14. April 2023 20:00

Säulen der Hegemonialmacht Krieg als Mittel zum Machterhalt – Teil 2

Geld-Zeitenwende durch die Brics-Länder?

von Benjamin Mudlack

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Im ersten Teil der drei maßgeblichen Säulen der Hegemonialmacht ging es zentral um das Geld und die Tatsache, dass Imperien oftmals mit werthaltigem/gedecktem Geld ihren Weg beginnen und später im Zeichen der Geldverschlechterung in der Versenkung verschwinden. Das Römische Reich hat über 250 Jahre benötigt, um den Silbergehalt um fast 100 Prozent abschmelzen zu lassen. Der Tauschwert des US-Dollars zum Gold hat sich um weit mehr als 98 Prozent verschlechtert – und das in nur etwas über 50 Jahren.

Heute widmen wir uns der Frage, was geschieht, wenn die Stellung des Hegemonen von anderen Staatschefs herausgefordert wird. Darüber hinaus widmen wir uns einer möglichen Geld-Zeitenwende und dem Übergang weg von der hegemonialen Machtstellung der USA hin zu einer multipolaren Welt.

Machthaber, die ihr Öl nicht mehr in US-Dollar fakturieren, leben gefährlich

Es gibt durchaus prominente Beispiele dafür, was passiert, wenn Staaten auch nur damit drohen, ihr Erdöl nicht mehr in US-Dollar abzurechnen. Libyens Ex-Diktator Gaddafi ist hier ebenso als Beispiel anzuführen wie der ehemalige irakische Autokrat Saddam Hussein.

Im Fall von Hussein legte der damalige US-Außenminister Colin Powell am 5. Februar 2003 angebliche Beweise vor, dass der Irak trotz der UN-Sanktionen weiter an der Produktion von atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen arbeiten würde. Bis zu 16.000 Raketen könne die irakische Armee mit chemischen Kampfstoffen bestücken, führte Powell in seiner 76-minütigen bühnenreifen Aufführung aus. Die Fakten sollten, so die Aussage, auf seriösen geheimdienstlichen Quellen beruhen. Auf dieser Basis begannen die USA mit ihren Verbündeten dann den Angriffskrieg im Irak. In der Folge wurde seither eine gesamte Region destabilisiert und Millionen Menschen kamen zu Tode.

Die angeblichen Beweise entpuppten sich später bekanntlich als Fälschung. Der Angriff durch die von den USA angeführten Alliierten-Militärverbände war somit ein völkerrechtswidriger Krieg – von den Gräueltaten um den Folterskandal im Gefängnis in Abu-Ghuraib und per Video dokumentierten Angriffen auf schutzlose Zivilisten ganz zu schweigen.

Es wird in der öffentlichen Debatte vielfach angeführt, dass die USA den Irak nicht territorial beansprucht hätten. Darum ging es nach meiner Einschätzung auch überhaupt nicht. Sondern es ging aus meiner Sicht darum, den kurzen Weg Chinas zu den irakischen Ölquellen abzuschneiden, das Öl unter US-Kontrolle zu bringen und so den US-Dollar und das Geldschöpfungspotenzial der USA zu stärken. Das Leid der eigenen Soldaten und Bevölkerung in der Region wurde billigend in Kauf genommen. Die Geschichte schreiben eben die Sieger und folglich fand, zumindest nach meiner Beobachtung, keine aufrichtige Aufarbeitung der Geschehnisse rund um die Fälschung der angeblichen Beweise statt.

Muammar al-Gaddafi wollte mutmaßlich noch einen erheblichen Schritt weitergehen. Er plante für Afrika offenbar den sogenannten Gold-Dinar. Während seiner Präsidentschaft im Rahmen der Afrikanischen Union schlug er im Jahre 2009 den afrikanischen Staaten eine vom US-Dollar unabhängige goldgedeckte Währung vor. Die Einnahmen aus den Exporten (vornehmlich Ölexporte) sollten nach Fakturierung zeitnah in Gold konvertiert und in einen von den westlichen Banken unabhängigen Fonds eingebracht werden. Nigeria, Tunesien, Ägypten und Angola sollen bereit gewesen sein, diesem Vorschlag zu folgen. Veröffentlicht wurden diese Planungen von der Internet- und Enthüllungsplattform WikiLeaks. Das Portal beruft sich auf Informationen, die aus ungefähr 3.000 E-Mails aus US-amerikanischen Regierungskreisen „geleakt“ worden sein sollen.

Die afrikanischen Staaten konnten den Plan nicht umsetzen. Nach dem Beginn des sogenannten Arabischen Frühlings im Dezember 2010 in Tunesien kam es im Januar 2011 in Algerien und Ägypten zu Aufständen und später zur Entmachtung der Regierungen. Im Februar 2011 begannen die Unruhen in Libyen. Die Nato griff ebenfalls militärisch ein, und schließlich wurde Gaddafi im Oktober 2011 ermordet. Das Land war komplett destabilisiert, und es folgte im Jahr 2014 ein mehrjähriger Bürgerkrieg.

Die Rolle der Nato und der Vereinigten Staaten von Amerika im Falle Libyens ist sehr umstritten. Der „Spiegel“ sprach mit Verweis auf den Militäreinsatz von einer „großzügigen“ völkerrechtlichen Auslegung. Die Indizien, worum es hier tatsächlich ging, scheinen jedoch, wie auch im Fall von der Entmachtung Husseins, recht eindeutig zu sein. Auch die aufkommende Nähe Gaddafis zu China und anderen nicht westlich orientierten Ländern wird in den USA nicht wohlwollend aufgenommen worden sein.

China, die Brics und die Geld-Zeitenwende?

Im Vergleich zu China sind Irak und Libyen kleine und schnell zu fangende Fische. Seit einigen Jahren meldet China nun Weltgeltungsansprüche an und untermauert diese auch recht eindrucksvoll – unter anderem durch das Projekt der Neuen Seidenstraße. Das Projekt ist auf Jahrzehnte ausgelegt, erstreckt sich über die komplette Eurasische Platte und die globalen Seewege. So wird ein Tiefseehafen in Nicaragua ebenso gebaut wie eine Alternative zum Panamakanal: der gigantische Nicaragua-Kanal. Auch der Hafen von Piräus wurde 2016 mehrheitlich unter die Kontrolle des chinesischen Logistik-Konzerns Cosco gebracht. Darüber hinaus halten die Chinesen Anteile an den Häfen in Hamburg und Duisburg.

China kopiert die Strategie der USA beziehungsweise des IWF und leiht rohstoffreichen Ländern (von Interesse sind auch fruchtbare landwirtschaftlich nutzbare Flächen) oder Ländern, die sich an geostrategisch interessanten Standorten befinden, liquide Mittel, um die Projekte der Seidenstraße zu finanzieren. Die Bedingung ist die Beauftragung chinesischer Unternehmen. So behält China die Kontrolle und profitiert zusätzlich auch wirtschaftlich. Als Sicherheit dienen Grund und Boden an den jeweiligen Standorten beziehungsweise in den jeweiligen Ländern. Kommt ein Land dem Kapitaldienst, bestehend aus Zins und Tilgung, nicht mehr nach, geht der besicherte Besitz in chinesische Hände über.

Auch in puncto Sicherheit wurde ein Pendant zur westlichen Nato installiert. Bereits im Jahr 1996 wurden die Shanghai Five gegründet. Seit 2001 nennt sich die Institution mittlerweile Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ). Sie repräsentiert rund 40Prozent der Weltbevölkerung. Teilnehmerstaaten sind neben den sogenannten Bric-Ländern (Brasilien, Russland, Indien, China) auch der Iran, Kasachstan, Pakistan und einige andere Länder. Zudem gibt es Dialogpartner wie zum Beispiel die Türkei. Weiterhin haben sich einige Öl-Emirate (Bahrein, Vereinigte Arabische Emirate, Kuwait, Saudi-Arabien) als Dialogpartner beworben. Gerade im Fall von Saudi-Arabien sollte das aufhorchen lassen. So stand das ölgesegnete Land doch über viele Jahrzehnte unter dem militärischen Schutz der USA. Bröckelt diese Allianz zugunsten der durch China dominierten Welt?

Diese Frage vermag ich nicht zu beantworten. Interessant ist jedoch, wie China es über mehrere Jahrzehnte geschafft hat, sukzessive die Machtposition auszubauen und strategische Partnerschaften zu errichten. Es wurde auch ein in chinesischer Währung denominierter Öl-Terminkontrakt etabliert. Auch wenn dieses Finanzinstrument noch schwache Umsätze aufweist, ist der Fingerzeig eindeutig. Im Jahr 2014 wurde die New Development Bank (ehemals Brics Development Bank) von den Brics-Staaten gegründet. Sie soll die Unabhängigkeit von den westlich dominierten Instituten IWF und Weltbank ermöglichen.

Dynamik erfuhren die Bemühungen einer etwaigen „Ent-Dollarisierung“ der Welt nun im Zuge des Ukraine-Krieges. Bereits im März 2022 wurden Meldungen laut, Saudi-Arabien akzeptiere für Öl-Lieferungen nun auch chinesische Yuans. Einige andere Beispiele folgten, so auch ähnlich lautende offizielle Mitteilungen aus Indien. Die Handelsumsätze mit Russland schossen in die Höhe und wurden natürlich ebenfalls nicht mehr in US-Dollar oder Euro abgerechnet.

Russisches Privatvermögen in US-Dollar, Euro und anderen westlichen Währungen wurde nach Beginn des Krieges in der Ukraine eingefroren und Immobilienbesitz festgesetzt. Das Vertrauen in die Integrität der westlichen Währungen und Rechtsordnungen (Respekt vor dem Privateigentum) wurde erschüttert. So wird vermutlich immer mehr Vermögen aus der westlichen US-Dollar-Welt abgezogen. Dieser Effekt schwächt die globale Dollar-Dominanz.

China, Indien und andere Länder der SOZ stärken Russland eher den Rücken, als dass sie die westlichen Sanktionen mittragen. Sie nutzen die nun günstigen Beschaffungsmöglichkeiten russischer Bodenschätze. Teilweise werden die russischen Ressourcen anders etikettiert und in die Länder der EU weiterverkauft. Überhaupt scheint die Symbiose aus chinesischer Wirtschaftskraft und russischer Atom- und Militärmacht mit Blick auf die strategischen Bemühungen Chinas aktuell sehr viel Sinn zu ergeben.

Zusätzlich gibt es immer wieder heiße Diskussionen darüber, dass die ressourcenstarken Brics-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) eine rohstoffgedeckte Währung lancieren könnten, um die schuldengedeckte US-Dollar-Welt aus den Angeln zu heben. Wie so oft in der Weltgeschichte wird es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann wieder zu einer Wachablösung mit Blick auf die Weltleitwährung und die dominierende Weltmacht kommen, auch wenn der Weg zum jetzigen Zeitpunkt noch weit entfernt zu sein scheint. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine angehende globale Supermacht mit rohstoffgedecktem Geld die ersten Phasen des Aufstiegs einläutet. Ein weiteres Indiz für diese Entwicklung: In den letzten zwei Dekaden haben die Zentralbanken der Brics-Länder, Russland, China und auch Indien ihre Goldbestände erheblich aufgestockt.

Nächste Woche geht es dann im dritten abschließenden Teil um die enormen Außenhandelsdefizite der USA und einige andere Punkte, die ein vorsichtiges Fazit ermöglichen.

Welche Fragen drängen sich im Anschluss an diesen zweiten Teil auf?

  • Die Kriege der USA werden zumindest nach meiner Beobachtung in der öffentlichen Darstellung oft nicht tiefgründig genug analysiert. Haben Sie auch den Eindruck, dass man das Bild von guten und schlechten Kriegen vermittelt bekommt?
  • Wie beurteilen Sie eine mögliche Geld-Zeitenwende durch die Brics-Länder?

Benjamin Mudlack: „GeldZeitenwende – vom Enteignungsgeld zurück zum gedeckten Geld“

Entwicklung der US-Handelsbilanz

Chinas US-Dollar-Reserven

Militärstützpunkte der USA

US-Außenminister Colin Powell: Täuschung der Öffentlichkeit zur Rechtfertigung des Angriffs auf den Irak

US-Folterskandal in Abu-Ghuraib

WikiLeaks zum Fall Gaddafis

WikiLeaks-Dokumente erhellen Hintergrund der US-gestützten Intervention in Libyen

„Spiegel“-Artikel zur „großzügigen“ völkerrechtlichen Auslegung des Nato-Militäreinsatzes

Wikipedia-Artikel zum Militäreinsatz in Libyen

Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (Pendant zur Nato)

„Welt“: China stillt Rohstoffhunger mit diesem Mega-Kanal

Wikipedia-Artikel zum Nicaragua-Kanal

ARD-Story: Können wir Krieg?

Staatsverschuldung in den USA

Auslandsstaatsverschuldung der USA

Netto-Auslandsvermögenspositionen USA


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