31. März 2023 20:00

Finanzwesen Derivate-Minenfeld – ein Fiatgeld-Problem!

Allein das Derivatevolumen der Deutschen Bank übersteigt die Jahreswirtschaftsleistung Deutschlands um das Elffache!

von Benjamin Mudlack

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In einigen Medien wird in jüngster Zeit von einer Derivatebombe gesprochen. Aus meiner Sicht trifft das Bild des Minenfeldes deutlich besser zu. Die Menschheit (oder die Finanzwelt) bewegt sich jeden Tag Schritt für Schritt voran, und jeder Schritt kann in diesem dynamischen Marktumfeld zur Super-Explosion führen. Es kann aber auch, wie in den letzten Jahren, weiterhin gutgehen.

Einleitend möchte ich am Beispiel der Deutschen Bank und auf Basis der Zahlen für das Jahr 2022 die Relationen veranschaulichen:

Derivatepositionen Deutsche Bank: 42.527 Milliarden Euro
Bilanzsumme: 1.337 Milliarden Euro
Eigenkapital: 62 Milliarden Euro

Jahreswirtschaftsleistung Deutschland: 3.867 Milliarden Euro
Haushalt der Bundesrepublik Deutschland: 480 Milliarden Euro

Relation Derivatepositionen der Deutschen Bank zum Eigenkapital der Deutschen Bank: Faktor 686

Verhältnis Derivatepositionen der Deutschen Bank zur Jahreswirtschaftsleistung der Bundesrepublik Deutschland: Faktor 11

Finanzderivate haben absolut ihre Daseinsberechtigung, und zwar ohne Wenn und Aber! Sie erfüllen ihren Zweck, wenn sich Unternehmen gegen Schwankungen an den Märkten absichern und Kalkulationssicherheit haben möchten. Das gilt für sämtliche Bereiche, die vorstellbar sind. So können sich Marktteilnehmer zum Beispiel in Bezug auf die Devisenmärkte, Rohstoffmärkte und auch gegen steigende oder fallende Zinsen können absichern.

Im Grunde funktionieren diese Absicherungsgeschäfte wie eine Art Versicherung, die über ein Finanzpapier dargestellt wird. Erlauben Sie mir, den Vorgang an einem vereinfachten Beispiel festzumachen. Ein deutscher Unternehmer aus dem produzierenden Gewerbe importiert Vorprodukte aus den USA. Die Waren sind für das endgültige Produkt unabkömmlich, da sie einen hohen prozentualen Anteil am Endprodukt ausmachen. Die Importware wird in einem halben Jahr geliefert und ist in US-Dollar zu bezahlen. Der Euro weist gegenüber dem US-Dollar erhebliche Schwankungen auf. Zehn bis 20 Prozent sind im Halbjahreszeitraum in schwankungsintensiven Zeiten keine Seltenheit. Das Unternehmen würde sich ohne Absicherung einem erheblichen Risiko aussetzen. Fällt der Euro gegen den US-Dollar um zehn Prozent, sind die Vorprodukte aus den USA plötzlich zehn Prozent teurer. Im Extremfall schwindet die komplette Gewinnspanne und der Unternehmer erleidet Verluste. Über die sogenannten Terminmärkte kann der Unternehmer unter Einsatz eines Derivates (Option, Future beziehungsweise Terminkontrakt oder Ähnliches) Planungssicherheit erlangen. Bei einer Vollkasko-Kfz-Versicherung müssen Sie jährlich auch nur einen Bruchteil des Fahrzeugwertes an Prämie entrichten. Dennoch ist im Fall der Fälle der komplette Wert Ihres Autos abgesichert. Sie wollen das Risiko eines Schadens nicht tragen. Und auch unser Unternehmer kann unter Einsatz von circa einem Prozent vom Gesamtwert der Importwaren aus den USA per heute schon Euro in US-Dollar tauschen. Von nun an kann er ruhig schlafen, kalkulieren und läuft nicht Gefahr, seine Gewinnmarge zu riskieren. Die Prämien und Kosten für die Absicherung werden in die Gesamtkalkulation für das Endprodukt eingepreist (eben wie bei einer anderen Versicherung auch), und schon steht die Angelegenheit auf kaufmännisch soliden Füßen.

Anders ausgedrückt, ist ein Kaufmann mittels der besagten Derivate in der Lage, seine realwirtschaftliche Position mit einem Bruchteil des Kapitaleinsatzes und unter Einsatz von nahezu 100 Prozent Fremdkapital (Hebelung) zu neutralisieren.

Ein weiteres Beispiel: Eine Öl-Lagerposition eines ölverarbeitenden Unternehmens mit einem Wert von beispielsweise einer Million Euro kann am Terminmarkt, gehebelt über Optionen, Futures oder ähnliche Finanzinstrumente, verkauft werden. So gestaltet der Kaufmann seine Lagerposition „delta-neutral“. Das heißt, dass sich, wenn der Ölpreis schwankt, das Vermögen des Kaufmanns in der Gesamtsumme nicht verändert. Fällt der Ölpreis beispielsweise um 50 Prozent, kompensiert die gewinnbringende Position am Terminmarkt den Verlust der physischen Position im Lager. Die Schwankung ist neutralisiert. Würde der Kaufmann sich nicht absichern, müsste er den Verlust aus der Lagerposition in der Bilanz korrigieren. Das wären in diesem Fall 500.000 Euro. So könnte bei einem Jahresüberschuss in Höhe von 300.000 Euro aus einem eigentlich ertragreichen Jahr ohne Absicherung sehr schnell ein defizitäres Jahr (minus 200.000 Euro) werden. Der Vergleich mit der Versicherung ist absolut zutreffend und kaufmännisch betrachtet mehr als ratsam. Die Versicherungsprämie gegen den Eintritt eines Schadens ist im Vergleich zur möglichen Schadenssumme gering, und so verhält es sich auch bei den Finanztransaktionen zur Absicherung gegen Kurschwankungen.

Leider haben sich diese Transaktionen von der realen Wirtschaft komplett entkoppelt. Sie dienen mittlerweile zu einem überwältigen Großteil der reinen Spekulation. Und wenn wir uns die schon benannten Relationen noch einmal vor Augen führen, dann sollte der Wahnsinn deutlich werden.

Allein bei der Deutschen Bank sammeln sich Geschäfte im Bereich der Finanzderivate in Höhe von 42.527 Milliarden Euro (Jahresbericht der Deutschen Bank für das Jahr 2022). Die Jahreswirtschaftsleistung der Bundesrepublik Deutschland lag im Jahr 2022 bei 3.867 Milliarden Euro. Die reale Wirtschaft Deutschlands erreicht also nicht einmal ein Zehntel des sogenannten Finanzderivate-Exposures der Deutschen Bank. Da sämtliche Märkte permanent und teilweise sehr dynamisch schwanken, müssen auch ständig Nachjustierungen vorgenommen werden. Dieser Umstand erklärt auch, warum der Schneeball der Derivate-Exposures in den Bilanzen der Banken nahezu permanent signifikant wächst.

Die besagten Geschäfte funktionieren auch nur so lange, wie kein großer Vertragspartner ausfällt. Jeder Käufer eines Öl-Terminkontraktes benötigt einen Verkäufer und vice versa. Aus diesem Vertragsverhältnis resultieren sogenannte Kontrahentenrisiken.

Die einfache Fragestellung: Existiert mein Vertragspartner noch am Tag des Termins und ist er dann noch zahlungsfähig? Wenn nicht, dann war das Absicherungsgeschäft buchstäblich für die Katz.

Nun sollte Ihnen klar geworden sein, warum diese supergroßen Finanzinstitute, wie zum Beispiel die Credit Suisse und Deutsche Bank, das „Schutzschild“ der Systemrelevanz vor sich hertragen. Fällt die Deutsche Bank im Falle einer Pleite aus, stehen Vertragsverpflichtungen im Feuer, die das Elffache der Wirtschaftsleistung Deutschlands ausmachen. Ein Finanztsunami wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu vermeiden. Im Extremfall würde die komplette Wirtschaft implodieren, und zwar nicht nur in Deutschland und Europa, sondern auf der gesamten Welt – logisch, denn die Vertragspartner der Deutschen Bank befinden sich auf allen Teilen des Erdballs.

Regulierung ist in der Finanzwelt reichlich vorhanden. Auch die Bankenaufsicht und Wirtschaftsprüfer haben die Bilanzen der Banken auf dem Schirm. Wie viel Vertrauen die Menschen in die Funktionsfähigkeit der Aufsichtsbehörden und Wirtschaftsprüfer haben können, zeigt nicht nur das Beispiel Wirecard.

Die effektivste Form, um eine Entkopplung der Finanzmarkttransaktionen von der Realwirtschaft zu verhindern, wäre die Existenz einer konstanten oder zumindest sachwertgedeckten Währung. Der dargelegte Wahnsinn ist ein Fiatgeld-Problem. Nur in einer Welt der unbegrenzten Geldschöpfung können die Finanzmarkttransaktionen bis zur Perversität betrieben werden. Müsste erst ein anderer Markteilnehmer sparen, um die Fremdfinanzierung der Transaktion darzustellen, wären dem Treiben enge Grenzen gesetzt – und das wäre auch gut so. Nicht ohne Grund sprach der bekannte US-amerikanische Star-Investor Warren Buffett mit Blick auf die ausufernden Derivategeschäfte von finanziellen Massenvernichtungswaffen.

Mein Vorschlag (wie beim Bitcoin) einer konstanten Geldmenge (und des Wettbewerbs um das beste/werthaltigste Geld) kommt auch komplett ohne Regulierung aus. Der Markt und der Wettbewerb schaffen positive marktwirtschaftliche Anreize, und so sind die Geldanbieter permanent um die Gunst der Verwender des Geldes bemüht. Das werthaltige Geld wird benutzt und das Geld, das permanent durch Geldmengenerweiterung (Inflation) verschlechtert und verwässert wird, verschwindet irgendwann vom Markt, weil es von den Nutzern/Haltern gemieden wird. Diese Wahlmöglichkeit haben die Menschen in der heutigen Zeit in der Breite nicht. Die Menschen sind (mit Ausnahme von Gold, Silber, Bitcoin) zumeist gezwungen, das staatliche Zwangsgeld zu verwenden – allein schon deshalb, weil der Staat die Steuern in der jeweiligen staatlichen Einheit erhebt.

Fazit: Wurzel des Problems ist das Fiatgeld

Die Welt der Derivate irgendwie „noch“ in Balance zu halten, ist höchstens durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz und viel Rechenkapazität möglich. Ich wage zu bezweifeln, dass es auf ewig gut gehen wird. Neben den anderen Problemen der Banken- und Finanzwelt sind die Derivategeschäfte die größte und gefährlichste Komponente – quasi wie ein schwarzer Schwan, der für halbwegs informierte Marktbeobachter seit vielen Jahren weiß geworden ist. Um das Problem bei der Wurzel zu fassen, landet man wieder einmal beim Geldsystem. Nur in der öffentlichen Debatte und den Mainstreammedien, wird das Fiatgeld-Problem nahezu in Gänze ausgeblendet. Die Begründung ist recht einfach: Einflussreiche Kreise und Sonderinteressengruppen profitieren gewaltig von dem heutigen Geldsystem, und diese Kreise haben eben auch Einfluss auf die Medien.

Fragestellungen:

  • Waren Ihnen die Ausmaße der Derivategeschäfte in Relation zur Realwirtschaft bewusst?
  • Haben Sie je beobachtet, dass die Debatte um die Derivategeschäfte mit der Problemursache des Fiatgeldes geführt wurde?
  • Welche Rolle spielt in dem dargelegten Zusammenhang Ihrer Meinung nach die künstliche Intelligenz?

Benjamin Mudlack: „Geld-Zeitenwende – vom Enteignungsgeld zurück zum gedeckten Geld“

Eigenkapitalentwicklung der Deutschen Bank

Deutsche Bank Jahresbericht 2022, Seite 164

Entwicklung der Jahreswirtschaftsleistung Deutschlands

Entwicklung des Haushalts der Bundesrepublik Deutschland


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