26. Juni 2023 14:00

„Stolzmonat“ versus „Pride Month“ Ist Realität objektiv oder subjektiv?

In der Auseinandersetzung um diese Frage winkt der westlichen Zivilisation der höchste Darwin-Preis

von Robert Grözinger

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Bildquelle: Shutterstock Ideologisch-subjektivistischer Fanatismus im bunten Gewand: Wokismus et cetera

Der „Pride Month” lief dieses Jahr nicht gut für die Regenbogenkrieger des Stolzes. In deutschsprachigen Ländern reichte eine wörtliche Übersetzung dieses angeblichen Feiermonats in die Heimatsprache und eine nationalfarbliche Persiflage der Kriegsflagge der neuen Weltordnung, um deren Propagandaabteilung sprachlos zu machen: Ein Zeichen der Schwäche. Zu sehr fürchtete sie, dass sie durch ihre sonst übliche Hervorhebung von „Pride Events“ die Aufmerksamkeit der Bürger auf das selbstbewusste Aufbegehren gegen ihre unermüdlichen Indoktrinationsversuche lenken würde, woraufhin ein weiteres Anfachen dessen zu befürchten wäre. 

Auch anderswo läuft es nicht rund für jene, die Abweichungen zur neuen Normalität umdefinieren wollen. Auf Twitter hat der neue König der Kurznachrichtenplattform verkündet, dass die Bezeichnung anderer als „Cis“ oder „Cisgender“ von nun an dort als Beleidigung gilt und mit einer vorübergehenden Sperre geahndet werden könnte. In Großbritannien hört man wöchentlich von einem neuen Fall eines jungen Menschen, der als Minderjähriger – männlich oder weiblich – zu einer Umwandlungsoperation ermutigt wurde und diese nun zutiefst bereut. Die Tavistock-Klinik, die diese Operationen durchführte und bis vor kurzem noch vom staatlichen Gesundheitsdienst NHS finanziert wurde, hat den Betrieb einstellen müssen. Anheuser-Bush, die amerikanische Firma, der die Biermarke Bud Light gehört, die im April mit einer „transsexuellen“ Person Werbung machte, kommt aus den roten Zahlen nicht heraus.

Zur abschließenden, tragischen Krönung des Monats hören wir, dass der nun verstorbene Betreiber des versunkenen, abenteuerlich-amateurhaft zusammengeschusterten Tiefseetauchboots zum Wrack der Titanic auf ein „diverses“, „inspirierendes“, technisches Unterstützungsteam setzte. Er spottete über die Konkurrenz, wo das Personal nur aus „50-jährigen weißen Typen“ bestehe – siehe Link unten. Wo immer „Diversität“ – oder ein beliebiger anderer ideologischer Gehirnfurz – über Kompetenz trumpft, winkt ein Darwin-Preis.

Das Grundproblem unserer Zeit: Ideologische Gehirnfürze sind mittlerweile fest „institutionalisiert“ – um einen von den „Woken“ missbrauchten Begriff (siehe zum Beispiel „institutionalisierter Rassismus“) einmal angemessen zur Anwendung zu bringen. So sehr hat sich diese geistige Fäulnis in die Gesellschaft hineingefressen, dass die ganze westliche Zivilisation jetzt reif für den höchsten aller Darwin-Preise ist: Selbstgenozid durch institutionalisierte Inkompetenz und Realitätsverweigerung. Ironischerweise ist das diejenige Zivilisation, die einen Darwin überhaupt erst hervorbrachte und welche dessen Lehre zu einer unhinterfragbaren Quasireligion erhob.

Der „Pride Month“ ist natürlich nicht die Ursache der Misere – mehr dazu weiter unten. Er ist aber ein aktuelles Symptom. Dabei war der Ursprung dieser Zelebrierung alles „Diversen“ ganz bescheiden. Er begann als jährliche „Stonewall“- oder „Christopher Street Day“-Demonstration in verschiedenen Städten in Gedenken an den Aufstand gegen eine Razzia in der New Yorker Schwulenbar „Stonewall Inn“ am 28. Juni 1969 und mit Forderungen nach Gleichberechtigung im Alltags- und Berufsleben für Schwule und Lesben.

Vor vielen Jahren, es war entweder 1986 oder 87, nahm ich an einer solchen Demonstration teil. Ich war Student in Braunschweig und Mitglied des dortigen Liberalen Hochschulverbandes. Ein Vertreter einer anderen Studentengruppe, der „HUBS“ (Homosexuelle Unigruppe Braunschweig), hatte bei uns angefragt, ob wir teilnehmen wollten. Wir sagten zu, weil, nunja, Toleranz, Menschenrechte und so weiter. Was wir damals nicht wussten, weil wohl keiner von uns ihn gelesen hatte: Laut Herbert Marcuse, einem führenden Vertreter der Frankfurter Schule und einer der geistigen Urväter des heutigen „Wokismus“, ist bürgerliche, liberale Toleranz „repressiv“. Auch dazu gleich mehr.

Ohne uns fünf oder sechs liberalen Hanseln – und Greteln – hätte die Demonstration mit hoher Wahrscheinlichkeit in dem Jahr gar nicht stattgefunden. Denn es gab eine Auflage der Polizei: Am Anfang müsse eine Mindestzahl am Umzug teilnehmen: 50. Am Altstadtmarkt, unserem Treffpunkt, wurde durchgezählt: 48. Der Organisator, der bereits erwähnte Vertreter der HUBS, bat die Polizei um Nachsicht. Viele Leute, sagte er, würden sich erst anschließen, nachdem sich der Zug in Bewegung gesetzt hätte. Sie trauten sich bloß nicht, sich von Anfang an zu zeigen. Er wies auf eine kleine Ansammlung am anderen Ende des Platzes hin. Die kenne er, die wollten teilnehmen. „Also gut“, sagte der Einsatzleiter in meiner Hörweite, „einundfünfzigeinhalb“. Da war sie wieder, die liberale, bürgerliche, „repressive“ Toleranz.

Also zogen wir rund 50 Leutchens los. Nach und nach schlossen sich tatsächlich eine große Menge Unterstützer an. Zumeist ganz normal aussehende Leute, wie ich feststellte. Ich kann mich an keine genaue Zahl erinnern, aber es waren am Ende mit Sicherheit viele hundert, vielleicht sogar gut eintausend. Meist hielt die Demo sogar den Verkehr auf. Die Stimmung war fröhlich bis ausgelassen. Viele trugen bunte Kleidung und es lief alles sehr zivil ab. – Bis auf einen Ausnahmevorfall, der nur wenige Sekunden dauerte.

Als wir an der Polizeihauptwache in der Münzstraße vorbeizogen, skandierte der – sich inzwischen ebenfalls angeschlossen habende – schwarze Block aus der Mitte des Pulks mehrfach, laut und aggressiv: „Eins, zwei, drei, lasst die Leute frei.“ Wir Liberalen und viele um uns herum schauten konsterniert und betroffen. Aber der Spuk war, wie gesagt, schnell vorbei. Der Zug endete in einem Park mit Tanzmusik und Picknick.   

Der „Spuk“ aber ist das Vorgehensmuster, dass sich die „Woken“ als Erfolgsmodell angeeignet haben: Als blinder Passagier inmitten „weicher“, empathieauslösender Themen knallharte, die Realität leugnende Fakten fordern und am Ende mit Hilfe einer eingelullten Mehrheit durchsetzen.

„Wokeness“ hat nichts mit Toleranz und Menschenrechten zu tun, sondern ist der Ausfluss des Glaubens, dass es keine objektive Realität gibt, dass alle sogenannte Realität ein „gesellschaftliches Konstrukt“ ist, das von den Herrschenden den Beherrschten oktroyiert wird. Dass echte Freiheit darin besteht, sich seine eigene Realität zu schaffen. Dass somit die Leugnung dieser „Realität“ durch andere Gewalt darstellt. Sogar die „Nichtbekräftigung“ dieser „Realität“ ist Gewalt – erinnert sei an den Schlachtruf während der „Black Lives Matter“-Demonstrationen: „Silence is violence.“  

Der Glaube an eine objektive Realität dagegen führt zum Anstreben dieser Realität, beziehungsweise einem allgemeingültigen Ideal. Was von diesem Ideal – zum Beispiel eine Familie aus Vater, Mutter, Kind – abweicht, zum Beispiel gleichgeschlechtliche Paare, wird zu einem gewissen Grad toleriert. Diese Toleranz ist notwendiger Bestandteil eines Glaubens an eine objektive Realität, weil sie in ihrer Gesamtheit aufgrund unserer menschlichen Beschränktheit nie absolut gekannt werden kann. Eben weil sie ein notwendiger Bestandteil des Glaubens an objektive Realität ist, also eine Ablehnung radikaler Subjektivität, gilt diese Toleranz unter den Marcuse-Jüngern als „repressiv“. 

Wer dagegen an eine selbst herstellbare Realität glaubt, macht sich implizit Gott gleich und glaubt daher nicht an die Beschränktheit des Menschen. Statt an ein Ideal glauben die „Woken“ an eine alles gleich machende „Diversität“. Dieser Aberglaube an totalen Relativismus und Subjektivismus hat sich vor vielen Jahren an den Universitäten festgesetzt, erst in den „weichen“ Fächern – Sprach-, Geistes- und Gesellschaftswissenschaften –, dann aber und zunehmend auch in den „harten“ Naturwissenschaften. Der promovierte amerikanische Mathematiker James A. Lindsay gab in einem kürzlich veröffentlichten, sehr zu empfehlenden Interview mit dem anti-„woken“ Psychologen Jordan Peterson – siehe Link unten – ein eindrucksvolles Beispiel.

Lindsay ist einer jener kleinen Gruppe, die vor wenigen Jahren die sogenannte „Grievance study“-Affäre auslöste. Die Gruppe versuchte, und schaffte es zum Teil, in Fachzeitschriften Studien zu veröffentlichen, die frei erfundenen Unsinn beinhalteten, die allerdings unter Anwendung des „woken“ Codes geschrieben waren. In nicht wenigen Fällen wurden sie trotz Peer-Review kritiklos übernommen. In einem der veröffentlichten Papiere ging es beispielsweise um die Vergewaltigungskultur unter Hunden beim Gassigehen.

Im Interview mit Peterson erklärt Lindsay, warum er das tat. Er habe im Jahr 2016 ein renommiertes, einflussreiches, naturwissenschaftliches Journal in die Hände genommen und dort einen Artikel gelesen, der ihn zutiefst erschüttert habe. Der Inhalt ging seinen Worten zufolge etwa so: Um den Klimawandel besser zu bekämpfen, brauche die Gletscherkunde mehr Feminismus. Zum Beispiel sei die Satellitenbeobachtung von Gletscherentwicklungen ein „pornographischer Blick“ auf Mutter Erde. Eine ganzheitliche Gletscherkunde müsse auch die weibliche Sicht der Realität zum Tragen bringen. In der Forschung müssten zum Beispiel von Frauen gemalte Bilder von Gletschern mit in Betracht gezogen werden – und Geschichten, die sich dortige Ureinwohner über die Eismassen erzählen.

Dass dieses Machwerk in einer renommierten naturwissenschaftlichen Zeitschrift erschien, habe ihn so geschockt, sagt Lindsay im Interview, dass er sich in einen verdunkelten Raum zurückgezogen habe und dort ununterbrochen drei Tage geblieben sei. Jetzt aber wehrt er sich. Nach seiner Zeitschriften-Eulenspiegelei tingelt er durch die Welt, hält viel beachtete Reden und schreibt Bücher darüber, wie man sich gegen den „Wokismus“ wehren kann.

Peterson selbst hat einen ähnlichen Werdegang. Es kam ein Punkt, sagt er wiederholt in verschiedenen Videos, an dem er den Unsinn nicht mehr mitmachen konnte, weil er mehr Angst vor dem hatte, was passieren würde, wenn keiner widerspricht, als vor dem, was auf ihn persönlich zukommen würde – und in der Tat auf ihn zukam –, wenn er den Mund aufmacht. Sein durchschlagender Erfolg gibt ihm eindrucksvoll recht.  

Angesichts des vielfachen Propagandadebakels des diesjährigen „Pride Months“ in englisch- und deutschsprachingen Ländern kann man die Frage stellen: Haben wir „Peak Woke“ erreicht? Haben Peterson, Lindsay und viele andere einen Kipppunkt erzwungen? Nicht so schnell. Nach dem Marsch durch die Institutionen haben die „Woken“ alle wichtigen Narrative – Klima, Corona, Ukraine, Migration und so weiter – weiterhin fest im Griff. Nur hier und da, beim Transthema etwa, müssen sie derzeit taktische Rückzüge hinnehmen. Vor allem aber: Den alles entscheidenden Fiat-Geldkanal haben sie inzwischen auch unter ihre Kontrolle gebracht – Stichwort Blackrock.

Gerade da gesellt sich Gleich und Gleich: Die „woken“ Realitätsverweigerer und die institutionellen Realitätsverzerrer des Fiatgeldsystems. Beiden ist die objektive Realität der Todfeind. Wortwörtlich übrigens. Denn die Realität – für manche die Gesetze der Natur, für andere die Gesetze Gottes – lässt sich von uns beschränkten Menschen nicht ewig außer Kraft setzen.

Jenen, die an die Existenz einer objektiven Realität glauben, bleibt derzeit nur übrig, solange es geht, Mitstreiter und -denker anzuwerben und gegenzusteuern, wie es Peterson, Lindsay, oder etwa auch die verschiedenen Mises-Institute weltweit und viele andere mehr tun, in großem oder kleinem Stil. Und, wenn der erwartete Selbstgenozid an Fahrt gewinnt, den Kopf einzuziehen – oder, je nach Neigung, sich auf ein Märtyrertum vorzubereiten. Wer klug ist, tut beides.

Wenn alles vorbei ist, wird die Menschheit Folgendes lernen müssen: Es gibt eine objektive Realität; aufgrund ihrer Beschränktheit müssen Menschen, um das Ideal zu identifizieren, auf rationales Denken und Toleranz setzen; im Gegenzug erwarten sie von den Abweichlern, auch wenn sie dem Ideal nicht entsprechen wollen – und das sollte ihnen selbstverständlich freigestellt sein –, die Anerkennung der Existenz objektiver Realität.   

P.S.: Die Wahl des AfD-Kandidaten zum Landrat in Sonneberg gestern Abend bestätigt den oben beschriebenen Trend. Der nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses eingesetzte allgemeine Nervenzusammenbruch unter den „Woken“ und ihrer Einflusssphäre erinnert an die Reaktionen in Großbritannien auf den Brexit. Das ist zwar auch noch nicht „Peak Woke“, jedoch ein deutliches Zeichen eines Wendepunkts.   

Quellen:

Paul Joseph Watson über das Verschwinden des Tauchbootes (YouTube, englisch, Zitat über „diverse“ Techniker kommt kurz nach Beginn)

James A. Lindsay im Gespräch mit Jordan B. Peterson (YouTube, englisch, mit Zeitstempel dort, wo Lindsay vom erwähnten „Gletscherkunde“-Artikel berichtet)


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