Finanzkrise, Zwangsfusion und Geldillusion: Jahrzehnte vorausgefressen – nun wird nachgehungert!
Ein überschuldetes Bankensystem mit kaum Eigenkapital läuft eines Tages nahezu permanent im Krisenmodus
von Benjamin Mudlack
Am vergangenen Wochenende überschlugen sich in der Schweiz die Ereignisse. Es ging alles ganz schnell und so wurde die Zwangsehe zweier sogenannter systemrelevanter Banken im Eiltempo (die UBS übernimmt die angeschlagene Credit Suisse) vollzogen. Es wäre naiv, anzunehmen dieser „Deal“ sei an einem Wochenende oder in einer Woche so entschieden und geplant worden. Der Druck dies- und jenseits des Atlantiks auf die handelnden Akteure in der Alpenrepublik war förmlich spürbar.
Insofern ist auch nicht verwunderlich, dass weder die Nachranggläubiger noch die Aktionäre der Credit Suisse bezüglich der umzusetzenden Mission befragt wurden. Die Systemrelevanz und die Angst vor einem neuen „Lehman Moment“ öffnen Zwang und Enteignung Tür und Tor. Systemrelevanz – ein Wort mit Erpressungspotenzial. Die damit verbundene Politik und Geldpolitik sind der Marktwirtschaft und der freiwilligen Kooperation so fern wie die Erde dem Mond. Die Menschen empfinden die Handlungsweise von Politik und Notenbanken als normal, vermeintlich als das kleinere Übel, als ein Scheitern der Banken zuzulassen. Lehman dürfe sich nicht wiederholen, so sagt man. Das Scheitern ist jedoch marktwirtschaftlich, und es korrigiert vorangegangene Fehlentwicklungen und Fehlsteuerungen von Kapital und Ressourcen. Anders ausgedrückt: Ungleichgewichte werden korrigiert. Mit der aktuellen Politik türmt man lediglich noch größere Ungleichgewichte auf. Darüber hinaus findet eine sehr willkürliche Umverteilung von Werten statt.
Ein durch staatliches Notrecht „legitimiertes“ Diebstahl-Wochenende
Am Freitag, den 17. März 2023 notierte die Credit Suisse noch bei 1,86 Schweizer Franken. Das Zwangsübernahmeangebot an die Aktionäre liegt bei 0,76 Franken und somit 60 Prozent unter dem Schlusskurs von Freitag. Um genau zu sein, sollen die Anteilseigner der Credit Suisse für 22,48 Aktien einen Anteilsschein der UBS erhalten.
Die Nachranganleihen der Credit Suisse mit einem Gesamtvolumen von 16 Milliarden Franken werden komplett wertlos. Diese Mittel werden in Eigenkapital umgewandelt und dienen als verlustabsorbierender Puffer – eine unglaubliche Wertevernichtung und das ohne jede Form der Mitsprache für die betroffenen Gläubiger oder Teilhaber der Credit Suisse. Das Wort Teilhaber ist jedoch für diese passive Rolle nicht mehr zutreffend. Das Tauschdiktat kam nicht durch freiwillige Kooperation, also durch an- oder ablehnbares Angebot und Nachfrage zustande, sondern wurde politisch so entschieden.
In Summe verlor ein Aktionär der Credit Suisse in den vergangenen fünf Jahren ungefähr 95 Prozent seines ursprünglichen Eigentums. Seit dem Hochpunkt im Jahre 2007 sackte der Kurs der Credit Suisse gar um 99 Prozent ab. Natürlich müssen die Aktionäre, ebenso wie die Gläubiger der Nachrangdarlehen sich der Risiken der jeweiligen Papiere bewusst sein. Nachrangdarlehen sind nichts anderes als geliehene Mittel, die im Falle einer Pleite erst ganz am Ende der Kette befriedigt werden. Aber dennoch werden sie „eigentlich“ vor den Aktionären berücksichtigt. Allein an diesem Beispiel wird der willkürliche Akt rund um die Credit Suisse deutlich.
Die UBS zahlt in Summe ungefähr drei Milliarden Franken für diese politisch herbeigeführte Fusion. Auch die Nettosteuerzahler sehen sich mit einem Vertrag zulasten Dritter konfrontiert. Sie haften, wenn Verluste aus der Übernahme resultieren, mit bis zu neun Milliarden Schweizer Franken. Darüber hinaus sichert die Schweizer Zentralbank (SNB) den Deal, neben den 50 Milliarden Franken aus der Vorwoche, mit einer Liquiditätslinie von 200 Milliarden Franken zu einem Kreditzins in Höhe von 1,5 Prozent ab. In letzter Konsequenz haften also auch über die SNB diejenigen, die durch ihre Produktivkraft und Wertschöpfung den Schweizer Staat finanzieren. Und das sind die Unternehmer und Arbeitnehmer, die per Saldo mehr Steuern zahlen, als sie wiederum selbst an staatlichen Transferleistungen oder Subventionen erhalten.
Die UBS und die Finanzkrise nach 2007/2008
Im Zuge der Immobilienkrise in den USA musste die UBS ungefähr 50 Milliarden Schweizer Franken in ihrer Bilanz abschreiben. Schlecht besicherte Immobilienkredite fielen aus, und diese Forderungen der UBS mussten als Vermögenswert auf der Aktivseite der Bilanz eliminiert werden. Die Fehlspekulation führte seinerzeit zur Aufzehrung des gesamten Eigenkapitals der UBS. Eine dramatische Situation zeichnete sich ab. Die UBS lagerte US-amerikanische Hypothekendarlehen in Höhe von 60 Milliarden an eine Zweckgesellschaft aus. Am 16. Oktober 2008 wurde die UBS durch ein sogenanntes Rettungspaket der Schweizer Nationalbank (SNB) und des Bundes planwirtschaftlich „lauffähig“ gehalten. Marktwirtschaftlich hätte die Fehlspekulation zum Ende der Bank geführt. Der Konkurs hätte die aufgetürmten Ungleichgewichte und Fehlsteuerungen von Kapital und Ressourcen korrigiert. Die Politik entschied sich für den nicht marktwirtschaftlichen Weg und setzte damit ein fatales Signal und einen absoluten Anreiz zur Spekulation. In ertragreichen Jahren werden die Gewinne privatisiert und in Zeiten von Fehlspekulation und verlustreicher Jahre bürdet man den Nettosteuerzahlern die Kapitalvernichtung auf. Auf Basis der in der Bilanz ausgewiesenen Zahlen für das Jahr 2022 verfügt die UBS mittlerweile wieder über 57 Milliarden US-Dollar Eigenkapital. Allerdings verdeutlicht das Beispiel aus dem Jahr 2008, wie schnell so ein Eigenkapitalstock in Rauch aufgehen kann.
Weniger Wettbewerb – größere Klumpenrisiken und höhere Systemrelevanz
167 Jahre nach Gründung der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) im Jahre 1856 geht nun die Geschichte der Credit Suisse zu Ende. Die UBS als größte Bank der Schweiz übernimmt die Nummer zwei. Es entsteht ein Finanzgigant mit einem verwalteten Vermögen von circa 5.000 Milliarden US-Dollar. Das neu entstandene Institut ist mit Abstand der größte Verwalter von Privatvermögen auf der Welt. Sämtliche bilanziellen Risiken der beiden Häuser sammeln sich nun in einem Finanzhaus. Die Klumpenrisiken sind enorm, und es liegt auf der Hand, dass die Fusion die wettbewerbliche Situation negativ beeinträchtigt.
Die Deutsche Bank und der globale Vermögensverwaltungsplatzhirsch BlackRock zeigen laut übereinstimmender Medienberichte Interesse an interessanten Filetstücken der Credit Suisse. Die Rede ist von den Bereichen Private Banking und Vermögensverwaltung (Asset-Management). Die zunehmende Zentralisierung der Branche ist mehr als offensichtlich und birgt enorme Risiken und Nachteile mit Blick auf die Unfreiheitsentwicklungen der heutigen Zeit.
Zentralbankeinheiten als trojanischer Rettungsanker?
Im Zuge der offensichtlichen Zentralisierungstendenzen und eines möglichen großen Dominoeffektes ist ein weiteres freiheitsfeindliches Szenario denkbar: Sobald die Bilanzen einer Vielzahl von den noch verbliebenen Banken in Schieflage geraten, könnte man einige oder eventuell sogar alle Banken verstaatlichen, in den Zentralbanken aufgehen lassen und digitale Zentralbankeinheiten als staatliches Zahlungsmittel einführen. Dann wäre der Zustand der absoluten Geldzentralisation erreicht. In ihrem eigenen System kann eine Zentralbank keinen Bankrott hinlegen, insofern könnte man die Haltbarkeit des maroden Finanzsystems deutlich verlängern. Auch könnte man die Umlaufgeschwindigkeit des digitalen Geldes herunterregeln, um so einer Kaufkraftentwertung entgegenzuwirken.
Final abgeschlossen wäre dieses Szenario, wenn man die noch verbliebenen Geschäftsbanken aus dem Kredit- und Geldschöpfungsprozess ausschließt. Kreditgeschäfte würden dann nur noch über die Zentralbank abgewickelt. Kreditvergabekriterien für Privathaushalte und Unternehmen könnte man an gewisse Bedingungen (Konsumverhalten und Ähnliches) knüpfen. Ein Blick nach China und das dort etablierte Sozialkreditsystem beantwortet die Frage nach weiteren möglichen Ausbaustufen.
Wie in der Kolumne letzte Woche beschrieben, stattet die amerikanische Notenbank Fed im Zuge der aktuellen Krise gegen Hingabe von Vermögenswerten die Banken mit Liquidität zum Nominalwert des betreffenden Wertpapiers aus. Diese Positionen werden in der Bilanz der amerikanischen Notenbank aktiviert, sie erscheinen also dort auf der Vermögens- beziehungsweise Aktivseite. Auf der Passivseite wird das für die Banken neu geschaffene Geld ausgewiesen. Es führt zu einem Geldmengenwachstum beziehungsweise zu einer Inflationierung der Geldmenge. Mit der Aktivierung von Vermögenswerten der Banken ist bei genauer Betrachtung schon ein erster Schritt getan. Bei einer Schieflage der betreffenden Bank könnte man das Institut in der Zentralbank aufgehen lassen. Erste Vermögenswerte liegen nun mal bereits bei der amerikanischen Notenbank.
Fazit: Prognosen sind schwierig, aber Roland Baader lag richtig
Das Inflationsregime und die Politik des lockeren Geldes finden nun nach kurzer Pause und bedingt durch die Krise seine Fortsetzung. Die amerikanische Notenbank Fed hat bereits eine Woche nach Verkündung der Liquiditätsstabilisierungsmaßnahme ungefähr 300 Milliarden US-Dollar neu geschaffen. Der Geldmengeninflation folgt die unmittelbare quantitativ bezogene Herabsetzung des Tauschwertes. In den Märkten, in denen die neu geschaffenen Mittel nachfragewirksam werden und für eine Verknappung des Angebotes sorgen, sinkt dann der Tauschwert beziehungsweise die Kaufkraft des Geldes. Nominalvermögen (Geldwerte wie zum Beispiel Kontoguthaben, Sparvermögen, aber auch Nominalwertansprüche wie beispielsweise Pensionen und Renten) stehen weiterhin im Feuer.
Die Vertrauenskrise der Bankkunden hat die Liquidität der betroffenen Häuser beeinträchtigt. Aus der aktuellen Liquiditätskrise der Banken könnte leicht eine Kreditklemme resultieren. Der Markt für Nachrangdarlehen trocknet derzeit komplett aus, und die Risikoaufschläge für dieses Segment explodieren regelrecht. Vielen Banken mangelt es an Eigenkapital. Die Aktionäre und Marktteilnehmer verkaufen tendenziell die Bankaktien.
Um zwei prominente Beispiele zu nennen: Der Starinvestor Warren Buffett hatte sich über seine Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway zu Zeiten der Finanzkrise 2007/08 günstig bei dem US-amerikanischen Finanzhaus Wells Fargo eingekauft. Diese Positionen hat er nun sukzessive abgebaut und ist seit 2022 überhaupt nicht mehr in diesem Wert investiert. Auch der Vatikan übertrug bereits im Spätsommer 2022 die liquiden Mittel von Fremdbanken hin zur Vatikanbank. „Smart Money“ hatte sich also frühzeitig vorbereitet.
Die PacWest Bank aus den USA hatte jüngst versucht, durch eine Kapitalerhöhung ihre Eigenkapitalbasis zu verbessern. Die Aktionäre waren in der Breite nicht bereit, die Kapitalerhöhung mitzugehen und zu investieren. So scheiterte dieses Unterfangen.
Im Zuge der letzten großen Finanzkrise vertrauten sich die Banken untereinander nicht, wodurch es zu einer Kreditklemme kam. Aktuell trauen eher die Aktionäre und Bankkunden den Instituten nicht. Sie verkaufen die Bankaktien und ziehen Bankguthaben von den kleinen und mittleren Banken ab und sorgen dort für Liquiditätsschwierigkeiten.
Die Probleme des Finanzsystems sind über Jahrzehnte aufgetürmt worden. An der Stelle erinnere ich gerne an meine Trilogie der „Schuldenturmbauten zu Babel“ hier bei den Freiheitsfunken. Die niedrige Eigenkapitalbasis der Banken ist systeminhärent und lässt sich mit der sogenannten Teilreservehaltung begründen. Darin liegt die Kernursache der Bankenkrisen.
Welche Institute nun in Schieflage geraten, lässt sich ohne präzise Kenntnisse und Einblicke in die jeweiligen Bilanzen schwer ergründen. Welche Banken von einem überbordenden elektronischen Bank Run erfasst werden, lässt sich überhaupt nicht vorhersagen. Folglich halte ich mich auch mit Prognosen zurück. Ich wage es zu bezweifeln, dass es eine Person auf der Welt gibt, die alle Bankbilanzen auf Risiken, Unstimmigkeiten und Nebenwirkungen zu überprüfen imstande ist.
Niemand weiß, welche Personengruppen im Fall der Fälle in welcher Weise reagieren. Da bin ich ganz bei Ludwig von Mises, der die Ökonomie als die Lehre des menschlichen Handelns definierte. Der Mensch handelt, aber wie, das wissen wir nicht. Gerade in Bezug auf die Bank-Run-Aktivitäten der Menschen und die Maßnahmen von Politik und Zentralbanken sollte das jedem Marktbeobachter klar werden.
Allerdings leben wir ungewollt, weil hineingeboren, in einem Schuldsystem, und mittlerweile handelt es sich um ein Überschuldungsgeldsystem. Der Dauernotknopf leuchtet seit 2007/2008 knallrot. Die Volkswirtschaften zehrten viele Jahre von einem kreditbasierten Boom. Der populäre Ökonom Roland Baader sagte einst sinngemäß: „Das, was die gesamten Volkswirtschaften durch Kredit vorhausgefressen haben, werden sie bitter nachhungern müssen.“
Dem habe ich wenig hinzuzufügen. Diese Phase hat begonnen und die Politiker stimmen die Menschen bereits auf Wohlstandsverluste ein. Jedoch nehmen sie keinen Bezug auf das Geld- und Finanzsystem, sondern führen andere, viel höhere Zielsetzungen ins Feld. Die Köpfe der Zentralbanken sind die nackten Kaiser in ihren Meeren voller Scheingeld. Sie wollten die Kaufkraftentwertung durch höhere Zinsen bekämpfen und haben einen Tsunami in den Scheingeldmeeren ausgelöst. Ihr Handeln ist geprägt von großen Umverteilungs- und Machtkonzentrationsprozessen und von dem Handlungsparadigma der Systemrelevanz. Ausbaden müssen sie diese verheerende Politik vorerst nicht. Es trifft die Mittelschicht und den Mittelstand. Diese Bevölkerungsschicht ist nicht durch Systemrelevanz und Zwang groß geworden, sondern indem sie auf Basis der freiwilligen Kooperation die Bedürfnisse der Menschen über Jahrzehnte befriedigt hat.
Halten Sie sich mit Ihren erarbeiteten Werten von dieser Fiat-Schuldgeld-Welt fern und positionieren Sie sich außerhalb der überschuldeten Wahn- und Illusionswelt.
Fragen zum Abschluss:
- Was meinen Sie, wie es wohl um die südeuropäischen Banken in Italien, Spanien und so weiter steht?
- Sind Sie der Auffassung, dass die Politik und Zentralbanken die Situation schon im Griff haben?
- Wie steht es mit den Auswirkungen auf die Wirtschaft mit Blick auf eine Rezession?
Benjamin Mudlack: „Geldzeitenwende – vom Enteignungsgeld zurück zum gedeckten Geld“
Hintergründe zu der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS
Chronologie der UBS-Rettung nach 2007
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