10. Juni 2023 08:00

Großdemo in Berlin am 1. August 2020 – die verpasste Chance Wie Ideologien eine Bewegung in die Irre führten

Zeitfenster für Veränderung öffnen sich und werden dann wieder geschlossen

von Manuel Maggio

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Bildquelle: Berit Kessler / Shutterstock Corona-Demo am 1. August 2020: Als sich ein Zeitfenster für wirkliche Veränderung öffnete – und sich bald danach wieder schloss

Es gibt Situationen und Ereignisse, die ein solches Momentum haben, dass dadurch echte Zeitfenster für Veränderungen geöffnet werden. Diese Zeitfenster haben das Potenzial, Machtverhältnisse offen zu legen und Strukturen zu verschieben. Machthaber werden alles dafür tun, diese Zeitfenster so schnell es geht wieder zu schließen, um anschließend wieder regelbare Machtstrukturen zu ihren Gunsten erhalten zu können. Die Auslöser für solche Zeitfenster können vielseitig sein. Oft sind es Ereignisse, bei denen die blanke Fratze der Gewalt unverblümt zu sehen ist. Nach 9/11 wird es so ein Zeitfenster gegeben haben und nach meiner Einschätzung ist auch im ersten Corona-Jahr zum Zeitpunkt der Großdemo von Michael Ballweg am 1. August 2020 in Berlin ein solches Zeitfenster entstanden. Vorneweg sei gesagt: Dieses Zeitfester war dann bereits vier Wochen später bei der nächsten Großdemo am 29. August 2020 wieder geschlossen und somit das Potenzial für echte Veränderungen nicht mehr vorhanden.

Sicher ist Ihnen das Jahr 2020 in besonderer Erinnerung geblieben: Dieses Jahr war von Lockdowns, AHA-Regeln, Ausgangsperren und Maskenzwang geprägt. Zu dieser Zeit stand das Thema Impfung noch nicht auf der Tagesordnung. Es war das Jahr, in dem zum ersten Mal – seitdem ich denken kann – Grundrechte aufgehoben wurden und Verordnungen Menschen am normalen Leben in Frieden und Freiheit behinderten. Die ersten Demos fanden statt, und bei vielen Menschen kam ein gewisser Zweifel auf. Man stellte sich die Frage, welche Interessen Regierungen eigentlich vertreten und wie weit eine Regierung gehen darf. Für mich sind das sehr elementare Fragen, die so in dieser Form selten gestellt werden.

Nach dem ersten Lockdown, als im Sommer die Beschränkungen teilweise gelockert wurden, wurde die Kritik an den Maßnahmen immer lauter und erreichte immer mehr Menschen. Es ging um keine Ideologie, keine Partei und auch keine politische Richtung, denn die Kritik basierte auf den oben beschriebenen Fragen. Die Erkenntnis, sich nicht alles gefallen zu lassen und ein Zeichen setzen zu wollen, hat auch mich dazu bewegt, an diesem besagten Samstag nach Berlin zu reisen, um mit meiner Anwesenheit zu zeigen: Bis hier und nicht weiter. Der Höhepunkt dieses Potenzials war sehr wahrscheinlich der 1. August 2020. Wenngleich sicherlich noch weit von einer kritischen Masse entfernt, wird dennoch jeder, der an diesem Tag auf Berlins Straßen war, gespürt haben: Da war eine ganz besondere Stimmung. Ich selbst halte mich von Demonstrationen, bei denen gefordert und mit Schildern gebettelt wird, fern. Doch so, wie ich das sehe, ging es nicht um eine Forderung – die Menschen kamen zusammen nach Berlin, da sie die Schnauze voll hatten von der Bevormundung durch die Regierung.

Wie kam es also dazu, dass sich dieses Potenzial, ohne echte Veränderung zu bewirken, wieder in Luft auflöste? Meiner Beobachtung nach wurde das Zeitfenster der Veränderung durch folgende Aktionen und Entscheidungen geschlossen, wobei ich nicht beurteilen kann, ob dies absichtlich oder durch Unvermögen geschehen ist: Das Resultat bleibt davon aber unverändert. Damit Sie besser nachvollziehen können, worum es mir geht, werde ich meine eigenen Erfahrungen schildern, denn für mich war bereits zwei Wochen nach der ersten Demo in Berlin klar, dass es plötzlich in eine komplett verkehrte Richtung läuft. Eine Teilnahme an der zweiten Demo am 29. August 2020 war für mich dann bereits ausgeschlossen. Der gemeinsame Nenner und Grund, wieso am 1. August 2020 so viele Menschen auf die Straße gingen, wurde im Anschluss systematisch vom Veranstalter Michael Ballweg und von den Leitfiguren rund um die Querdenker-Szene verwässert. Täglich kamen neue ideologisch verblendete Forderungen ans Tageslicht: angefangen bei jener, die Regierung abzusetzen, über den Hochmut, ganz Europa nun nach Berlin einladen zu wollen, bis hin zur Forderung einer verfassungsgebenden Versammlung und eines Friedensvertrages. Der meiner Auffassung nach inszenierte Sturm auf den Reichstag war dann nur noch das Sahnehäubchen und für die Zerschlagung der Bewegung nicht mehr wirklich notwendig. Die Protagonisten um Michael Ballweg haben es in den drei Wochen zwischen den Demos geschafft, das vorher eindeutige Nein zu den Maßnahmen in viele unklare Splitter zu zersetzen. Erst danach war es möglich, sich über die Maßnahmenkritiker und ihre wahnwitzigen Forderungen lustig zu machen, und der Kampfbegriff „Querdenker“ wurde medial geboren.

Ich bin mir sicher, dass es solche Zeitfenster wieder geben wird, vielleicht sogar sehr bald. Ob diese Chancen genutzt werden, steht auf einem ganz anderen Blatt Papier. Die Gefahr, eine Machtstruktur ins Wanken zu bringen, ist immer nur dann gegeben, wenn eine kritische Masse die Ablehnung von Herrschaft zum Ausdruck bringt. Sobald man diese Haltung mit neuen ideologisch verblendeten Forderungen paart, wird am Ende nur eine zersplitterte Bewegung übrigbleiben, die sich selbst zerpflückt und Menschen wieder auf alte politische Tricks hereinfallen lassen wird. Sobald es um mehr geht als um die generelle Ablehnung von Herrschaft und Bevormundung, ist in meinen Augen auch keine wesentliche Veränderung zu erwarten, und man wird sich weiter mit nie erreichbaren Forderungen überbieten und auf dem Weg in die Freiheit stecken bleiben.


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