Gestahlfedert: Lügenpresse: Von der Schweigespirale zur Geisterjagd
Der Niedergang des deutschen Journalismus am praktischen Beispiel
von Michael Werner
Herbert Reul (CDU) ist Innenminister des Kalifats NRW. Aus unerfindlichen Gründen sehen manche ihn als „Hardliner“ an, was sich nur damit erklären lässt, dass inzwischen Berliner Verhältnisse als „neues Normal“ gelten. Klar – im Vergleich zu jemandem, der einem aus der Sparkasse stürmenden Bankräuber hilft, seine Beute im Fluchtwagen zu verstauen, wirkt jemand, der ihm erzürnt „So geht das aber nicht, mein Freund“ hinterherbrüllt, tatsächlich wie ein Hardliner.
Als Reul von der „Rheinischen Post“ jüngst nach einer Erklärung für den exorbitanten Anstieg der Jugendkriminalität gefragt wurde, hatte er direkt die denkbar hanebüchenste parat: Es lag an Corona! Womöglich hätten junge Menschen weniger Chancen gehabt, sich sozial zu entwickeln und zu lernen, wie sich Konflikte lösen lassen, so Reul.
Das ist gleich auf mehreren Ebenen falsch: Selbst wenn es zuträfe, was Reul da schwadroniert, so haben besagte „junge Menschen“ auch in der Corona-Zeit sehr wohl gelernt, Konflikte zu lösen, nur anders als vorgesehen – Gewalt ist nämlich eine Lösung! Meistens die effektivste, nicht selten auch die effizienteste, aber vor allem die natürlichste von allen. Im Tierreich kommt sie ausschließlich zur Anwendung; ebenso verhielt es sich während des Großteils der Menschheitsgeschichte – bis heute, wie man sieht, wenn man Herrn Reul Glauben schenken will.
Und selbst er setzt auf Gewalt als Lösung, denn er ist (zumindest in NRW) der Repräsentant des staatlichen Gewaltmonopols. Dieses hat der Staat deshalb inne, weil er sich in der Praxis als Letztentscheider über alle innerhalb seines Staatsgebiets stattfindenden Konflikte definiert. Und diese Letztentscheidung wird (wie jede Handlung des Staates zu Lasten des Bürgers) immer (!) zumindest unter Androhung von Gewalt durchgesetzt, nicht selten auch unter Anwendung selbiger.
Doch ich schweife ab. Zurück zur eigentlichen Causa: Aufgrund dieses Statements dürfte jeder kritisch und klar denkende Mensch, der mit offenen Augen durchs Leben und insbesondere durch deutsche Großstädte geht, Reul nun tatsächlich für einen Hardliner halten, jedoch vornehmlich in den Disziplinen Systemtreue, Opportunismus, Karrierismus, Rückgratlosigkeit, Feigheit, Verkommenheit, Verlogenheit, Desinformation und Bürgerverachtung.
Sina Zehrfeld, die Autorin des besagten Artikels, ist redlich bemüht, sich als investigative Journalistin zu zeigen, die Zahlen aus der Kriminalitätsstatistik zitiert und kritische Fragen dazu stellt. Wer jedoch die letzten Jahre nicht von ideologischer Blindheit geschlagen durchs Wolkenkuckucksheim traumtanzte, wird schnell feststellen, dass das nur ein gleichermaßen offensichtlicher wie billiger Versuch ist, darüber hinwegzutäuschen, dass ganz bestimmte Zahlen nicht zitiert und die entsprechenden Fragen dazu nicht gestellt werden. Leider handelt es sich dabei um die alles entscheidenden Zahlen, die es überhaupt erst möglich machen, das große Ganze zu verstehen. Und diese Zahlen würden die meisten der Fragen in der Form, wie sie im Artikel gestellt werden, obsolet machen oder gar gänzlich andere Fragen aufwerfen.
Eigentlich würden sich sogar sämtliche Fragen erübrigen; es hätte vollends gereicht, ohne flankierende Wischi-Waschi-Kommentare irgendwelcher Politiker lediglich die entscheidenden Zahlen zu zitieren, denn diese sind selbsterklärend, und ihre Ursachen liegen für jeden, der sehen will, sichtbar auf der Hand.
Fairerweise muss eingeräumt werden, dass man Herrn Reul noch nicht mal den ganz großen Vorwurf machen kann, denn er hat ja letztendlich nur innerhalb des Frames geantwortet, in dem die Fragestellung erfolgte. Man kann Herrn Reul also lediglich vorwerfen, eine Frage nicht beantwortet zu haben, die niemand gestellt hat, und ein Thema nicht angesprochen zu haben, über das die Journalistin allzu offensichtlich auf gar keinen Fall auch nur den Hauch einer Andeutung verlieren wollte. Vielleicht hätte er ja Tacheles geredet, wenn ihm die richtigen Fragen gestellt worden wären. Oder vielleicht hat er sogar ungefragt Tacheles geredet, aber seine dahingehenden Aussagen mussten leider schweren Herzens der in einem solchen Artikel naturgemäß knappen Ressource Platz (besonders im Internet) geopfert werden. Wenn dem so war, und ich sollte es jemals erfahren, dann hätte ich Herrn Reul Unrecht getan und werde obige nicht sehr wohlwollende Charakterisierung seiner Person umgehend zurücknehmen, mich entschuldigen und das Gegenteil behaupten.
Ja, so fair muss man sein: Der größte Vorwurf geht an Frau Zehrfeld. Ihr gesamter Artikel ist die pure Verschwendung der Ressource Platz und insbesondere der knappen, extrem wertvollen Ressource Zeit – nämlich der Zeit all jener, die diesen Artikel gelesen haben, in der Hoffnung, etwas zum Thema, das er zu behandeln vorgibt, zu erfahren, das die Wirklichkeit abbildet. Oder zumindest die entscheidenden Teile derselben.
Doch nichts dergleichen ist der Fall: Der Artikel ist komplett nutzlos, denn er bringt keinerlei Erkenntnisgewinn. Man könnte ihn vergleichen mit einem Obduktionsbericht, in dem sich seitenlang ausführlich über einen Pickel am Arsch des Mordopfers ausgelassen wird, inklusive wilder Spekulationen über seine Tauglichkeit als primäre Todesursache, während die unübersehbaren, unregelmäßig über fast den gesamten Leichnam verteilten 38 Messereinstiche mit keinem Wort erwähnt oder auch nur angedeutet werden. Mit einem solchen Obduktionsbericht wird man niemals einen Mörder überführen, geschweige denn einer rechtskräftigen Verurteilung zuführen können.
Und mit einem Zeitungsartikel wie dem vorliegenden wird man das Problem der rasant angestiegenen Jugendkriminalität niemals verstehen können, geschweige denn eine Diskussion über mögliche Lösungsansätze anstoßen. Doch genau das soll seriöser, sauberer Journalismus leisten: Den Leser über alle entscheidenden Umstände eines Sachverhalts informieren, so dass er ihn als Ganzes erfassen und verstehen kann. Im besten Fall regt ein kritischer, sauber recherchierter und möglichst viele Aspekte eines Themas beleuchtender Artikel einen gesellschaftlichen Diskurs über Ursachen und mögliche Lösungen von Missständen an.
Artikel wie der vorliegende hingegen sind exemplarisch für das Vollversagen unserer Medien als „vierte Gewalt im Staat“. Exemplarisch für das Vollversagen beim Informationsauftrag. Exemplarisch für das Vollversagen bei der Meinungsbildung des Volkes, denn eine Meinung, die diese Bezeichnung verdient hat, kann man sich nur bilden, wenn man umfassend, vielseitig und ohne in eine falsche Denkrichtung gelenkt zu werden, informiert ist.
Ist das hier die vielzitierte „Lügenpresse“? Wörtlich genommen nicht, denn in dem Artikel stehen keine echten Lügen, also vorsätzliche Unwahrheiten. Die zitierten Zahlen sind korrekt, und es ist davon auszugehen, dass auch die Interviewpartner korrekt zitiert wurden.
Das Problem sind die Weglassungen, all die offensichtlich bewusst unterschlagenen Informationen, die – wären sie einbezogen worden – ein völlig anderes Bild der Gesamtsituation ergeben hätten. Treffender wäre also die Bezeichnung „Lückenpresse“.
Wobei man auch das anders sehen kann, nämlich dass das bewusste und manipulative Weglassen relevanter Informationen auch eine Form der Lüge ist. Denn man wollte ja – genauso wie durch eine Lüge – den Adressaten in einen Informationsstand versetzen, der sich nicht mit der ganzen Wahrheit deckt, und hat dazu lediglich ein anderes Mittel verwendet.
Das deutsche Recht sieht es – aus gutem Grund – genauso: Wer als Zeuge vor Gericht bei seiner Aussage entscheidende Dinge bewusst weglässt, um das Gericht zu einem Urteil zu bewegen, das in Kenntnis der Weglassungen deutlich anders gefällt worden wäre, macht sich damit genauso strafbar wie ein Zeuge, der in derselben Absicht einfach nur kackdreist lügt.
Auch ich tendiere zu der Sichtweise, dass die bewusste Unterschlagung relevanter Tatsachen, Umstände und Informationen genauso Lüge ist wie die Lüge selbst, also die vorsätzlich gesprochene Unwahrheit. Absicht (beim Gegenüber einen Irrtum beziehungsweise falschen Eindruck zu erzeugen) und Wirkung (der Irrtum beziehungsweise falsche Eindruck des Gegenübers) sind identisch, und darauf kommt es an.
Daher spreche ich konsequent von der „Lügenpresse“. Natürlich mag die Lügenpresse es überhaupt nicht, wenn man sie Lügenpresse nennt, daher behauptet sie ständig, „Lügenpresse“ sei ein Nazi-Wort, um jeden, der sie treffend so nennt, zu nazifizieren und somit aus dem gesellschaftlichen Diskurs auszuschließen. Doch selbst das ist gelogen, denn „Lügenpresse“ ist mitnichten ein Nazi-Wort. Die Nationalsozialisten haben es zwar auch verwendet, aber erstmalig nachgewiesen werden kann der Begriff in der „Wiener Zeitung“, und zwar am 2. September 1835, also fast 100 Jahre vor der Machtergreifung der Nazis und 54 Jahre vor Hitlers Geburt. Der linkssozialistische Soldatenrat von München benutzte 1918 das Wort „Lügenpresse“ für jene Medien, die behaupteten, auch die Arbeiter- und Soldatenräte wollten den Krieg weiterführen. Und die linksradikalen 68er bezeichneten die Springer-Presse, vornehmlich die „Bild“, die „Berliner Zeitung“, die „Morgenpost“, den „Telegraf“, den „Abend“ und den „Tagesspiegel“ – also kurzum alles, was nicht auf ihrer Seite war – als „Lügenpresse“.
Dennoch sei es ebenfalls der Fairness geschuldet, die Frage aufzuwerfen, ob die Hauptschuld an der Sinnlosigkeit des hier behandelten Artikels tatsächlich bei seiner Verfasserin Sina Zehrfeld liegt. Vielleicht würde sie es eigentlich bevorzugen, wahrhaftig, umfassend und unparteiisch zu berichten, wäre also lieber eine professionelle, seriöse Journalistin statt eine politische Aktivistin, die linksgrüne Narrative und Regierungspropaganda als „Journalismus“ falschetikettiert, also eine Mogelpackung verkauft, in der klaren Absicht, ihre Leser bewusst und vorsätzlich zu desinformieren, zu täuschen, zu belügen und in eine Denkrichtung zu manipulieren, die sie nie einschlügen, wenn sie korrekte und vollständige Informationen erhielten. Vielleicht tut sie das alles nur, weil das Schmierblatt, für das sie arbeitet, exakt das von ihr erwartet, und vielleicht braucht sie den Job aus Gründen, die wir nicht kennen, und hat keine echte Alternative.
Ein Blick auf ihre Autoren-Übersichtsseite bei der „Rheinischen Post“ lässt das anhand ihrer anderen Artikel und ihrer Themenwahl jedoch eher unwahrscheinlich erscheinen: Überschriften wie „Städtetag fordert Anti-Hitze-Bündnis“, „NRW-Landtag hisst zum ersten Mal die Regenbogenflagge“ oder „Junge Liberale sehen Glorifizierung der Kanzlerschaft von Angela Merkel“ verheißen recht eindeutig die eine oder andere Sternstunde des rotgrünen Schlagseiten-Journalismus. Der letzte Hauch eines Zweifels, ob es sich bei ihr um eine linke Überzeugungstäterin handelt, verflüchtigt sich dann spätestens beim Genuss ihres Artikels „Zehn Prozent mehr rechte Straftaten in NRW“ vom 8. Mai 2023. Der ist geradezu entlarvend, ein journalistischer Offenbarungseid am Hochreck.
Dass es darin letztendlich ums selbe Thema geht wie bei dem Artikel über die Jugendkriminalität, nämlich Straftaten, erleichtert einen Direktvergleich, und siehe da: Sie bedient sich in beiden Artikeln einer gleichen Methodik, nur jeweils mit umgekehrten Vorzeichen; an entscheidender Stelle, aber ironischerweise mit demselben Ergebnis: Im Artikel über Jugendkriminalität bemüht sie sich durch Weglassung relevanter Fakten, dem Leser das Gefühl zu vermitteln, es handele sich bei den sprichwörtlichen Klein-Kriminellen um Lukas, Tim und Jonas, und gleichzeitig wird das Problem durch hanebüchene Erklärungsversuche herunterzuspielen versucht. Im Artikel über „Rechte Straftaten“ lässt sie es erneut so aussehen, als gebe es nur deutsche Täter (was tatsächlich nicht der Fall ist), während sie ansonsten extrem bemüht ist, das Phänomen, bei dem es sich (vor allem im Vergleich mit anderen Formen der Gewaltkriminalität) tatsächlich um eine eher unbedeutende Randerscheinung handelt, auf die Größe eines Heißluftballons aufzublasen. Das gelingt ihr auch, aber wie man weiß, sieht ein Heißluftballon lediglich groß aus, obwohl er in Wahrheit bloß aus einer Plastiktüte und jeder Menge heißer Luft besteht.
Diesem kann man in aller Kürze durch einen gezielten Nadelstich an entscheidender Stelle die Luft rauslassen:
Hier werden sämtliche journalistische Standards völlig schmerzfrei über Bord geworfen; noch nicht einmal vor der schamlosen Lüge, Rechtsextremismus sei „die größte Gefahr für unsere vielfältige demokratische Gesellschaft“, wird zurückgeschreckt – ganz im Gegenteil: Um diesem Märchen noch mehr Gewicht zu verleihen, darf sogar die Chefin der NRW-Landtagsfraktion der Grünen, Verena Schäffer, höchstselbst dieses Mainstream-Mantra durch die schmalen Lippen pressen.
Halten wir fest: Eine Linksextremistin aus einer linksextremen Partei, deren einziges Geschäftsmodell seit Gründung das Verbreiten von beinharten Lügen und deren oberstes Ziel die Zersetzung und Zerstörung der (früher wirklich mal vielfältigen) demokratischen Gesellschaft ist, möchte in der linken Presse den politischen Gegner dämonisieren (lassen) – wenn das seriöser, ausgewogener Journalismus sein soll, dann ist Marcel Fratzscher die ultimative Kristallkugel der Ökonomie!
Man möchte glatt wetten, Frau Schäffer hat noch nie einen waschechten „Rechtsextremen“ aus der Nähe gesehen, geschweige denn, dass sie von ihm überfallen wurde. Es hat wahrscheinlich auch noch nie ein „Rechtsextremer“ oder gar eine ganze Horde derselben verhindert, dass sie eine politische Versammlung abhalten und dort ungestört reden konnte.
Ausgewogenheit wäre gewesen, auch mal die „Gegenseite“ zum Thema „linke Gewalt“ zu Wort kommen zu lassen: Die Abgeordneten der AfD hätten wenigstens echte Geschichten aus dem wahren Leben zu erzählen gehabt statt solche aus dem Paulanergarten. Wer kann denn fast nirgendwo mehr eine Versammlungsstätte anmieten, weil die Betreiber sofort massiv von der Antifa bedroht werden? Wessen Parteibüros werden regelmäßig beschädigt oder gar verwüstet, wessen Wahlkampfstände zerlegt? Wessen aktive Mitglieder und Wahlkampfhelfer werden auf der Straße bedroht, überfallen und brutal zusammengeschlagen, oder – wie neulich, unter dem brüllend lauten Schweigen aller großen Medien – sogar „gemessert“? Wer wird zuhause „besucht“, wessen Kinder werden gestalkt, wessen Häuser entglast und wessen Autos abgefackelt?
Eingehendere Ausführungen dazu, warum die regelmäßig auftauchenden, stets gleich klingenden Artikel über „rechte Gewalt“, „rechte Straftaten“ et cetera in erster Linie Staatspropaganda und ansonsten größtenteils Folklore sind, würden hier den Rahmen sprengen und folgen daher in der nächsten Kolumne.
Quellen:
Schwarz-Grün plant Studie zu Jugendkriminalität in NRW (Rheinische Post)
Sina Zehrfeld - Landespolitische Korrespondentin (Rheinische Post)
Zehn Prozent mehr rechte Straftaten in NRW (Rheinische Post)
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