22. Mai 2023 20:00

Evolutionspsychologie Studien zur menschlichen Psyche, die sich mit der r/K-Selektionstheorie decken (Teil 1)

„Sozialwissenschaften“ sind übrigens nicht per se unsinnig

von Philipp A. Mende (Pausiert)

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Bildquelle: Shutterstock Evolutionspsychologie: Eine seriöse „Sozialwissenschaft“

Lassen Sie mich zu Beginn dieser Kolumne mit einer Sache aufräumen, die sich in der Vergangenheit einige Male in Form einer Reaktion auf meine Präsentation unterschiedlicher „Sozialwissenschaften“ auftat. Oder besser: Als Reaktion auf unterschiedliche „sozialwissenschaftliche“ Ansichten. Hielten denn Libertäre diese nicht grundsätzlich für unsinnige Laber- und Voodoo-Wissenschaften, so in etwa der allgemeine Tenor. Dazu muss ich sagen: Ich weiß es nicht und es ist mir grundsätzlich erst einmal egal, da ich auch im Hinblick auf jene „Sozialwissenschaften“ nicht per se alles und jeden als von nutzlos-parasitärer Staatspropaganda getrieben betrachte, auch wenn dies heutzutage zu einem leider nicht unbeträchtlichen Teil gewiss der Fall sein mag. Wird in dem jeweiligen Feld tatsächlich wissenschaftlich, das heißt evidenzbasiert, empirisch und logisch gearbeitet? Mit welchen Methoden? Zu welchem Zweck oder Ziel? Geht es um eine letztlich pseudowissenschaftliche „Untermauerung“ einer politischen Agenda? – All diese Fragen sind notwendig, gewiss. Sie führen jedoch nicht per se zu dem Schluss, dass ein Forschungszweig, nur weil er unter der Rubrik „Sozialwissenschaft“ geführt wird, automatisch unseriös oder blödsinnig ist.

Wie Sie mittlerweile richtigerweise festgestellt haben, sofern Sie regelmäßig meine Kolumnen lesen (oder „Widerstand“), versuche ich die relativ junge Wissenschaft der Evolutionspsychologie vor allem in Bezug auf Politik einem deutschsprachigen Publikum näherzubringen. Dies tue ich auf Basis einer Vielzahl von meines Erachtens seriösen Studien beziehungsweise seriöser Fachliteratur, die, führte ich sie hier jedes Mal en detail an, den freiheitsfunkenden Rahmen sprengen würde. Im weitesten Sinne kann man nun allerdings sagen, dass Psychologie (und damit auch Evolutionspsychologie) ein Teil der „Sozialwissenschaften“ ist. Ganz neutral betrachtet befassen sich letztere mit dem menschlichen Verhalten, sozialen Interaktionen und sozialen Strukturen, deren Existenz an sich schwerlich abzustreiten ist. Die Psychologie untersucht das Verhalten, die Gedanken und die emotionalen Prozesse von Menschen. Diese Aspekte sind eng mit sozialen Faktoren verbunden, da das Verhalten und die Denkprozesse einer Person oft von sozialen Kontexten, sozialen Normen und sozialen Beziehungen beeinflusst werden. – Oder eben von Genetik, ein in diesem Zusammenhang sträflich vernachlässigter Aspekt.

Selbstverständlich kann die Psychologie natürlich auch als eigenständige wissenschaftliche Disziplin betrachtet werden, da sie spezifische Untersuchungsmethoden, Theorien und Ansätze hat, die sich von anderen Bereichen der „Sozialwissenschaften“ unterscheiden können. Nun gibt es innerhalb der Psychologie allerdings wiederum verschiedene Teilgebiete, wie zum Beispiel die „Sozialpsychologie“, die sich speziell mit sozialen Interaktionen und sozialen Phänomenen befasst. Auch wenn das Wort „sozial“ heutzutage dank Politik gewiss zu einem bisweilen übelst missbrauchten, vielgeschundenen und instrumentalisierten „Wieselwort“ verkommen ist, so sollte die Schlussfolgerung meines Erachtens nicht lauten: Alles mit „sozial“ kann per se nicht wissenschaftlich sein, sondern ist lediglich Staatspropaganda.

Nach dieser Vorrede nun zum heutigen Thema: Forscher auf dem zugegebenermaßen nicht unumstrittenen Gebiet der „Sozialwissenschaften“ haben seit langem zwei unterschiedliche psychologische Tendenzen beim Menschen festgestellt und sie sogar als „evolutionäre Mechanismen“ bezeichnet. In ihrer bahnbrechenden Arbeit von 1991 zu diesem Thema schlugen Professor Doktor Jay Belsky, Professor Doktor Laurence Steinberg und Professor Doktor Paul Draper vor, dass es zwei unterschiedliche Psychologien beim Menschen gibt. Jede dieser Psychologien sei das Ergebnis der Anpassung der Psyche eines Individuums an die wahrgenommenen Umweltbedingungen in der Kindheit (!), und – man höre und staune –, es wurde vorgeschlagen, dass der Mechanismus, der jede einzelne Psychologie geformt hat, einen evolutionären Ursprung hat. 

Die erste Psychologie würde in den ersten Lebensjahren eines Individuums Anzeichen in seiner Umgebung erkennen, die darauf hinweisen, dass das Überleben sich als schwierig erweisen würde und das Leben wahrscheinlich kurz und hart sein würde. Diese Individuen würden eine Psychologie adaptieren, die auf opportunistischer Vorteilsnahme, Regelbruch, Promiskuität sowie der Entindividualisierung von Partnern aufbaue, und sie würden auch früher in die Pubertät kommen. Es wurde vorgeschlagen, dass die Annahme dieses psychologischen und biochemischen Weges ein Versuch sei, sich „einfach zu paaren“ und sich so schnell wie möglich fortzupflanzen, mit so wenig Investitionen in beziehungsweise Aufwand bei der Kindererziehung wie möglich. Erinnert Sie dies an etwas hier bereits zuvor Beschriebenes? Falls ja, liegen Sie vollkommen richtig.

Die zweite Psychologie, die Belsky und sein Team identifiziert haben, würde Hinweise erkennen, die darauf hindeuten, dass die Umgebung des Individuums gastfreundlicher ist. Die Individuen würden dann eine Psychologie annehmen, die auf die Einhaltung sozialer Regeln, verminderten Egoismus, Monogamie sowie die Bildung stärkerer und loyalerer Paarbindungen zwischen Partnern (was wiederum ein Zeichen von Konkurrenzdenken ist) ausgerichtet ist, und sie würden den Beginn der Pubertät verzögern, möglicherweise in dem Bestreben, ihre Reife und Fähigkeiten vor dem Wettbewerb um einen Partner optimal zu steigern.

Interessanterweise – oder einmal mehr: rein zufälligerweise? – ähneln diese beiden Psychologien beinahe exakt den Fortpflanzungsstrategien, die Populationen anwenden, wenn sie entweder r-selektiert oder K-selektiert sind.

Es ist wahrscheinlich, dass in unserer Spezies sowohl r- als auch K-selektierte Psychologien vorhanden sind, die auf einen sogenannten Selektionsdruck aus der Umwelt warten, um ihre jeweilige Natur zu bestimmen. Wenn (!) dem so ist, könnte es sich als fruchtbar erweisen, unsere politischen Psychologien im Hinblick auf die Tatsache zu untersuchen, dass sie wahrscheinlich auch dort existieren, wo höhere intellektuelle Funktionen und die zielgerichtete Organisation sozialer Strukturen auf die primitiveren r- und K-selektierten psychologischen Triebe treffen.

Diese beiden Entwicklungspsychologien, die Belsky, Steinberg und Draper identifiziert haben, scheinen eindeutig eine Variante dieses Phänomens zu sein.

Fortsetzung folgt.

Philipp A. Mende: Widerstand. Warum zwischen linker und rechter Politik eine Schlacht der Gene wütet.


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