30. März 2023 14:00

Medienkritik Nazi-Vergleich in der „taz“

Die Zeitung stellt Volker Wissing als Joseph Goebbels dar

von Sascha Koll

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Wir kennen es. Man steht für die Freiheit ein: „Nazi!“. Man möchte nicht von der Regierung gegängelt werden: „Nazi!“ Man demonstriert gegen unverhältnismäßige Maßnahmen: „Nazi!“ Man will keine Käfer essen: „Nazi!“ Jedes Mal, wenn man der Regierung widerspricht, wird irgendjemand auf einen aufmerksam, der „Nazi!“ schreit. Der Vorwurf, ein Nazi zu sein, ist mittlerweile so abgedroschen, dass manche schon „Jaja, nenn’ mich, wie du willst“ antworten. Einen Schritt weiter ist nun die linksradikale Tageszeitung „taz“ gegangen.

Die „taz“ veröffentlichte diese Woche eine Karikatur über ihren Twitter-Account. Darauf zu erkennen ist ein fiktives Wahlplakat der FDP mit der Aufschrift „Wir sind die allerletzte Generation: Wir kleben an jeder Autobahn fest!“ Neben dem Text befindet sich eine Zeichnung des FDP-Verkehrsministers Volker Wissing. Manche mögen behaupten, die Karikatur sei nur etwas überspitzt, andere würden von geschmackloser Verharmlosung des Nationalsozialismus sprechen, denn abgebildet wurde Wissing als niemand Geringeres als dem Reichspropagandaleiter Joseph Goebbels.

In einem dunklen Mantel gekleidet steht Wissing da, braunes Hemd, schwarze Krawatte und eine Armbinde darf nicht fehlen. Die blaue Armbinde bildet keine Swastika ab, sondern das allen bekannte Verkehrszeichen VZ 330.1: Autobahn, das an jeder Autobahn-Auffahrt steht. Zähflüssige Klebereste rinnen an Wissings Fingern herunter, die das Geschriebene bildlich unterstreichen sollen.

Was hat sich die „taz“ dabei gedacht? Ist der Diskurs mittlerweile tatsächlich so enthemmt, dass ein Nazi-Vergleich schon zum guten Ton gehört? Und warum dann nicht auch bei denen, die ähnliche Gesetze erlassen, wie die Nazis es zu ihrer Zeit taten? Da verbietet sich selbstverständlich ein Vergleich, denn unsere Regierungsmitglieder „sind die Guten und nicht die Bösen“. Ständig wird moniert, dass „Es fing nicht mit Konzentrationslagern an, sondern mit einem ‚wir gegen die‘“ eine Verharmlosung des Holocaust sei, obwohl es den Tatsachen entspricht. Doch wenn der Nazi-Vergleich und die Verharmlosung von Sozialisten kommt, füllt sich der Briefkasten nicht mit Strafanzeigen. Es reicht, sich herauszureden. Auf Anfrage der „Bild“-Zeitung nahmen die Chefredakteurinnen der „taz“ Barbara Junge und Ulrike Winkelmann Stellung: „Die Karikatur verfehlt durch einen überflüssigen Nazi-Vergleich ihren Zweck – der gewesen wäre, eine wirkungsvolle Kritik an der Verkehrspolitik der FDP zu üben. Mit Anspielungen auf den Nationalsozialismus und der Verwendung von NS-Symbolik sollte man generell auch in kritischer Absicht sehr sparsam umgehen. Mitglieder der Bundesregierung auf diese Weise in die Nähe von NS-Verbrechern zu rücken, verbietet sich. Die Karikatur hätte so nicht erscheinen sollen.“

Mitglieder der Bundesregierung als Nazi-Verbrecher zu diffamieren, scheint also nicht in Ordnung zu sein, man solle sparsam mit solchen Vergleichen umgehen. Aber Bürgern, die drei Jahre um ihre Freiheit kämpften, die kann man schon mal in die rechte Ecke stellen, hier handelt es sich schließlich nicht um Minister, sondern um fiese Gestalten, die „mit Rechten marschieren“.

Noch lächerlicher redete sich Habecks Büroleiter Simon Zunk heraus, der den Tweet mit einem „Gefällt mir“ markiert hatte. Ihm wäre der Vergleich nicht gleich klar gewesen. Genau – die Leute, die überall Nazis sehen, verstehen den offensichtlichen Vergleich nicht? Sicher doch.

Volker Wissing reagierte auf die mittlerweile gelöschte Karikatur, indem er sie auf Hebräisch mit dem Kommentar „Guten Morgen! Gezählt, gewogen und für zu leicht befunden“ erneut veröffentlichte. Damit soll sich Wissing auf das Menetekel aus Daniel 5, 25 („mene mene tekel u-parsin“) bezogen haben. Mit diesen Worten reagiert Gott auf die Lästereien von König Belsazar. Die Schrift erscheint von magischer Hand auf einer weißen Wand und kündigt den Untergang des Königs an. Ob Wissing sich hier mit Gott vergleicht, bleibt sein Geheimnis.

Letzten Endes ist offensichtlich: Der Nazi-Vergleich zieht nicht mehr, was bedauerlich ist, denn Nationalsozialisten waren Schwerstverbrecher. Dass der Vorwurf mittlerweile zur Tagesordnung gehört, wird seinen Teil dazu beigetragen haben, dass sich Menschen heute mit einem müden Schulterzucken mit Nazis vergleichen lassen. Es wird Zeit für ein neues Gespenst, einen neuen „Bogeyman“ (deutsch: Butzemann), dem dann wieder niemand, dem dieser Vorwurf gemacht wird, entspricht.


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